Henryk M. Broder: „Drei Viertel dessen, was Tagesschau und Heute senden, ist Regierungspropaganda, der Rest Schrott“

Könnte das für den Zustand unseres Landes zutreffen?

Friedrich Dürrenmatt schrieb in seiner Erzählung „Der Tunnel“ folgende Situation:

„Ein Zug fährt in einen Tunnel. Die Reisenden merken das kaum, es scheint ja ein Tunnel zu sein wie so viele zuvor, ein Tunnel, der einen Anfang und ein Ende hat, wie es sich gehört. Doch die Fahrt durch den Tunnel dauert und dauert, die Geschwindigkeit nimmt zu. Man beginnt, sich zu beunruhigen. Schließlich fasst sich ein Reisender ein Herz und geht nach vorne in die Kanzel des Lokführers. Sie ist leer. Und er sieht, wie der Zug immer tiefer in den Abgrund stürzt…“

In sein Buch „Das ist ja irre“ analysiert der Journalist Henryk M. Broder einmal mehr die passenden alltäglichen Absurditäten deutscher Politik. „Es geht um eine Gesellschaft, die sich so radikal selbst kastriert hat, dass ihr jeder Narr und jede Närrin einreden kann, zwei mal zwei müsse nicht unbedingt vier, es könne auch mal fünf oder dreieinhalb sein – je nach den Umständen. ‚Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg‘, sagt die alternativlose Kanzlerin gern und oft und leistet so der Fiktionalisierung von Realität Vorschub nach dem Motto: die Welt als Wille und Vorstellung. (…) Wenn wir nur richtig wollten, könnten wir sogar den Rhein nach Süden fließen lassen.“

Broders Buch ist in Tagebuchform geschrieben, vom 1. Januar bis zum 30. Juni notiert der Autor Tag für Tag seine Beobachtungen im deutschen Politik- und Medienbetrieb. Dabei kommt keiner gut weg, weder die Kanzlerin, noch Frank-Walter Steinmeier, weder Gregor Gysi noch Claudia Roth, weder die Journalistin Marietta Slomka noch ihr Kollege Claus Kleber. Parteipolitisch und religiös unabhängig steht Broder als Beobachter einem Land gegenüber, das Israel für gefährlicher hält als den Iran, noch immer an die Rettung Griechenlands glaubt und über Maßnahmen zur Gender-Gerechtigkeit diskutiert. Weitere Themen sind die Flüchtlings- und die Ukrainepolitik der Bundesrepublik und die Unfähigkeit vor allem der öffentlich-rechtlichen Medien, angemessen darüber zu berichten.

Wenn aus muslimischen Tätern Opfer werden
 
Die rethorischen Fertigkeiten, mit denen Broder aufwartet, sind ein Genuss – mal ungeduldig und voller Abscheu („Drei Viertel dessen, was Tagesschau und Heute senden, ist Regierungspropaganda, der Rest Schrott“), mal heiter-sarkastisch („Ein Kind, das im Tschad hungert, hat nichts davon, dass ein Gast bei ,Käfer’ nur die halbe Portion aufisst und die andere Hälfte einpacken lässt.“). Klar, dass Broder dabei im Eifer des Gefechts hier und da für manche Leser über das Ziel hinausschießt, etwa auch dann, wenn er den Koran mit Hitlers „Mein Kampf“ vergleicht. US-Präsident Barack Obama ist für Broder „der größte Versager der jüngsten amerikanischen Geschichte“. Zu den immer neuen Rettungsmilliarden für Griechenland erklärte er: „Es ist, als würde man einem Menschen, der sich vom zehnten Stock eines Hauses in die Tiefe stürzen will, raten, er solle aus dem 20. Stock springen, damit er den Sturz etwas länger genießen kann.“
 
Die Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus ergibt für Broder ebensowenig Sinn wie die zwischen Sozialismus und real existierendem Sozialismus. Nach den Anschlägen auf das Magazin Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt hätten sich Politker geradezu überschlagen, davor zu warnen, Muslime nun unter Generalverdacht zu stellen. Gemessen am öffentlichen Tonfall habe man glatt auf die Idee kommen können, Muslime seien die Opfer der Anschläge gewesen.“ (pro-Medienmagazin)
„In Frank­reich gab es im vori­gen Jahr­hun­dert einen Minis­ter­prä­si­den­ten, der unter dem Namen „der Tiger“ in die Geschichte ein­ge­gan­gen ist. Es war Cle­men­ceau. Cle­men­ceau war ein radi­ka­ler Athe­ist. In sei­nem gan­zen Leben hat er die Reli­gion bekämpft, die Kir­che unter­drückt und die Gläu­bi­gen ver­spot­tet. Aber als er ans Ster­ben kam, da hat Cle­men­ceau ein Schrei­ben an sei­nen Freund Hervé gerich­tet, und in die­sem Schrei­ben heißt es: „Ich ver­lasse die Welt. Sie wis­sen, daß ich mein Leben lang über die Reli­gion gespot­tet habe, und das glei­che tut meine ganze repu­bli­ka­ni­sche Zeit­ge­nos­sen­schaft. Ich bin jetzt sicher, daß es unmög­lich ist, eine Gesell­schafts­ord­nung auf dem Unglau­ben auf­zu­bauen. Wäre ich frü­her zu die­ser Ein­sicht gekom­men, würde ich sie ohne Furcht vor Spott ver­tre­ten haben. Ich ermäch­tige Sie, mein Ver­mächt­nis öffent­lich bekannt zu machen zur Lehre der jun­gen Gene­ra­tion.“ Der Unglaube zer­stört die Gesell­schaft.“ G.May

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