Was Kinder von Kim Possible oder Bill Kaulitz lernen


Wenn Zeichentrickheldin Kim Possible die Welt rettet, SpongeBob wieder mal bei der Boots-Fahrprüfung durchfällt oder Bart Simpson sich in Bartman verwandelt, verfolgen das weltweit Millionen Kinder und Jugendliche auf ihrem TV-Bildschirm. Erwachsene mögen von der modernen Form der Kinderunterhaltung irritiert sein. Aber die Medienwissenschaftlerin Maya Götz, Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen in München, meint, im Vergleich zu den Programmen der 70er und 80er Jahre, als weniger überdrehte, anscheinend kindgerechtere Figuren wie die Biene Maya, Wickie oder Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer an deren Stelle ihre Abenteuer erlebten, habe sich im Prinzip nicht viel geändert.


Die Helden ermöglichen es dem Kind, sich mit Themen seiner Reifung und Entwicklung auseinanderzusetzen. Sie zeigen laut Götz, dass man sich mit List durchsetzen kann, auch wenn man klein und noch nicht allzu klug ist, oder dass man etwas wert ist, auch wenn man den Anforderungen nicht immer gerecht wird. Sie dienen als Rollenmodell für die Bewältigung schwieriger Schul- und Familiensituationen oder für die erste Liebe (da kann man auch an Show- und Sportstars wie die Band Tokio Hotel mit ihrem androgynen Sänger Bill Kaulitz oder Fußballer Lukas Podolski denken).


Für die Medienwissenschaftlerin ist da alles im Lot. „Lassen Sie sich von Ihrem Kind seine Lieblingsepisode erzählen, da bekommen Sie die Themen, die es beschäftigen, auf dem Silbertablett serviert”, empfiehlt sie Eltern in einem Beitrag für „Focus Schule” (# 2/2009). Mag sein, aber Götz verzichtet offenbar bewusst darauf, genauer hinzusehen, was für Helden unseren Kindern im TV als Hilfe für ihre Entwicklungsprozesse angeboten werden. Wie sie genau auf die jungen Zuschauer wirken und sie beeinflussen. Was allerdings weit schwerer wiegt: Auch Eltern tun das nur noch höchst selten.


Was ist denn eigentlich an den TV-Vorbildern auszusetzen? Zunächst wäre festzuhalten, dass es sich in der großen Mehrheit um Unterhaltungsprodukte handelt, deren Schöpfer und Produzenten keine pädagogischen Ziele im Sinn haben. Das macht es recht unwahrscheinlich, dass sie sich trotzdem für pädagogische Prozesse eignen. Was die jungen TV-Konsumenten aus den angebotenen Rollenmodellen machen, bleibt ihnen selbst überlassen.


Es würde zu weit führen, an dieser Stelle einzelne Kinder- und Jugendprogramme zu bewerten. Aber es ist festzuhalten, dass Kinder Vorbilder suchen und brauchen. Wie die handeln, reden und entscheiden, wie sie auf die Kinder reagieren, macht auf sie Eindruck und prägt sie. Diese Vorbilder sind natürlich in erster Linie wiederum die Eltern, außerdem weitere Bezugspersonen wie Verwandte, Erzieher(innen), Lehrer(innen), Freunde, dann aber auch durch Medien wie das Fernsehen vermittelte Figuren.


Was also sollte so ein TV-Vorbild bieten? Zunächst sollte es das Kind ernst nehmen, an das es sich wendet. Es sollte dem Kind eine klare Unterscheidung zwischen Gut und Böse ermöglichen. Es sollte seinen Horizont weiten, aber ihm auch Respekt und Gehorsam vermitteln. Es sollte ein Kind selbstverständlich nicht zum Bösen verleiten.


Viele Anforderungen – die aber für ein Kind nötig sind. Zu viele für ein Fernsehprogramm? Sehr wahrscheinlich. Deshalb sollte ein Kind möglichst wenig fernsehen. Erziehung ist immer noch Sache der Eltern.

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