Vor zehn Jahren starb Ray Charles.

Zu seinem Film:

Mit 18 verlässt der blinde Ray Charles Robinson, gespielt von Jamie Foxx, seine Heimat in den Südstaaten, um in der Jazz-Metropole Seattle Karriere zu machen. Sein Talent verschafft ihm bald einen Plattenvertrag und erste Erfolge. Der grosse Durchbruch kommt 1955, als er mit „I Got A Woman“ Gospelklänge mit Rhythm & Blues zur neuen Stilrichtung „Soul“ verbindet.

Eigentlich hat er den Song „geklaut“. Der Gospel „My Jesus Is All The World To Me“, den er im Radio hörte, hatte ihm die Initialzündung gegeben. Er wies einen seiner Musiker an, dafür einen anderen Text zu finden. So ging „I Got A Woman“ in die Geschichte ein als die erste gelungene Verschmelzung von Rhythm & Blues und Gospel. Das Lied gelangte an die Spitze der Hitparade. Es war aber nicht die musikalische Fusion, welche die Leute so in Rage brachte, sondern das Ineinander von Text und dessen skandalös delikater Interpretation.

Einfache Anfänge: Mit 18 Jahren zieht Ray (Jamie Foxx) nach Seattle, um als Musiker Kariere zu machen.
Ray Charles galt fortan als verrucht, weil er es gewagt hatte, diesen Gospel zum Loblied auf die erotischen Qualitäten einer Frau abzuändern. Dies tat er mit einer ganz und gar ungewöhnlichen Stimme. „Er nahm die Musik Gottes und die Worte des Teufels und machte daraus das Amalgam, das wir Soul nennen“, umschrieb sein Freund Quincy Jones die Musik von Ray Charles.

Viele lehnten Charles Grenzüberschreitungen ab. „Er hat eine gute Stimme, aber es ist eine Kirchenstimme; er sollte in der Kirche singen“, kritisierte einmal Blues-Star Big Bill Broonzy: „Blues und Spirituals zu mischen ist verwerflich.“

Doch Ray wird immer berühmter – und anfällig für Drogen. Er beginnt Heroin zu nehmen, um seine Einsamkeit und Blindheit zu vergessen. Die hat er seit seinem achten Lebensjahr. Weisse Ärzte hatten sich damals geweigert, das erkrankte Kind zu behandeln. Den Tod seines Bruders hatte er allerdings noch mitbekommen. Er war vor seinen Augen ertrunken. Wie ein wiederkehrender Albtraum verfolgt ihn seitdem diese Erinnerung. Später heiratet er, pflegt aber auch während seiner Tourneen weiter verschiedene Affären.

Die Heroinsymptome, der Erfolgsdruck und das innere Trauma treiben Ray immer näher an den Rand des Abgrunds. Er erkennt, dass er sein Leben ganz neu ordnen muss – bevor es zu spät ist.

Jamie Foxx mimt die Musiklegende Ray Charles mit aufsehenerregender, beklemmender Intensität. „Ray“ zeigt ein innerlich zerrissenes Genie – einen musikalischen Perfektionisten, der
Tragische Kindheit: Rays Mutter (Sharon Warren) bemerkt, dass ihr Junge allmählich blind wird.
alles richtig machen will und doch an den eigenen Verstrickungen scheitert. Die Story versucht dabei nicht, die komplexen Probleme aufzuschlüsseln oder zu moralisieren, sondern überlässt die Interpretation weitgehend dem Zuschauer. Schade ist einzig, dass Regisseur Taylor Hackford nicht näher auf sozial-historische Aspekte wie die Bürgerrechtsbewegung der Schwarzen eingeht – sie werden im Film nur am Rande erwähnt. Die volle Konzentration auf die Hauptfigur hindert auch die Nebendarsteller an einer vollen Entfaltung – mit Ausnahme von Sharon Warren, deren kurze Auftritte als Mutter von Ray mit eindringlicher Energie und viel Charisma gespielt sind.

Ein Leben lang sehnte sich Ray Charles danach, akzeptiert und geliebt zu werden – und wurde doch immer wieder abgewiesen und enttäuscht. Obwohl er als Kind in einer Baptistenkirche gross wurde und Gospelmusik über alles liebte, suchte er sein Glück nicht im christlichen Glauben. Wurde er vielleicht von jenen Christen abgeschreckt, die über die sexuelle Zweideutigkeit seiner Lieder schimpften und ihn warnten, dass er und die anderen Musiker „alle in der Hölle schmoren“ würden? Oder hatte sich die Verachtung jener Ärzte in seine Seele eingebrannt?

Wir wissen es nicht. Die Frage bleibt jedoch, wie man die „frohe Botschaft“ über Jesus auch den Menschen vermittelt, die ihre Probleme hinter einer glitzernden Oberfläche verbergen. Allerdings gibt es noch ein mutmachendes Zitat von Ray Charles, kurz vor seinem Tod: Er fühle sich fantastisch und danke Gott für den guten Verlauf der Operation, erklärte der damals 73-jährige Sänger.

„Blind, warum nicht?“, sagte er einmal. „Ich bin trotzdem glücklich, weil die Dinge, wie ich sie mir vorstelle, in Wirklichkeit wahrscheinlich viel weniger schön sind als in meiner Fantasie. Schon aus diesem Grund will ich sie gar nicht sehen.“ – Nicht sehen wollen, nicht sehen können… Traumata und Protest. Diese Haltung hat er auch dem christlichen Glauben gegenüber eingenommen.
Autor: Jonas Bärtschi

Quelle: Livenet.ch

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