Der Mensch beurteilt Gott. wie lächerlich!
ali
Für alles Böse wurde im Abendland der Teufel zuständig, so wie in anderen Religionen Dämonen und unheilbringende Götter ihr Unwesen trieben. "Gott hat das Leben, der Teufel hat den Tod lieb", entschied Martin Luther (1483-1546).
Doch mit der Aufklärung und der Macht der Menschen wuchsen die Zweifel. Voltaire (1694-1778) höhnte: "Wenn die Kirchenväter behaupten, Gott sei ein liebevoller Vater und gerechter Herrscher, geraten sie bald in unentwirrbare Widersprüche." Nach einem Seebeben, das 1755 Lissabon (wie jetzt Phuket) in Trümmer legte, diagnostizierte Kant (1742-1804) kategorisch "das Mißlingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee" (griechisch: Die Rechtfertigung Gottes). "Gott ist tot", erklärte Nietzsche (1844-1900), bevor er in geistiger Umnachtung starb.
Je verheerender die Unglücke, je gebildeter und eingebildeter die Menschen wurden, um so mehr Zweibeiner trauten sich Urteile zu.
Nach dem Zweiten Weltkrieg fragte Wolfgang Borchert in seinem Stück "Draußen vor der Tür": "Wann warst du denn eigentlich lieb, Gott, wann? Warst du in Stalingrad lieb, lieber Gott, warst du da lieb …" Die fortschrittliche evangelische Theologin Dorothee Sölle meinte: "Wie man nach Auschwitz den Gott loben soll, der alles so herrlich regieret, das weiß ich auch nicht."
Dabei ist der Kern des Dilemmas nicht Gott, sondern die Anmaßung der Menschen, ihn mit ihren Maßstäben zu messen. Die Menschen haben Gott in ihre Vorstellungen getaucht und mit ihren Eigenschaftsworten bekleidet. Bei uns ist Gott "lieb" oder "herrlich", "gütig" oder "allmächtig", im Talmud der "Gnadenreiche", im Koran der "Mitleidsvolle" oder der "Erbarmer", im Buddhismus der "Erleuchtete".
Aber wenn es denn einen Schöpfer des Universums gibt, dann entziehen sich seine Dimensionen zwangsläufig den Kategorien des Denkens und der Sprache von winzigen Wesen, die auf einem von Milliarden Himmelskörpern hausen. Unsere Phantasie, unser Verstand und unsere Vokabeln vermögen Gott nicht einzufangen.
Gott bleibt immer Sache des Glaubens, nicht der Logik.
Wo war er, als die Flutwelle kam? Ein Mensch kann diese Frage nicht beantworten. "Gott wäre etwas gar Erbärmliches, wenn er sich in einem Menschenkopf begreifen ließe", tröstet der weise Christian Morgenstern.
C.jakobi