In den Evangelien ruft Jesus zur Gewaltlosigkeit auf. Mehr noch! Er fordert zur Feindesliebe auf. Doch was, wenn eine Macht Unschuldige bedroht und tötet – wie wir es gerade mit der Terrorbewegung „Islamischer Staat“ erleben? Kann es dann einen gerechten Krieg geben? Ja, meint der evangelische Theologieprofessor Horst Pöhlmann.
Gewiss, Gott verbietet uns im 5. Gebot jedes Töten (2. Mose 20,13), ebenso Jesus, der jede Gewalt ächtet (Matthäus 5,38–41) und „die Friedensmacher“ seligspricht, nicht die Kriegsmacher (Matthäus 5,9). Er verwehrte Petrus den Waffengebrauch sogar in einer Notwehrsituation (Matthäus 26,52).
Im Normalfall darf nicht getötet und keine Gewalt ausgeübt werden. Aber es gibt neben dem Normalfall eben auch den Grenzfall, bei dem ich in einer Pflichtenkollision töten muss, um Töten zu verhindern, etwa wenn ich wehrlose Frauen und Kinder vor Mördern schützen will. Andernfalls wäre ich ein Feigling. Zuschauen, Wegschauen und Weglaufen wäre hier die größere Sünde. Das 5. Gebot verbietet uns Kriege. Aber in gewissen Grenzfällen ist Krieg unvermeidlich, um einen schlimmeren Krieg zu verhindern. Dann ist Töten erlaubt, um schlimmeres Töten zu verhindern. Man muss ein Gebot brechen, um es einzuhalten. Es gibt einen gerechten Krieg! So furchtbar das klingen mag. Es gibt notwendige Gewalt, um Gewalt zu verhindern. Ein Staat ist geradezu verpflichtet, sich zu wehren, wenn er von einem anderen Staat überfallen wird, um seine Menschen zu schützen, wie etwa Finnland sich im Winterkrieg 1940/41 gegen den Überfall der Sowjetunion zur Wehr setzte, und das sogar mit Erfolg. Es ist nach Jesaja 2,4 geboten, „Schwerter zu Pflugscharen zu machen …“, so sehr es mitunter nötig ist, um dieses Zieles des Friedens willen mit Joel 4,10 „aus Pflugscharen“ wieder „Schwerter“ zu machen. Es geht im Grenzfall nicht ohne Gewalt.
Dietrich Bonhoeffer (1906–1945) hat mir da sehr weitergeholfen. Obwohl er die Bergpredigt wörtlich befolgen und gewaltlos leben wollte, beteiligte er sich später am gewaltsamen Widerstand gegen Hitler um Goerdeler, Canaris, Beck und Stauffenberg, weswegen er 1945 von den Nationalsozialisten gehenkt wurde. Er meinte, wenn ein Verrückter mit seinem Auto den Kurfürstendamm entlangrast und Menschen überfährt, genügt es nicht, sich um die Verletzten zu kümmern, man muss ihm das Steuer entreißen.
Es könnte auch hilfreich sein, dazu den Kirchenvater Augustinus zu lesen. In seinem „Gottesstaat“ (De civitate Dei) schreibt er, dass Krieg nicht per se schlecht sei, man darf auch aktiv gegen ungerechte Herrscher kämpfen. Kriterien sind für ihn:
Der Krieg muss dem Frieden dienen und diesen wiederherstellen (iustus finis).
Der Krieg darf sich nur gegen begangenes, dem Feind vorwerfbares Unrecht – eine gravierende Verletzung oder Bedrohung der Rechtsordnung – richten, das wegen des feindlichen Verhaltens fortbesteht (causa iusta).
Eine legitime Autorität – Gott oder ein Fürst (princeps) – muss den Krieg anordnen (legitima auctoritas). Dabei muss der Fürst die innerstaatliche Ordnung wahren, d. h. die gegebenen Strukturen des Befehlens und Gehorchens.
Sein Kriegsbefehl darf nicht gegen Gottes Gebot verstoßen: Der Soldat muss ihn als Dienst am Frieden einsehen und ausführen können.
Allein diese Lektüre könnte schon ein erleuchtendes Moment für Politiker und sonstige Schwafler sein. (nach idea.de und Comment)