„Die tiefste Sehnsucht im Herzen des Menschen ist die Sehnsucht danach, geliebt zu werden und zu lieben. Diese Liebe möchte man auch körperlich ausdrücken. Ein besonderer Fall der menschlichen Liebe ist die erotische zwischen Mann und Frau. Die Sehnsucht nach einem Menschen, der so anders ist als man selbst, und dessen man als Ergänzung bedarf. Es gibt keine vollkommenere Hingabe an einen Menschen als das freiwillige und ausschließliche „Ja und für immer“. Für dieses totale Ja gibt es das Wort „Ehe“, der lebenslange Bund zwischen einem Mann und einer Frau. Nur dort, wo ein Mensch sich wirklich ganz und total schenkt, macht es auch Sinn und hat es auch Wahrheit, sich leiblich ganz zu schenken: in der erotischen Vereinigung von Mann und Frau. Und nun das vielleicht unbegreiflichste Geheimnis: aus der Liebe zwischen Mann und Frau entsteht neues Leben. Unfassbar. Menschliche Liebe nimmt Teil an etwas, was sie selbst nicht „machen“ und nicht einmal erklären kann: der Schöpfung eines neuen Menschen. Die Liebe, die sich vollkommen schenkt, wird auf wunderbare Weise fruchtbar für ein neues Leben.
Menschliche Sexualität: unendlich mehr als nur Ausdruck von Zuneigung oder „Spaß“. Der Zeugungsakt ist zugleich der Anfang eines neuen Lebens.
Und hier wird relativ schnell klar, wie verstörend die Aussagen sind, es sei doch „nur Sex“. Oder Sex sei nur etwas Körperliches. Oder – wie mir jüngst jemand bei einer Diskussion im Internet schrieb – nur die „Zeugungsfähigkeit“ zeichne die besondere Situation einer Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau aus, alles andere sei gleich. Ich zuckte zusammen. „Zeugungsfähigkeit“. Welch schrecklicher, technischer Begriff für das alle Vorstellung sprengende Geschenk, Vater und Mutter eines Menschen zu werden. Eines Menschen, dessen Leben und Schicksal für immer mit dem meinen verbunden bleiben wird. Ein Mensch, dessen Vater ich bin und dessen Mutter die Frau ist, mit der ich geschlafen habe.
Sex sei doch etwas rein Körperliches und etwas, was niemand anders anginge an die zwei beteiligten Erwachsenen? Wirklich?
Es gibt keinen Akt, in dem ein Mensch sich einem anderen Menschen auf so tiefe Weise öffnet und hingibt wie in der Vereinigung zwischen Mann und Frau. Und bitte nein, es ist nicht nur entscheidend, was im Herzen passiert. Es ist eben auch entscheidend, was mit dem Körper passiert, denn Geist und Leib gehören aufs Tiefste zusammen. Wenn es anders wäre, wäre es ja garnicht so schlimm, vergewaltigt zu werden, denn das passierte ja „nur mit dem Körper“. Es ist absolut entscheidend, was sexuell mit dem Körper geschieht! Und diese Aussage ist das exakte Gegenteil von Leibfeindlichkeit: sie erhebt den Leib des Menschen zu seiner eigentlichen Höhe und Würde.
Denn schließlich… Woran leiden Menschen ein Leben lang? An den Wunden der Kindheit. Welches Thema füllt praktisch alle Sitzungen bei allen Therapeuten? Vater und Mutter. Wer mein Vater und wer meine Mutter ist, wie die zu mir waren, was ich von ihnen mitbekommen oder schmerzlich leider eben nicht mitbekommen habe: das sind Lebensthemen. Keine Phase des menschlichen Lebens ist so sensibel, so verletzlich und so prägend wie die ersten Lebensjahre. Zwar lernen wir Lesen und Schreiben erst später. Doch in den ersten Lebensmonaten lernt das Baby etwas unendlich Wichtigeres. Es lernt: eine Heimat haben. Nicht erst, eine finden zu müssen. Denn die Liebe von Vater und Mutter und der Leib der Mutter selbst ist ganz buchstäblich der Ort, wo das Kind entstand und heranwachsen darf. Und es lernt: Empathie. An Hand der Reaktion der primären Bindungsperson lernt das Kind, Gefühle anderer wahrzunehmen und darauf einzugehen. Es lernt, Bindungen einzugehen. Man könnte auch sagen: der Mensch lernt in dieser Phase das Lieben. Und was braucht das Kind in dieser Phase? In erster Linie Präsenz. Also: dass die primäre Bindungsperson einfach da ist, reagiert, verfügbar ist, Wärme zeigt. Und wer ist die primäre Bindungsperson? Es ist die Mutter, zu der das Kind niemals erst eine Bindung aufbauen muss, weil es sie schon gibt, wenn es den ersten Atemzug nimmt. Die Mutter ist der Ort, in dem das Kind gezeugt wurde und in dem das Kind zu leben begann. Man wird mit dem Staunen nicht fertig.
Und an der Seite der Mutter: der Mann, den die Mutter liebt, der sie schon damals geliebt hat und der auch an ihrer Seite bleibt. Der Mann, der zugleich der Papa ist. Es gibt kein stabileres Lebensfundament als das einer intakten Familie. Und wie groß ist die geheime Sehnsucht nach und der Schmerz um eine solche Herzens-Heimat bei vielen, die nach außen fortschrittlich und aufgeklärt für die moderne Lebensrealität werben, in der es eben „ganz vielfältige Modelle von Familien“ gäbe. Ja, die gibt es schon. Es sind Modelle, in denen Kinder sich an das wiederholte Zerbrechen von Vertrauen und das Wechseln von Bezugspersonen gewöhnen müssen in einem Alter, wo ein Kind einfach Sicherheit und stabile Liebe bräuchte.
Weshalb Sex heilig ist? Weil das menschliche Leben ein Geschenk ist und eine Würde besitzt. Und weil das Leben jedes Menschen damit begann, dass ein Mann und eine Frau sich einander schenkten.
Unvorstellbar, was einer Gesellschaft auf die Dauer verloren geht, wenn Sex „nur noch Sex“ ist.“ kath.net