Der Münchner S-Bahnmord und die Gaffer.

"Die Diskussion um mangelnde Zivilcourage wird durch neu bekannt gewordene Details des Angriffs auf einem Münchner S-Bahnhof angeheizt. Etwa 15 Menschen sollen Zeugen des tödlichen Überfalls geworden sein – griffen aber nicht ein. "Als ich auf den Bahnsteig gekommen bin, haben die zwei schon auf den Mann eingeprügelt, ihn mit Füßen getreten", hatte ein 16-jähriger französischer Austauschschüler laut "Bild.de" berichtet. "Etwa 15 Leute standen rum, griffen nicht ein", so der Schüler. Die Münchner Polizei bestätigte diese Angaben jetzt.
Während der tödlichen Attacke sollen mehrere Zeugen vergeblich zum Eingreifen aufgefordert worden sein." berichtet der Spiegel.
Bibeltext: „Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selbst, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes.“ Lukas 23,35:
Der Autor Marcus Jauer schreibt: „Auch das ist eben das Land in der Krise. Die Leute erinnern sich an Texte, von denen sie sich Orientierung erhoffen, aber dann wollen sie keine Verantwortung übernehmen für das, was aus ihnen folgt.“
Alles Unterhaltung. Stumpft der Mensch vom Gaffen ab?
In diesem Jahr 2009 erinnern wir uns dankbar an die friedliche Revolution vor 20 Jahren. Wenn man die Ereignisse damals in einem Satz zusammenfassen will, dann in dem Ruf „Wir sind das Volk!“ Ich habe mir Filmberichte aus den Nachrichtensendungen von damals im Internet nochmal angeschaut. In Leipzig diskutierten Demonstranten mit der Polizei. Die schaute zu. Aber das Volk wollte nicht mehr zuschauen, sondern die Verhältnisse verändern.
Das sind große Momente in der Geschichte. Sie sind selten. Meist ist es so, wie wir es in dem Bericht über die Hinrichtung von Jesus lesen: „Und das Volk stand da und sah zu.“
1. Wir sind das Volk! Sind wir das Volk?
Stumpft der Mensch vom Gaffen ab? Jedenfalls wird er das Gaffen nicht Leid, solange es was zu gaffen gibt. Die Gaffer-Staus sind inzwischen zum Verkehrsproblem auf deutschen Autobahnen geworden. In den Niederlanden haben Experten errechnet, dass Staus auf Gegenfahrbahnen nach schweren Autobahn-Unfällen einen volkswirtschaftlichen Schaden von rund 600 Millionen Euro verursachen. „Das ist eine Mischrechnung, in die Faktoren wie Standzeiten der PKW und LKW, verspätete Warenanlieferung, verpasste Arbeitszeit und vieles mehr einfließt“, sagte ein Experte. Also traf man in Nordrhein-Westfalen Maßnahmen dagegen. Ein mobiler Sichtschutz wird eingesetzt. Das System besteht aus 40 Blenden, die aufgestellt über eine Strecke von 100 Metern reichen. Sie ist zwei Meter hoch, grün, kostet 40 000 Euro und hält auch Windstärke 5 stand. (Oktober 2008)
Ich wurde in diesen Tage von einem Radioreporter gefragt, wo und wann ich zuerst von dem Amoklauf in Winnenden gehört hätte. Mittags im Autoradio, sagte ich. „Und was haben Sie getan?“ fragte er. „Ich bin weitergefahren,“ musste ich ihm antworten. Natürlich bin ich erschrocken. Aber gleich kam der Gedanke: Wie in Erfurt. Man entwickelt zu schnell die Hornhaut der Gewöhnung auf der Seele. Wir haben den Fernsehnachrichten eingeschaltet und auch die Spezial-Sendungen gesehen. Zuschauer eben!
Man gewöhnt sich an alles. Die Reizschwelle sinkt. Das gilt beim Sex wie bei der Gewalt. Also brauchen wir es brutaler, schlimmer, härter, blutiger. Sonst wird es langweilig. Am Zuschauerverhalten hat sich seit der Hinrichtung von Jesus nichts geändert.
a. Eine entlarvende Kritik
Dieser nüchterne Satz ist ein entlarvende Kritik: „Und das Volk stand da und sah zu.“
Als Jesus Kranke heilte, strömten sie in Massen zu ihm. Das traf ihren Geschmack und ihre Bedürfnisse – wie heute auch. Die einen gieren nach religiösen Sensationen. Die anderen wollen nicht nur zuschauen, sondern auch beteiligt sein: Gott soll Heilung und Reichtum bescheren. Die Zuschauer wollen was erleben. Mit dieser Erwartung steht das Volk auch am Hinrichtiungsplatz auf Golgatha.
Dabei begreifen die Zuschauer gar nicht, dass Gott ein viel größeres Wunder tut als ein paar Heilungen: Was tut Gott? Er wurde Mensch. Er zog sich unser Leben an. Er scheute unser Leiden nicht. Er steckte sich an unserem Elend an. Er ging so tief in den Dreck, dass niemand mehr sagen kann, er wäre tiefer. So hängt er verblutend und erstickend am Kreuz. So lässt er sich anschauen. Nur Anlass für einen Gafferstau?
b. Eine hoffnungsvolle Position
Aber am Ende des Berichtes lesen wir: „Und als das Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um.“ (Lukas 23,48)
Noch haben sie nicht wirklich begriffen, was da geschah. Aber sie erkennen, dass dieses Sterben mit ihnen zu tun hat. Sie begriffen, dass es nicht recht war, was sie getan hatten. Sie hatten geschrieen „Kreuzige ihn!“ Sie waren ja nur Mitläufer. Sie hatten nur getan, was die Oberen angeordnet hatten. Sie hatten nur getan, was alle getan hatten.
Sie schlagen sich an die Brust. Das ist eine Geste, die sagt: Ich habe falsch gelebt. Sie wissen nichts anderes, als sich zu Hause zu verkriechen.
Einige Wochen später werden Dreitausend von ihnen an einem Tag begreifen, dass Jesus am Kreuz für sie gestorben ist. 52 Tage nach der Kreuzigung. 50 Tage nach der Auferweckung von Jesus verkünden die Zeugen des Auferstandenen die großen Taten Gottes. Sie tun es mit großer Überzeugungskraft, die Gottes Geist selbst bewirkt.
„Kehrt um und jeder lasse sich auf den Namen des Jesus Christus taufen zur Vergebung eurer Sünden, dann werdet ihr die Gabe des heiligen Geistes empfangen“, wird Petrus ihnen sagen. Da sehen sie den Gekreuzigten in einem ganz anderen Licht. Sie bleiben nicht mehr unbeteiligte Zuschauer. Sie werden Empfänger der Vergebung und des Geistes Gottes. Sie werden Volk Gottes. Sie werden fröhlich bekennen: Wir sind das Volk.
Wenn man das berücksichtigt, dann erscheint auch die Positon des Volkes bei der Kreuzigung in einem neuen Licht. Es ist eine hoffnungsvolle Position. Nein, sie können jetzt nichts tun. Jetzt handelt Gott. Er trägt unsere Schuld. Gott selbst in Jesus. Er tut, was kein Mensch tun kann: Er schafft Vergebung und Versöhnung. Er gibt sich selbst, um das Volk zu retten.
Sie erleben später, was der Psalm 34,6 sagt: „Welche auf ihn sehen, die werden strahlen vor Freude und ihr Angesicht wird nicht schamrot werden.“ Und was die Schüler von Jesus schon am Abend des Auferstehungstages erlebt haben: „Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen.“
Aber da standen auch die Führungskräfte. Die sind richtig abgestumpft. Sie sind eben professionell. Wieweit muss die Abstumpfung schon fortgeschritten sein, wenn man angesichts eines qualvoll Leidenden spottet. Wie kann das sein? Das waren doch vornehme und gebildete Leute. Wir werden sehen, es ist nichts Außergewöhnliches. Es ist nur die ganz gewöhnliche Besserwisserei.
2. Die ganz gewöhnliche Besserwisserei
„Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selbst, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes.“ Wörtlich heißt es sogar: Er hat andere gerettet, er soll sich selber retten.
Ein Messias, ein Retter, der sich selbst nicht retten kann, kann niemanden retten. Das ist doch logisch. Die Besserwisser wissen, dass Gott stark sein muss, wenn er Gott sein will.
Das können Sie im Koran, Sure 4, 156f lesen: „Und weil sie sprachen: „Siehe, wir haben den Messias Jesus, den Sohn der Maria, den Gesandten Gottes, ermordet“ – doch ermordeten sie ihn nicht und kreuzigten ihn nicht, sondern einen ihm ähnlichen… Sie wissen nichts von ihm, sondern folgen nur Meinungen; und nicht töteten sie ihn in Wirklichkeit, sondern es erhöhte ihn Allah zu sich; und Gott ist mächtig und weise.“
Das hatten schon frühe christliche Sekten behauptet, bevor Mohammed das als angebliches Wort Gottes in den Koran aufnahm.  Gott muss stark sein. Er kann nicht sterben und kann seinen Repräsentanten nicht sterben lassen. Und manche verwechseln auch heute noch Gott mit Arnold Schwarzenegger als Terminator.
In Europa aber erleben wir aktuell wieder eine andere Art von Besserwisserei. Die feinen Leute finden einen Gott der seine Liebe und Vergebung dadurch beweist, dass sein Sohn als Sühneopfer sterben muss nur einfach fies und mies. Das können Sie auch innerhalb der Kirche hören.
Der Theologieprofessor Klaus-Peter Jörns schrieb im April 2007 in dem Kirchen-Magazin Chrismon: „Jesus hat für uns gelebt. Er ist nicht für uns gestorben.“  In einer Radio-Sendung erklärte seine Meinung: Dass Gott diesen Tod selbst inszeniert habe, dass sein Sohn quasi als ein Menschenopfer dargebracht wurde, aus dem nun das Heil für die Menschen kommen solle – das glaubten auch die meisten Christen und auch etwa die Hälfte der Pfarrer nicht mehr. Jesus sei hingerichtet worden, weil er sich nicht konform verhalten habe, weil er von einem Gott gesprochen hat, der eben den Menschen gegenüber tatsächlich eine freie und unbedingte Liebe besitze und nicht auf Leistungen poche. Seine Anhänger hätten seinen Tod natürlich als etwas völlig Sinnloses empfunden: Um diesem sinnlosen Tod einen Sinn zu geben, hab man Deutungsmodelle aus der damaligen religiösen Welt, aus dem Alten Testament und aus der hellenistischen Welt genommen, in der eben Opferhandlungen gang und gäbe waren. Dieses Denkmuster, dass Blut vergossen werden müsse, um Schuld zu sühnen, das habe man dann letztlich als Interpretationsschlüssel genommen, um dem Sinnlosen einen Sinn zu geben. Er könne das für sich nicht mehr akzeptieren. Das sei zwar ein aus der damaligen Zeit heraus verständliches Interpretationsmodell, aber das habe doch auch ganz starke Konsequenzen für die Gottesvorstellungen. Solle er denn wirklich glauben, dass Gott einerseits seine Liebe verkünden lasse und er es auf der anderen Seite wollen könne, dass ein unschuldiger Mensch hingerichtet werde, um dann sagen zu können, "Aus diesem Blut, das da vergossen worden ist,
erwächst euch Gnade"? Das glaube er nicht. Entweder liebe Gott uns, dann
sei er auf das nicht angewiesen. Oder er liebe uns nicht, dann müssten wir
verfahren wie in der Antike. (BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks https://www.br-online.de/alpha/forum/vor0510/20051024.shtml)
„Dieser Gott ist ein armer Gott, ein Gefangener seiner eigenen Gehorsamsforderungen.“ „Dieser Gott ist ein durch Gewalt korrumpierter Gott.“ Die Kirchen hätten ihn in ihrer Drohbotschaft benutzt, je mehr Macht sie bekamen. (in: Chrismon 04-2007, S.64f)
Ergebnis: Ein mieser, fieser Gott, der Blut braucht, um uns vergeben zu können. So stellen die Besserwisser von heute fest.
Allerdings hat Jesus selber klipp und klar gesagt – und zwar vor seinem Tod: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für die Vielen.“ (Markus 10,45)
Der springende Punkt bei diesem unerhörten Geschehen liegt darin, dass in Jesus Gott selbst zu uns kommt und das tut. Das ist kein finsterer Deal zwischen einem Mafia-Gott und seinem Sohn. Gott selbst trägt unsere Schuld und das Gericht. Es ist das Opfer seiner Liebe, die uns rettet.
Und die ganze Bibel macht uns klar, dass Sünde nicht ein moralischer Schmutzflecken ist, den man leicht beseitigen kann. Sünde ist Rebellion gegen Gott und bedeutet, dass wir unser Leben verwirkt haben. Jesus rettet uns, indem er das verwirkte Leben zu Ende lebt und in seinem Grab begräbt. Wir dürfen mit ihm leben, weil er uns in seinen Tod mithineinzieht.
Und das schafft er nicht nur durch sein stellvertretendes Sterben am Kreuz. Sein ganze Leben von Geburt an ist Stellvertrtetung. Er übernimmt unser Leben. Er lässt sich von Johannes taufen, als wäre er ein Sünder, der das nötig hat. Er steckt sich an unserem gottvergessenen Leben an und stirbt in der Gottverlassenheit. Gott bestätigt Jesus in der Auferweckung. Jesus lebt für uns, stirbt für uns, wurde für uns auferweckt und ist jetzt für uns zur Rechten des Vaters. Und tritt für uns ein. Das ist unsere Rettung.
Neun Monate sind die Containern der Hoffnung durch Deutschland gezogen. In ihnen werden auf kurzen Filmen Lebensberichte von Menschen gezeigt, über die man staunen kann. Ein Mädchen berichtet von ihrer Verzweiflung am Leben. Schreckliche Erfahrung haben sie von Kindheit an fast zerstört. Sie will mit 16 Jahren Selbstmord machen und aus dem obersten Stockwerk ihrer Schule springen.
Sie hört eine Stimme in sich: „Spring nicht!“ Aber sie kann nicht leben und nicht sterben. In einer Kirche schaut sie das Kreuz an. Da begreift sie: Gott kann mitleiden. Der kennt meine Schmerzen. Der hat geschrieen: „Mein Gott,mein Gott, warum hast Du mich verlassen!“ Ich bin nicht allein. Er zieht mich aus der Verzweiflung in die Auferstehung. [ DVD der Container-Präsentationen „Wenn Licht am Ende des Tunnels fehlt“ über Susan Chan]
Übrigens lesen wir in der Bibel, dass auch von den Führungskräften später: „Das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem. Es wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam.“ (Apostelgeschichte 6,7)
Es besteht also Hoffnung. Wir alle dürfen von Zuschauern zu Beteiligten werden. Ich lade Sie ein mitzubeten:
Jesus, ich danke dir, dass du mich so sehr liebst.
Ich habe Deine Einladung gehört, und ich öffne dir mein Leben.
Ich bekenne dir meine Sünden und bitte dich um Vergebung.
Ich danke dir, dass du am Kreuz für mich gestorben bist und dass du mir alle meine Sünden vergeben hast.
Mein ganzes Leben soll dir gehören.
Dir will ich vertrauen. Dir will ich folgen. Du bist der Herr.
Zeige mir Deinen Weg.
Ich danke dir, dass du mich angenommen hast. Amen.
U. Parzany

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