Das Christentum wird derzeit nicht mehr von einem aufgeklärten Rationalismus verdrängt, sondern von einem irrationalen Satanismus.

Die gegenwärtige Dechristianisierung des Westens geht nunmehr aber noch einen entscheidenden Schritt weiter, da in allen Bereichen von Kunst, Medien und Politik immer deutlicher wird, daß es nicht mehr bloß um eine weitere »Neutralisierung« des Christentums geht – und vielleicht sogar nie ging -, sondern um seine inhaltliche Umkehrung. Will sagen: Der leergeräumte Altar Christi wird nicht etwa völlig abgebaut, wie viele Libertäre gehofft haben mögen, sondern zur Opferstätte seines Widersachers gemacht, das Christentum also nicht durch einen (vermeintlich) aufgeklärten Atheismus ersetzt, sondern, Schritt für Schritt, durch eine neue Variante des Satanismus.
Das mag auf den ersten Blick paranoid und überspannt klingen und entspricht zumindest in Deutschland kaum der Lebens-realität der meisten Opponenten des christlichen Glaubens.
Blicken wir allerdings in die Geschichte zurück und schauen wir vor allem in das französische (und amerikanische) Heimatland der »Lumières«, bietet sich eine etwas andere, erheblich düsterere Perspektive. Denn schon immer haben dort die »aufgeklärten« Kreise mit Bildern und Gedanken gespielt, die heute gern vergessen werden: Der »Lichtbringer« Lucifer und seine griechische Entsprechung Prometheus erscheinen hier in Dichtung, Philosophie, Musik und politischer Literatur pausenlos als Chiffren für den Kampf des Menschen gegen seine angeblich selbstverschuldete Unmündigkeit, die verbotene Frucht des Paradieses als Beihilfe Satans zur humanistischen Emanzipation, der Turmbau zu Babel als mutiger Aufstand gegen einen rachsüchtigen Gott, die drei Versuchungen in der Wüste als positives Programm der politischen Selbstverwirklichung und Judas als heroischer Sozialaktivist gegen einen letztlich menschenfeindlichen Erlöser.
Die Manichäer deuteten den biblischen Schöpfergott zum bösen Prinzip um und spielten ihn gegen den immateriellen „Vater des Lichts“ aus. Die modernen Eliten gehen ähnlich, wenn auch umgekehrt, vor: Materie, Macht und Genuß werden zum höchsten, ja einzigen Prinzip verklärt, die Transzendenz aber zum Feindbild deklariert – kein Wunder, daß ihnen Lucifer als »Herr der Welt« gelten muß, dem gegenüber sich das Prinzip von Liebe und Jenseitigkeit nur als Atavismus und gar als Hindernis ausnehmen kann. Gott wird abgeschafft, während durch die Hintertür das diabolische »non serviam« der schranken- und grenzenlosen Selbstentfaltung zum menschlichen Alleinstellungsmerkmal und neuen positiven Idol umgedeutet wird. Die Konsequenzen sind im modernen Wokismus allgegenwärtig und haben kaum noch etwas mit dem Geist jenes Liberalismus zu tun, der ihm (un?)freiwillig den Weg bereitete.
Während sich die juristischen Forderungen des Wokismus somit wie eine bewußte Umkehr sämtlicher Zehn Gebote lesen, stellt der in Davos gepredigte moderne Milliardärssozialismus die ultimative antichristliche Sozialutopie dar – und der Transhumanismus liefert dazu das erschreckende Zukunftsprogramm einer Selbstvergöttlichung des Menschen, die wohl nur durch die Katastrophe einer neuen, metaphorischen oder realen Sintflut reingewaschen werden kann. Die Transzendenz wird durch die reine Materie ersetzt, die menschliche Seele durch Vulgärdarwinismus »widerlegt«, Liebe durch Hedonismus und Perversion verdrängt, Besitz nicht mehr als Mittel zum Zweck begriffen, sondern als soziales Endziel, Kontingenzerfahrungen werden wegmedikalisiert, die moralische Verantwortung wird durch neurowissenschaftliche Taschenspielertricks demontiert, Wahrheit zur Ansichtssache degradiert, Familienleben unter den Generalverdacht des Protofaschismus gestellt, Schönheit in den Dreck gezogen, und das solchermaßen zunehmend aufs Animalische reduzierte menschliche Dasein wird in seiner nackten Materialität angstvoll zum höchsten Gut erhoben, das es durch Kybernetik, Genmanipulation, hygienische Apartheid und letzten Endes das »Uploaden« des Bewußtseins in die Maschine unsterblich und virtuell allmächtig zu machen gilt – eine grauenhafte Vorstellung, die letzten Endes nichts anderes bedeutet, als das eigene Leben selbstgewählt zur Hölle zu machen.
Es ist also kein Wunder, wenn die nur hier und da phasenweise verdeckte satanistische Natur der modernen Gesellschaft gegenwärtig voll durchbricht und sich eben auch in Bildsprache und Vokabular eindeutig manifestiert, allen voran in den »alten«, von Anfang an in der »Aufklärung« fußenden Republiken Frankreich und USA – und man wird mit Schaudern, aber vielleicht auch einer gewissen Hoffnung vermuten dürfen, daß jene triumphalistische Selbstdecouvrierung in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird und somit – vielleicht – dem einen oder anderen die Augen öffnen könnte, bevor es zu spät ist.
David Engels (*1979), Professor in der Vendée, Historiker und Publizist.

Kommentar

  1. martin koch

    Sehr fundierter und gut gemachter Artikel. Wenn ich zurückdenke, vor 30 Jahren, nach der Discozeit, wie sich die Musik „verschlechterte“. Und der Brachialhedonismus unter uns „Jungen“ Er wurde nicht nur proklamiert, sondern regelrecht ausgelebt. Was das für eine schlimme und furchtbare Zeit für einen war, der nach Sinn, Inhalt und Tiefe des Lebens suchte. Auch literarisch war diese Zeit sogut wie tot. Damals gab es einige, die sagten, diesen „Wahnsinn“ kann man nicht mehr toppen. Doch man kann. Im Vergleich hatte man noch eine gewisse „Ehrfurcht“ vor dem Christlichen, das scheint jetzt weggefallen zu sein. Gerade meine Generation (*1966-1975), die jetzt nach und nach ins Alter hineinzuleben anfängt, scheint nichts dazugelernt zu haben, sondern schwimmt auf dieser modernen Trendwelle willig mit. Hineingeboren in den Wohlstand, geld- und sogar vermögensträchtig, tüchtig noch, aber ohne richtigen und eigentlichen Begriff ihrer eigentlichen Menschlichkeit und Würde. Im Egoismus gefangen und verblendet, erkennt sie ihre eigene Tragik nicht mehr.

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