Joshua Wong war in Deutschland. Stellt euch vor, auch Christen demonstrieren.

Hongkong: Auch Christen demonstrieren

Es gibt durchaus gute Gründe dafür, dass Christen sich aus aktuellen politischen Grabenkämpfen heraushalten. Immerhin besteht die nicht ganz unwahrscheinliche Gefahr, von ausgebufften Politprofis lediglich für eigene Zwecke missbraucht zu werden. Außerdem können wichtige geistliche Anliegen schnell hinter lautstarkem gesellschaftlichem Engagement verschwinden.

Bei den gegenwärtigen Demonstrationen in Hongkong aber geht es um keine parteipolitischen Kleinigkeiten. Auf gesetzlichem Weg soll die noch garantierte Meinungs- und Religionsfreiheit gründlich ausgehöhlt werden. Regimekritiker sollen künftig ohne größere Umstände zum Prozess direkt nach China ausgeliefert werden. Das betrifft dann auch Christen und ihre Gemeinden ganz direkt. Deshalb wundert es kaum, dass sich bei den vehementen Protesten im September 2019 zahlreiche Christen beteiligen. Natürlich birgt das die Gefahr, dass gerade diese Christen jetzt auf der kommunistischen Abschussliste stehen. Sollen sie mit ihrem Einspruch keinen Erfolg haben, müssten sie mit deutlichen Repressionen durch chinesische Instanzen rechnen.

Eine wichtige Stimme der Hongkonger Demokratiebewegung ist Joshua Wong Chi-fung. Schon als Kind zeigte der heute 22jährige Student ein großes politisches Talent. Der aus einer konservativ christlichen Familie stammende Wong organisierte bereits 2011 einen öffentlichen Protest gegen den neu eingeführten „Patriotismus- Unterricht“, in dem der chinesische Kommunismus idealisierend beworben wurde. Mit Freunden aus einem privaten christlichen College auf der Halbinsel Kowloon, gründete er „Scholarism“. 2012 brachte die Gruppe mehr als 120 000 Menschen auf Hongkongs Straßen, Schüler, Eltern, Lehrer. „Wir lassen uns doch nicht unsere Gehirne waschen“. Die Proteste hatten Erfolg. Der Unterrichtsinhalt wurde zurückgenommen. Jetzt entscheiden Schulen und Eltern, ob und wie der umstrittene „Patriotismus- Unterricht“ stattfindet.

Auch 2014 stand Joshua Wong an der Spitze der sogenannten „Regenschirm- Proteste“, die sich gegen einen immer stärkeren Einfluss Chinas wandte. Monatelang blockierten insbesondere junge Menschen mit Regenschirmen große Teile der Hongkonger Innenstadt, nicht eben zur Freude vieler Geschäftsleute.

In den folgenden Jahren setzte sich Wong auch für weniger öffentlichen Leistungsdruck ein. Junge Menschen werden in Hongkong seit frühester Kindheit von Eltern und Staat zum Lernen und Arbeiten gedrillt. Nur so haben sie eine Chance auf gute Jobs und ein auskömmliches Leben. Zahlreiche junge Menschen scheitern jedes Jahr an diesen Ansprüchen und begehen Selbstmord. Irgendwann begann Joshua Wong als gläubiger Christ dieses materialistische System zu grundlegend hinterfragen und nach Alternativen zu suchen. „Das Leben hat noch einen anderen Wert als Geld und Status.“ Die Freiheit und den Glauben beispielsweise. Mit einigen Mitstreitern gründet Wong 2016 die politische Gruppierung „Demosisto“.

Zwischenzeitlich ist der politische Aktivist weltbekannt. Aufgrund seiner Kritik am immer stärkeren Einfluss Chinas in Hongkong saß er drei Monate im Gefängnis. Andererseits wurde er auch schon für den Friedensnobelpreis nominiert. Das renommierte amerikanische „Time –Magazin“ druckte sein Gesicht auf dem Cover und erklärte ihn zu einem der wichtigsten Vordenker der Gegenwart. Mittlerweile besucht er die „Offene Universität“ in Hongkong. Seine Zuversicht schöpft Joshua Wong aus dem Glauben: Als Christ reiche es eben nicht, die Bibel in der Kirche zu lesen. Man müsse sich auch für die dort verankerten Werte einsetzen.

Am 10.September 2019 war Wong in Berlin und versuchte deutsche Regierungsvertreter zur Unterstützung der momentanen Hongkonger Proteste zu gewinnen. Prompt kam ein Rüffel aus Peking. Der deutsche Botschafter in China wurde einbestellt und ermahnt, man solle sich gefälligst nicht mit diesem gefährlichen Regimekritiker treffen. – Wong reiste derweilen weiter in die USA, um auch dort für mehr politische Unterstützung zu werben. Michael Kotsch

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