Johnny Ramones Message des Punk an die Menschheit: “Piss off”!

„Punk’s not dead“, lautet ein beliebter Slogan seiner heutigen Epigonen. Welch ein Irrtum! Punk im eigentlichen Sinne seiner Erfinder gibt es längst nicht mehr. Gestorben ist er spätestens 2004 – mit Johnny Ramone.

Acht Jahre nach dem frühen Krebstod des Gitarristen der Punkgruppe der ersten Stunde, The Ramones, kann man in dessen posthum erschienener Autobiografie jetzt noch einmal nachvollziehen, was diese mittlerweile ins Mythische verklärte, widerborstige Stilrichtung des Pop tatsächlich ausmachte – dass sie ihre Zeit, genauer: ihren kurzen Moment in der Geschichte gehabt hat, der nicht wiederkehrt.

Wer etwa heute den Punk für den „emanzipatorischen“ Diskurs der Linken reklamieren will, indem er ihn zu einer „Jugendrebellion“ gegen autoritäre Strukturen und kapitalistische Ausbeutung stilisiert, den muss die Lektüre der Aufzeichnungen Johnny Ramones bestürzen. Denn Johnny Ramone, der mit bürgerlichem Namen John Cummings hieß und 1948 in New Jersey, New York geboren wurde, war ein bekennender Republikaner und strammer amerikanischer Patriot.

Und das nicht etwa erst nach seiner aktiven Zeit in der 1974 in New York gegründeten und 1996 aufgelösten „schnellsten Rockband der Welt“. In seinen Favoritenlisten am Ende des Buches findet sich auch eine Top Ten seiner „favourite republicans“ – mit Ronald Reagan, den er für „den besten Präsidenten in meiner Lebenszeit“ hielt, an erster Stelle, und Richard Nixon an zweiter.

Für den, erläutert Johnny, habe er schon 1960 im Wahlkampf gegen John F. Kennedy Partei ergriffen, weil es ihn nervte, dass alle für Kennedy waren, bloß weil der „so gut aussah“. Als Johnny 2002 in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen wurde, schockte er in der Dankesrede die liberale Kulturszene mit dem Ausruf: „God bless President Bush, God Bless America.“

Zwar teilten seine Bandkollegen Johnnys ausgeprägt konservative Ansichten nicht, doch mit dem Lebensgefühl der Band und des Punk insgesamt gingen sie ohne Weiteres zusammen. 1979 etwa hatten die Ramones kein Problem damit, im legendären Club CBGB ein Benefizkonzert für die New Yorker Polizisten zu geben, um ihnen den Kauf kugelsicherer Westen zu ermöglichen. „Wir hatten sogar Protestierer draußen vor dem Club, irgendwelche Commies“, höhnt Johnny Ramone über die Demonstrationskultur.

Wenn überhaupt, war Punk – der nicht etwa in England, sondern um 1974 in New York, im CBGB, geboren wurde – eine Rebellion gegen das zur konformistischen Konvention erstarte Rebellentum der Sechzigerjahre, eine Parodie von Rebellion. Ganz sicher aber hatte der Punk keinerlei Ambitionen, die Welt zu verbessern.

Wenn er überhaupt eine Message bereithielt, war sie radikal antiutopisch und antipolitisch. „Piss off“ lautete seine eigentliche Botschaft an die Menschheit – lasst uns mit euren Ansprüchen zufrieden, was wir gut oder schlecht zu finden haben. In ihrem Song „I’m Against It“ von 1978 listen die Ramones auf, wen und was sie nicht leiden können: Von Kommunisten und dem Vietcong über Sex und Drugs sowie Frühling und Sommer bis zu Jesus-Freaks und Burger King ist ziemlich alles dabei, was Kollektiven heilig ist oder war.

Diesen radikalen, aber zugleich durch und durch defensiven, diesseitigen Individualismus hat Johnny Ramone konsequent vorgelebt. Der Sohn eines irisch-amerikanischen Bauarbeiters, der im New Yorker Stadtteil Queens aufwuchs, verlor bei aller Leidenschaft für den Rock ’n’ Roll nie das nüchterne, materialistische Kalkül für den möglichst störungsfreien Selbsterhalt aus dem Auge.

Als Jugendlicher dachte er daran, Karriere im Militär zu machen, um als Offizier früh in Pension zu gehen, und besuchte tatsächlich die Militärschule. Es wurde nichts daraus, doch auch während der 22 Jahre mit den Ramones behielt Johnny stets das Ziel im Visier, aufzuhören, sobald er genug Geld verdient haben würde, um sich sorgenfrei zur Ruhe setzen zu können. Als er die gesetzte Marge an Dollars erreicht hatte, tat er es.

Die Bodenständigkeit des Arbeiterkindes stand nicht im Widerspruch zu seinem Freiheitsstreben und chronischen Außenseitertum. In der Hingabe an die Musik konnte er seinen frühen Hang zu Gewalttätigkeit und hemmungslosem Drogenkonsum kanalisieren. Zwar schlug Johnny hie und da noch mal zu – einmal knockte er auf einem Empfang sogar Malcolm McLaren aus, den Konzeptkünstler und Erfinder der Sex Pistols, weil der sich zu lange mit seiner Freundin unterhalten hatte.

Doch im schnellen, aggressiven Rock der Ramones konnte Johnny seine Wut kompensieren und im Großen und Ganzen unter Kontrolle halten. Seit er mit zwanzig beschloss, sein Leben in den Griff zu bekommen, schreibt er, habe er nie wieder mehr als drei Bier getrunken.

Und schnell lernte er, seinen schlechten Ruf in ein ästhetisches Erkennungszeichen zu verwandeln. „Ich hatte ein Image, und das Image war Wut. Ich war der Mürrische, Bedrückte, und ich versuchte, darauf zu achten, genau so auszusehen, wenn ich fotografiert wurde.“ Punk war kein Gewaltkult, er spielte mit dem ästhetischen Reiz der Gewalt.

Zu den Vexierspielen der Punks gehörte auch die provokative Referenz auf Nazi-Vokabular und Rhetorik. „Blitzkrieg Bop“ hieß einer der frühen Hits der Ramones, ein anderer Song „I’m a shock trooper“. Sie hätten sich nichts dabei gedacht, sagt Johnny Ramone dazu. Doch die Hälfte der vierköpfigen Band war jüdisch – der (noch vor Johnny 2001 verstorbene) Sänger Joey Ramone alias Jeffrey Hyman ebenso wie Drummer Tommy Ramone alias Tamás Erdélyi, der mit seiner Familie nach der Niederschlagung des Aufstands von 1956 aus Ungarn geflüchtet war.

Das Kokettieren mit Nazi-Symbolik war für ihre Generation auch eine Form der Bewältigung des Holocaust-Traumas der Überlebenden. Die jüdischen Punks wollten toughe Jungs sein und den Nazi-Ballast entzaubern, indem sie ihn sich mit sardonischem Humor aneigneten – um ihn zugleich als Provokation gegen das gute Mainstream-Gewissen einzusetzen.

Obwohl Johnny Ramone diesen jüdischen Erfahrungshintergrund nicht besaß, hat der hintersinnige jüdisch-amerikanische Humor wohl irgendwie auch auf ihn abgefärbt – wie käme er sonst auf woodyallenhafte Wendungen wie diese: „Die Leute dachten immer, ich sei unfreundlich, aber das war ich nicht. Ich mochte einfach die Leute nicht, mit denen ich zu tun hatte.“

Musikalisch wollten die Ramones nicht mehr sein als eine puristische Rock-’n’-Roll-Band: schnell, schnörkellos, hart, im treibenden, schneidenden Gitarrenrhythmus. In einem Ramones-Konzert gab es keine Pause zwischen den Songs, einer jagte im Höllentempo den nächsten – höchstens, dass Joey Ramone mal ein Plakat mit dem Schlachtruf „Gabba gabba hey“ hochhielt oder das charakteristische „Hey ho, let’s go“ ertönte.“ www.welt.de/kultur/musik/…-gegen-die-Rebellion.html

Weiter: www.argumente-fuer-gott.de/musik/ramones_2/

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