Es sind jene Momente, in denen der junge britische Regisseur Asif Kapadia, mit wenigen, exzellent ausgesuchten Szenen aus zum Teil unveröffentlichtem Material ein Psychogramm eines Helden montiert, das jedes falsche Pathos vermeidet, um Raum für das echte Pathos zu machen. Senna fährt von Anfang an gegen die Gesetze der Physik und Biologie an. Und Kapadia findet Bilder, die dies illustrieren. Es sind ebenso stille wie schockierende Bilder. Besonders die tiefe Gläubigkeit Sennas gibt der Figur eine Art surrealen Heiligenschein in einer unbarmherzigen Rennsportwelt, die eher an die Hölle erinnert. Als christlicher Existenzialist fordert er sich und die Welt heraus, auch weil es sein Ziel ist, zu erfahren (im wahren Sinne des Wortes), welche Rolle dem Menschen in der Schöpfung zukommt. Senna verdreht die Logik der Gottesebenbildlichkeit des Menschen und will das Göttliche in sich spüren. Es ist bei einem Rennen in Monte Carlo am Anfang seiner Karriere, als er während der Fahrt in eine Art Trance der Raserei gerät. Diese gefühlte Gottesnähe gipfelt in einer Epiphanie nach dem Gewinn der ersten Weltmeisterschaft. Seither ist Senna ruhig und sicherer, aber stets mit einem Bein im Jenseits zu Hause. Seinem rationalistischen Rivalen Prost, dem Voltaire des Rennsports, macht dieses Gottvertrauen Angst. Er fürchtet einen Gegner, der das Paradies schon gesehen hat. Leise und bedächtig stellt der Film den Bibelleser Senna vor, der seiner Schwester am Morgen von seiner Lektüre in der Heiligen Schrift berichtet. Senna ist das Gegenmodell zum nihilistischen Furor der Futuristen und dem anarchistischen Terror der Tuningszene, wie er in Videospielen und den wunderbar flachen Fast-and-Furious-Filmen verklärt wird.