Am 29.5.2010 starb Dennis Hopper, amerikanischer Schauspieler und Regisseur («Easy Rider», «Blue Velvet», «The Hot Spot»).

Vielleicht war dies der Höhepunkt seines Wahnsinns: Als 1983 an der Universität von Houston eine Retrospektive seiner Filme stattfand, kündigte
der Regisseur, Schauspieler und Fotograf Dennis Hopper dem Publikum seine „Reinkarnation“ an.
Im Freien fand man ihn auf einem Stuhl stehend, mit Sturzhelm und einem Sprengstoffgürtel um seine Hüften. Der von Drogen und Alkohol völlig benebelte Künstler bezeichnete die Konstruktion als „russischen Todesstuhl“ und versuchte, ihn zur Explosion zu bringen. Er überlebte das makabre Experiment.
Spätestens seit seinem Erfolgsfilm „Easy Rider“ war Hopper für seinen ausschweifenden Lebensstil und für ebenso durchgeknallte wie lebensgefährliche Aktionen bekannt. Er war ein Waffennarr und neigte zur Gewalt – wovon nicht zuletzt fünf gescheiterte Ehen zeugen. Seine Entwicklung dürfte von einer bizarren Erfahrung mit seinem Vater beeinflusst worden sein, die er als etwa Zehnjähriger am Ende des Zweiten Weltkriegs machte: Der Vater war im Krieg gefallen, wie der Familie offiziell mitgeteilt wurde. Wenig später traf er ihn jedoch wieder: Der Vater war US-Geheimdienstler und hatte seinen Tod aus Sicherheitsgründen inszeniert. Von da an war für Hopper so manches normal, was anderen völlig verrückt erschien.

Biografen und Journalisten bescheinigen ihm aber auch immer wieder Exzentrik und Größenwahn, was seine Schauspielerkarriere auf der Bühne und beim Film eher erschwerte als förderte. Als es in Hollywood noch üblich war, dass ein Darsteller die Anweisungen des Regisseurs genau umsetzte ohne Fragen zu stellen, wollte er improvisieren und seine innersten Gefühle zum Ausdruck bringen. Bei den Dreharbeiten zu dem Edelwestern „Man Hunt“ von 1957, in dem er nur eine Nebenrolle spielte, kam es zur Kraftprobe, und Regisseur Henry Hathaway ließ ihn eine Szene so lange wiederholen, bis er völlig erschöpft zusammenbrach. Darauf bekam er erst einmal eine Weile keine Rollen mehr. Aufgrund freundschaftlicher Kontakte zu John Wayne konnte er sich aber im Filmgeschäft durchschlagen. Außerdem malte er, bis 1961 alle seine Bilder bei einem verheerenden Brand in Bel Air vernichtet wurden. Danach wandte er sich der Kunstfotograϐie zu. Hopper sah sich einer Gruppe von Stars zugehörig, die rebellische Figuren verkörperten: Montgomery Clift, Marlon Brando, James Dean. Den StarStatus erlangte er allerdings erst viel später. Seine Vorstellungen von der Schauspielerei konnte er nur umsetzen, indem er selbst Regisseur wurde. „Easy Rider“ von 1968, die relativ realistische Darstellung der Hippie- und Alternativkultur dieser Zeit und ein Abgesang auf den amerikanischen Traum grenzenloser Freiheit, war eine Billigproduktion für weniger als 400 000 Dollar, die er bei Hauptdarsteller Peter Fonda, dem Musikproduzenten Phil Spector und einigen Drogenkumpels zusammen schnorrte. Der Streifen spielte mehr als 40 Millionen Dollar ein, nicht zuletzt auch wegen des spektakulären, damals in dieser Form noch unüblichen Rock-Soundtracks, an dem – noch vor Woodstock – Bands wie Steppenwolf, Jimi Hendrix Experience und Byrds mitwirkten. Hopper bekam für sein nächstes Werk eine Million Dollar Vorschuss und freie Hand. „The last Movie“ (1971) war jedoch ein kommerzielles Desaster und erntete nicht einmal Kritikerlob. Trotzdem schaffte er es, bis in die 1980er-Jahre durch Filmauftritte (darunter in „Apocalypse Now“ und „Rumble Fish“ von Francis Coppola) im Gespräch zu bleiben und vor allem seinen chaotischen Lebensstil weiter zu finanzieren. „Ich trank damals an die drei Liter Rum pro Tag und verbrauchte im Abstand von wenigen Tagen über 14 Gramm Kokain“, gestand er im Rückblick.

Einmal rannte er bei Dreharbeiten in Mexiko im Verfolgungswahn nackt durch die Stadt. Auf dem Rückϐlug nach Kalifornien wollte er aus dem Flugzeug springen. In Houston ging er mit einem Messer auf einen Gangsterboss los, weil er ihn verdächtigte, einen Killer auf ihn angesetzt zu haben. Glücklicherweise nahm der Bandenchef den paranoiden Hopper nicht ernst und ließ ihn unauffällig wegschaffen. Lange hätte der Schauspieler sein Leben aber wohl nicht mehr überlebt. Er stimmte einem Drogenentzug zu und verschwand bis 1986 in insgesamt drei Entziehungskliniken. Als er dann in David Lynchs „Blue Velvet“ einen psychopathischen Sadisten  spielte, war das für ihn selbst Vergangenheit. Der Filmkritiker Berndt Schulz beschreibt seine Filmfigur so: „Mit einem Mullverband über dem Kopf, unrasiert, deprimiert und orientierungslos, ein Wrack, das seit 20 Jahren an den Klippen der Gesellschaft dümpelt, bleibt in er Erinnerung mit hilflosen, fast autistisch wirkenden Gesten, einem Gesicht, in dem sich die Trauer über die Verhältnisse eingegraben hat – und hellwachen, jugendlichen Augen, die alles gesehen haben.“

Zwei Jahre später erlebte ihn der Journalist Willi Winkler bei einer Kunstausstellung in Düsseldorf: „Den Mörder, den Sadisten, den Frauenverbraucher und durch geknallten Junkie gab es noch, aber nur als Garnierung, gesprächsweise, eine Rolle, die er im Leben längst ausgespielt hatte. Wie alle radikal Ernüchterten sah er gesund aus, fast sportlich.“ Mit seiner Mischung aus Größenwahn und bedauernswertem Irrsinn erinnert Hopper ein wenig an den babylonischen König Nebukadnezar, der im sechsten vorchristlichen Jahrhundert lebte. Weil er sich für allmächtig hielt, ließ Gott ihn laut dem biblischen Buch Daniel verrückt werden. Nebukadnezar „wurde von den Menschen ausgestoßen, fraß Gras wie ein Ochse, und sein Leib wurde vom Tau des Himmels benetzt, bis sein Haar so lang war wie Adlerfedern und seine Fingernägel wie Vogelkrallen“, heißt es da. Allerdings übte Gott Nachsicht und gab dem König seinen Verstand zurück, sodass er in sein Amt zurückkehren konnte. Ob auch Dennis Hopper dieses Glück hatte, ist zu bezweifeln. Ende Mai 2010 starb er in seinem Haus in Venice, Los Angeles, mit 74 Jahren an Krebs.


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