Britischer Extrem-Abenteurer “Bear” Grylls: „Ich beginn jeden Tag betend auf meinen Knien.“

Edward Michael „Bear“ Grylls ist ein britischer Abenteurer, Schriftsteller und Fernsehmoderator, der durch die Fernsehserie „Man vs. Wild“ weithin bekannt wurde.
Als ich 16 Jahre alt war, versuchte ich meine Identität zu finden. In der Schule tat ich mich schwer, vor allem weil ich weg von zu Hause war. Als ich 16 Jahre alt war, fing ich an mein eigenes Profil zu schärfen. Besonders viel Spaß bereiteten mir das Bergsteigen sowie die (fernöstliche) Kampfkunst. Ich konnte einige Freunde motivieren, sich mit mir zu einem Karate-Kurs anzumelden. Sie waren stärker und fitter als ich, gaben jedoch alle nach und nach auf. Ich aber blieb dran. Ich liebte das Trainieren und die Disziplin. Wir organisierten zudem Bergsteigtouren in Schottland. Ich liebte es bei „bei Wind und Wetter“ Berggipfel zu erklimmen.

Ich war ca. 16 Jahre alt, als ich Christ wurde. Ich wurde nicht christlich erzogen, aber schon als Kind hatte ich einen aufrichtigen Glauben, dass es Etwas geben muss. Als ich später in die Schule kam, dachte ich mir, dass, wenn es denn einen Gott geben sollte, Er ganz bestimmt nicht lateinisch spricht und auch nicht auf einer Kanzel steht. Aber als ich 16 war, starb mein Patenonkel, der wie eine Art zweiter Vater für mich gewesen war. Ich war ziemlich verärgert und sprach ein relativ einfaches Gebet: „wenn Du immer noch da bist, dann bleib bitte bei mir.“ Das war der Anfang einer Einsicht, die stätig an Bedeutung zunahm, bis dahin, dass sie das Rückgrat meines Lebens wurde. Ich bin mehr denn je davon überzeugt – ganz gleich wie verrückt das auch klingen mag – dass es einen Gott gibt und Er die Liebe ist. Es handelt sich um eine sehr persönliche Beziehung. Ich gehe nach wie vor eher selten zur Kirche, beginne aber jeden Tag betend auf den Knien neben meinem Bett; und das ist meine Grundlage für den Tag.

Der Glaube an Gott hilft mir weniger in Panik zu geraten. Manche behaupten, dass ich vor nichts Angst habe. Doch ich fürchte mich vor Vielem. Nachdem ich bei einem Fallschirmsprung verunglückte [gemäß Ärzten hätte er lebenslang gelähmt bleiben können], muss ich immer noch ziemlich oft mit dem Fallschirm springen; das fällt mir schwer. Aufgrund meines Glaubens reduziert sich meine Angst jedoch enorm, weil ich nicht allein bin. Ich trage diese Kämpfe zusammen mit dem Schöpfer aus – und eben das ist staunenswert! Sicherlich beeinflusst mein Glaube meine Liebe zur Natur: überall wo ich hinschaue – in den Bergen oder im Dschungel – vernehme ich Wunder! Und ich glaube, ich habe auch weniger Angst vor dem Tod, weil ich diesen als meinen Heimgang ansehe.

Ich wünschte, ich hätte als Teenager meinen Vater wirklich geschätzt. Er starb, als ich Anfang 20 war. Er war ein wunderbarer Vater, sehr angenehm und lässig. Er war derjenige, der mir als Kind das Klettern beibrachte und mich immer wieder ermutigte, große Dinge zu wagen. Er gab mir den Ratschlag mich wirklich um meine Freunde zu kümmern. Es sagte auch, dass es wichtiger sei meinem Herzen zu folgen, als z.B. gute Noten in der Schule zu haben. Hätte er nur länger gelebt, dann würde ich mich jetzt viel erkenntlicher zeigen, als ich das früher tat.

 Mein Vater brachte es mir bei, keine Angst vor Fehlschlägen oder Misserfolge zu haben. Ich besuchte das Eaton-Collage (eine Elite-Schule in UK), was ich wie eine Art „Überlebensübung“ empfand. Insbesondere wenn man nicht von Natur aus sportlich oder super-gescheit ist – und ich war keines davon. Es dauerte Zeit, bis ich selbstbewusster wurde. Es gab so viele Kinder um mich herum, wir hatten alle entsetzliche Angst davor aus der Reihe zu tanzen, sei es im Klassenzimmer oder auf dem Sportplatz. Wir wollten kein Risiko eingehen. Im Leben ist es aber genau umgekehrt: man muss sich einen Weg bahnen, hin und wieder Risiko eingehen und darauf gefasst sein, auch mal Fehler zu machen.

 Als ich zum Militär kam, war ich selbstbewusst genug, um Sachen auf meine Art zu machen. Nach der Schule trat ich der Armee als Soldat – nicht als Offizier – bei. Alle meine Schulkameraden, die ebenfalls zur Armee gingen, stiegen als Offiziere ein. Ich aber entschied mich für den anderen Einstieg; dieser versprach viel mehr Spaß bereit zu halten. Mit Saufereien oder ähnlichem konnte ich nie viel anfangen: ich zog es eher vor – absolut verdreckt – Berge zu besteigen.

In meinen Teenage-Jahren war ich ein eher schüchterner junger Mann, erst in Begriff sein Selbstimage aufzubauen. Ich trug schicke Kleidung und spikte meine Haare. Nun weiss ich, dass ich damals nur Schönfärberei betrieb und dabei auch nicht wirklich eine gute Figur machte. Dem jugendlichen „Bear“ Grylls würde ich heute den Ratschlag geben: „kümmere dich nicht um diese Dinge, geniesse aber das, was du tust. Kopf hoch! Kein Problem wenn du nicht studieren willst. Die Schule ist nur ein Bruchteil deines Lebens.“ Mein Vater pflegte zu sagen, dass man nicht in der Schule Höchstleistungen erbringen sollte, sonst würde man sich den Rest des Lebens vermurksen.

 In jüngeren Jahren hätte ich das Prominenten-Dasein nicht einordnen können. Das Fernsehen hatte ich nie auf meinem Radar gehabt. Es war nie mein Zeil berühmt zu werden. Ich schau nicht einmal fern. Wenn mir jemand früher gesagt hätte, dass ich das mal machen werde, dann hätte ich geantwortet: „Wirklich? Das hört sich nicht so an, als würde es mir Spass machen. Das passt auch nicht wirklich zu meinem Wertesystem.“ Dieser Bekanntheitsgrad ist in der Tat die Kehrseite der Medaille, aber andererseits geniessen wir es extrem die Wildnis zu erkunden. Hätte mir jemand – als ich in jungen Jahren bei den Pfadfindern war – gesagt, dass ich eines Tages der „Chef-Scout“ sein werde, dann hätte ich ganz bestimmt geantwortet: „Machen Sie keine Witze!“ Ich war ein furchtbar schlechter Pfadfinder, der kaum Abzeichen bekommen hat.

 Was mich als Teenager beeindruckt hätte, wären Erzählungen von dem Besteigen des Mount Everest. Das war wirklich mein Ziel als ich noch jung war, ich träumte davon. Ich wusste nicht auf welche Qualen ich mich hätte gefasst machen sollen, um die „SAS selection“ [= Auslese für eine britische Militär-Eliteeinheit] zu durchstehen. Das waren lange 2 Jahre! Bei der ersten Sichtung bin ich durchgefallen. Hätte ich im Vorfeld gewusst wie extrem anstrengend es werden sollte, dann hätte ich es mir vielleicht anders überlegt. Aber sobald du dabei bist, bleibst du auch am Ball.
Ich kenne Ran[ulph Fiennes = britischer Extrem-Abenteurer], er betont immer die Wichtigkeit einer Vorbereitung. Ich aber habe eine etwas andere Auffassung. Für mich beginnt das Abenteuer erst dann, wenn Manches schief läuft. Ich bin nicht jemand, der sich sorgfältig vorbereitet und akribisch plant, wie eigentlich viele großartige Abenteurer vorgehen. Ich ziehe es vor mich flexibel auf die jeweilige Situation einzustellen, improvisieren zu müssen, wenn ich mit irgendetwas nicht gerechnet habe.

 Wenn ich die Zeit zurückdrehen und etwas wieder erleben könnte… dann wäre ich versucht wieder auf dem Gipfel des Mount Everest stehen zu wollen; oder ich denke an jenem Tag, an dem mein Spezl und ich die SAS-Prüfungen bestanden haben. Aber im Endeffekt würde ich vermutlich doch zum Ferienort unserer Familie auf einer kleinen Insel in Nordwales gehen wollen. Er ist nur 20 Morgen groß, ohne Strom- oder Telefonanschluss. Ich würde nur meine Frau und unsere drei Söhne: Huckleberry, Jesse (nach dem Vater von König David benannt) und Marmaduke (nach dem Jagdflieger-Piloten benannt) mitnehmen. Das waren sehr wertvolle, kostbare Augenblicke. Wir haben oft gepicknickt, viel und herzhaft gelacht, auf den Felsen herum geklettert, im Meer geschwommen. Dort gab es keine Krokodile oder Schlangen.

 https://www.bigissue.com/features/letter-to-my-younger-self/5414/bear-grylls-interview-i-start-every-day-on-my-knees-praying

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