Amokläufer – wie werden sie gemacht???

Sollte Euch interessieren wie Menschen zu Amokläufern werden können, möchte ich hiermit meine Geschichte erzählen. Vielleicht wirft diese ein etwas anderes Licht auf diese grausamen Taten, die immer wieder geschehen. Die Person, die es am meisten betrifft kann man leider nicht mehr fragen, da sich die Täter traditionell am Ende selbst richten.
Ich komme ursprünglich aus einem kleinen Dorf mit geschätzten 400 Einwohnern und besuchte natürlich auch die dortige Schule. Ich war, als ich eingeschult wurde, sehr lern- und wissbegierig, in den ersten Jahren mit der Klassenbeste und las bereits Bücher als die meisten anderen gerade erst mit dem ABC fertig waren. Ich war ein sehr ruhiges Kind – relativ unauffällig, friedlich und freundlich. Mit anderen Worten: Ich war anders als die meisten anderen. Zudem auch nicht besonders sportlich und körperlich schwächer als der Rest.  Ein gefundenes Fressen für Menschen mit schwachem Geist und eingeschränkter Persönlichkeit.
Im Laufe der Jahre wurde ich zum Prügelknaben und Sündenbock für alles mögliche abgestempelt.  Als ich in die fünfte Klasse kam, begann ein Leben, dass ich im Nachhinein nur als Horrorszenario beschreiben kann.  Ich interessierte mich eher für Naturwissenschaften, Bücher und seit meinem 12. Lebensjahr (als ich ein NES geschenkt bekam) auch mit absoluter Begeisterung für Videospiele. Gerüchte wurden laut, teilweise verbreitet durch Eltern, ich würde, wenn ich älter wäre, bestimmt mal ’anders’ werden. Schwul, für Dorfbewohner also die niederste Lebensform die für sie überhaupt existiert. Dies griffen einige Schüler auf und verbreiteten das Gerücht, welches wohlwollend von vielen aufgenommen wurde. Meine Situation verschlimmerte sich auch noch dadurch, dass ich mich nicht dem Gruppenzwang unterordnen wollte. Ich interessierte mich nicht für  Zigaretten oder Alkohol,  Discotheken waren nie mein Ding und das Thema Sex bzw. überhaupt erstmal eine Orientierung in dieser Richtung zu finden war mir erstmal auch egal. Jemanden wie mich würde man wohl als Spätzünder bezeichnen.
Dies führte natürlich dazu, dass ich nicht ’cool’ genug war und noch mehr ausgeschlossen wurde – was wiederum dazu führte, dass ich mich für die oben genannten Dinge noch weniger interessierte und deswegen wurde ich noch uncooler wurde usw. – ein Teufelskreis. Ich hatte nur zwei Freunde, die sich in einer ähnlichen Situation befanden und mir nicht wirklich helfen konnten, ich hatte manchmal den Eindruck dass jeder von uns froh war, wenn mal ein anderer gemobbt wurde.
Bereits auf dem Weg zur Schule wurde ich gehänselt, durch den Schuleingang an den dort herumstehenden Schülern zu gehen war jeden Tag ein Spießrutenlauf. Man warf mir Beleidigungen an den Kopf, teilweise bespuckte man mich, quälte mich, schubste mich herum und tat mir sowohl psychisch als auch physisch weh. Ich war verzweifelt.  Körperlich unterlegen sah ich irgendwann keinen anderen Ausweg als selbst Gewalt gegen einen dieser Sadisten anzuwenden. Dieser Versuch wurde jedoch im Keim erstickt – indem man mir sofort den Arm verdrehte und mich anderen vorführte. Wenn man allein ist und versucht sich zu wehren, wird alles nur noch schlimmer. Man hat als Einzelner keine Chance, wenn andere sich immer wieder gegen einen verbünden.
Ich versuchte etwas anderes. Mich anzupassen. Ich trank Bier, fing an zu rauchen und versuchte, Anschluss zu finden. Indem ich so tat, als ob mich die Themen der anderen interessierten. Partnersuche, Disco, Drogen. Im Grunde genommen versuchte ich, jemand zu sein der ich nie sein und werden wollte. Dies wurde erst skeptisch beäugt bis man dann kollektiv beschloss, es lächerlich zu finden. Meine Eltern wussten von diesen Dingen so gut wie nichts. Ihnen war klar dass ich nicht sonderlich beliebt war, was aber wirklich in der Schule und vor allem in mir vorging, wussten sie nicht.
Lehrer beobachteten diese Szenarien zwar, schauten aber wohlwollend weg. Sind ja nur Kinder. Die meinen das nicht ernst. Ist ja nur Spaß. Dass dabei aber jemand innerlich zugrunde geht, interessierte niemanden. Eine Lehrkraft meinte einmal zu einem der obersten Rädelsführer, er solle doch seine überschüssige Kraft an einem Baum abreagieren, andere zu ärgern wäre unfair. Und das war es dann auch schon.
Ein Highlight war, als ein hinter mir sitzender ‚Klassenkamerad’ versuchte, mich im Unterricht anzuzünden – indem er mir ein brennendes Feuerzeug in den Nacken hielt.  Den Lehrer interessierte dies herzlich wenig. Ich hatte danach eine offene, nässende Wunde im Nacken, die ich versuchte vor meinen Eltern zu verstecken. Sie fanden es trotzdem heraus und fragten geschockt was passiert wäre. Ich versuchte die Sache herunterzuspielen um das folgende Szenario zu vermeiden. Mir war klar, dass eine Einmischung meiner Eltern alles nur noch schlimmer machen würde. Am nächsten Tag fingen sie den Verursacher meiner Brandwunde ab (mein Elternhaus lag auf dem allgemeinen und einzigen Schulweg) und stellten ihn zur Rede. Sie ermahnten ihn, mich zukünftig in Ruhe zu lassen.
Das war der Beginn eines noch schlimmeren Alptraumes. Sowieso schon täglich gehänselt und ausgeschlossen, in der Schule ängstlich immer nur auf den nächsten Angriff wartend, war ich nun als Petze abgestempelt die sich nicht wehren kann und Mama und Papa vorschickt.
Ab da war mein Leben kein Leben mehr. Ich verkroch mich nur noch in meinem Zimmer,  die Schule war jeden Tag ein emotionaler Trip in die Hölle. In den Pausen war ich oft ’fällig’, im Sportunterricht sowieso.  Schwächlinge mit schlechten sportlichen Leistungen waren bei der damaligen Sportlehrerin sowieso nicht beliebt – dies war auch die ideale Gelegenheit dem Idioten, also mir, immer wieder richtig eins reinzuwürgen. Im wahrsten Sinne des Wortes, ich sage nur Völkerball….
Videospiele waren von da an mein täglicher Begleiter. Ich brauchte diese um mich abzureagieren. Ego-Shooter waren nie mein Ding, aber Prügelspiele, Horrorspiele, Rollenspiele. Ich flüchtete mich in Phantasiewelten, um nicht wahnsinnig zu werden.
Als wir eines Tages wieder Sportunterricht hatten, begab sich die Klasse in Richtung Sporthalle am anderen Ende des Dorfes, um dort auf den Unterrichtsbeginn zu warten. Keine Lehrkraft in der Nähe (da mal wieder zu spät) und aggressive Raufbolde die Langeweile hatten. Bis jemandem einfiel, die umherliegenden Steine und Schieferplatten als Wurfgeschosse gegen mich zu verwenden. Die Idee fand wachsenden Zuspruch und so fing man quasi an, mich zu steinigen.
Ich hatte keine Chance mich zu wehren. All die Jahre der Qualen und Erniedrigungen ohne Aussicht auf Besserung oder Akzeptanz meiner Person brachen in diesem Moment über mich herein. Ich wollte flüchten und schaffte es irgendwie mit meinem Fahrrad zu entkommen… natürlich nicht ohne den Versuch mich daran zu hindern  und mir weitere Steine hinterherzuwerfen. Man könnte ja noch den einen oder anderen Treffer landen. Ich fuhr zum Haus meiner Eltern, fing an zu weinen und wollte nur noch eines. Töten oder getötet werden. Mein Leben war sinnlos. Ich hatte an diesem Tag begriffen, dass es nicht besser werden würde, egal was ich auch versuchen sollte. Ich sah den Tod – in welcher Form auch immer – als den einzigen Ausweg. Ich traf unterwegs meine Sportlehrerin und rief Ihr zu, dass ich nicht mehr kann. Es schien sie kaum zu interessieren. Als ich an der Werkstatt meines Vaters war ließ ich mein Fahrrad fallen und begab mich tränenüberströmt zum Waffenschrank. Mein Vater hatte Waffen und ich wusste auch damit umzugehen, wir hatten immer wieder Zielübungen auf Bierdosen oder Ü-Ei Figuren unternommen. Mir war alles egal. Ich wollte diese Menschen töten, einen Befreiungsschlag ausüben, Rache nehmen für die Jahre der Hölle auf Erden, die man mir bereitet hatte. Ich wollte nur noch den Tod. Den der anderen und/oder meinen eigenen. Egal. Es sollte einfach nur enden. An diesem Tag. Mir war alles egal.
(Un)glücklicherweise war der Waffenschrank meines Vaters an diesem Tag verschlossen. Ich rüttelte daran, erreichte aber nicht das was ich wollte. Waffen um zu töten. Als ich begriff, dass nicht einmal dies funktionierte, war alles für mich vorbei. Ich lebte in der Hölle und es gab keinen Ausweg. Eine Weile später fanden mich meine Eltern heulend und zitternd in meinem Zimmer. Ich hatte einen totalen Nervenzusammenbruch. Natürlich waren diese sofort in Panik und fragten was passiert wäre, meine Antwort drauf war immer wieder, dass ich am Ende wäre und nur noch einen Wunsch habe: Meine Peiniger zu töten oder mich umzubringen. Es sollte einfach nur vorbei sein.
Ich ging von da an nicht mehr in die Schule.  Psychologische Hilfe lehnte ich ab. Was sollte dies bringen? Besser damit umzugehen, dass ich misshandelt werde? Verständnis für meine Peiniger aufbringen? Lächerlich….
Als in der Schule der Ernst der Lage erkannt wurde, wurden Diskussionen im Unterricht darüber geführt, wie ich später erfuhr. Nach einigen Tagen kam einer der schlimmsten Folterknechte zu mir nach Hause, um sich zu entschuldigen. Klar, dass er dies nur tat weil er dazu gezwungen wurde. Man sah ihm an, dass es nicht wirklich ernst gemeint war. Ich ging daraufhin wieder zur Schule – an meinem ersten Tag bekam ich von einer Mitschülerin eine Blume überreicht und eine Entschuldigung im Namen der ganzen Klasse. Lächerlich, dachte ich nur. Diese Schweine hätten von mir aus auch elendig verrecken können, aber ich nahm dankend an und machte gute Mine zum bösen Spiel, denn keine zwei Wochen später ging es – wenn auch in wesentlich abgeschwächter Form – weiter wie vorher. www.daddeldepot.com/news.php?id=3330

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