Klarheit tut gut: Wer ist Jesus überhaupt?

„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eines, das geworden ist“ (vgl. JOHANNES 1:13)

In diesen einleitenden Sätzen seines Evangeliums sagt Johannes folgende vier Dinge aus über das Wort, oder – um das männliche persönliche Fürwort gebrauchen zu können – besser: den Logos.

  • Er ist ewig
  • Er ist göttlich
  • Er ist eine eigene Person
  • Er hat alles erschaffen

Daß dieser Logos niemand anders ist als Jesus Christus, Gottes eingeborener Sohn, wird im Vers 14 offen ausgesprochen. Somit lehren uns die ersten Verse des Johannesevangeliums, daß unser Herr Jesus Christus der ewige Gott ist, der Schöpfer aller Dinge. Diese zentrale christliche Wahrheit ist im Laufe der Jahrtausende von unzähligen Seiten angegriffen worden, sei es vom Propheten Mohammed und seinen Nachfolgern oder den „Zeugen Jehovas“ (oder zutreffender: Zeugen der Wachturmgesellschaft), um nur zwei zu nennen. Da gerade letztere zur Stützung ihrer biblisch nicht haltbaren Ansichten den klaren Sinn des griechischen Textes ihren Bedürfnissen angepaßt und entsprechend übersetzt haben, soll nachstehend der griechische Text auf seine Syntax hin, d.h. auf die Regeln des griechischen Tempussystems und seines Satzbaus, untersucht werden.

a) Der Logos ist ewig

Johannes verwendet in den ersten zwei Versen viermal das Wort war, (griech = än). Das ist ein sogenanntes Imperfekt, wie man es traditionell (in Anlehnung an die lateinische Grammatik) nennt. Sprachwissenschaftlich zutreffender ist die Bezeichnung durativ, Nebentempus. „Nebentempus“ heißt hier Vergangenheit; „durativ“ ist die Bezeichnung der Aktionsart und steht meist für Zustände oder gewohnheitsmäßige Handlungen. Hier bezeichnet die von Johannes gewählte Aktionsart natürlich einen dauernden Zustand.

Das muß darum von Gewicht sein, weil Johannes im nachfolgenden Vers 3 die Aktionsart bewußt wechselt und zweimal Aorist, egeneto, und einmal Perfekt, gegonen, verwendet. Damit hat er das erzeugt, was man in der Semantik (der Lehre der Wortbedeutung) „Opposition“ nennt: Alles, wir selbst und was uns umgibt, „wurde“ einmal: egeneto. Es hatte einen Anfang. Der Logos aber „war“ schon, als noch nichts geworden war; er hat keinen Anfang.

Das ist Johannes so wichtig, daß er viermal das Verb war verwendet, um es eben in der alleraugenfälligsten Manier mit „wurde“ und „geworden“ von Vers 3 zu kontrastieren. Die vier Sätze mit je ihrem „war“ sind sogenannte Nominalsätze, d.h. nicht nur das Subjekt, sondern auch das Prädikat ist ein Nomen. Nominalsätze bedürfen im Griechischen des Hilfsverbs „sein“, der sogenannten Kopula, nicht. Es hätte also genügt zu sagen: „en archä ho logos = „im Anfang das Wort.“ Daß Johannes aber jedesmal die Kopula än gebraucht, liegt eben daran, daß er diesem immerwährenden Sein des Logos im Gegensatz zum einmal in der Zeit Gewordenen (egeneto) aller Schöpfung unzweideutigen Ausdruck verleihen wollte.

In der Tat lehrt das Neue Testament wiederholt, daß der Sohn Gottes ewig ist, also nie „ward“, besonders deutlich HEBRÄER 1:8-12 und HEBRÄER 3:8, OFFENBARUNG 1:8,17-18, OFFENBARUNG 22:13. Aber auch das Johannesevangelium bezeugt nach der Einleitung wiederholt die Tatsache, daß der Sohn Gottes ewig ist; hierzu einige Beispiele:

In JOHANNES 1:18 lesen wir vom Sohn, der im Schoße des Vaters ist, griechisch mit dem durativen Partizip (traditionell „Partizip Präsens“) on ausgedrückt, also „seiend“. Das ist zeitlose, immerwährende Tatsache. Es gab also nie eine Zeit, in der der Sohn nicht im Schoße des Vaters war.

In JOHANNES 3:13 (KJV) sagt der Mensch Jesus, während Er in einem Haus in Jerusalem mit Nikodemus spricht, daß Er zur gleichen Zeit auch im Himmel „ist“, griechisch wiederum das gleiche Partizip on.

In JOHANNES 8:58 lesen wir die Worte aus dem Munde Jesu: „Ehe Abraham ward, bin ich“, wobei, wie in der Einleitung, Opposition zwischen dem aoristischen „ward“, egeneto, und dem durativen „bin“, eimi, vorliegt. Hätte der Herr hier lediglich auf Sein gegenüber anderen Geschöpfen überlegenes Alter anspielen wollen (so die Erklärung der Wachturm-Gesellschaft), hätte Er doch gesagt egenomän, „ward ich“. Das ist aber ausgeschlossen, weil Er kein Geschöpf ist, also nie ward, sondern immerwährend ist.

b) Der Logos ist Gott

Nachdem Johannes uns gesagt hat, daß der Logos ewig ist und daß er bei, pros, Gott, also Gott zugewandt ist, sagt er schließlich, daß der Logos Gott ist. Griechisch lautet der Satz: theos än ho logos, Wort für Wort übersetzt: „Gott war das Wort.“ Nun steht bei theos kein Artikel, was die „Neue-Welt-Übersetzung“ (nachfolgend NWÜ) der Zeugen Jehovas zum Anlaß genommen hat zu übersetzen: „Und das Wort war ein Gott.“ Damit will diese sagen, Jesus Christus sei nur einer von vielen anderen Göttern, geschaffenen Wesen also, wie Engel usw. Schon die Syntax – zunächst noch ganz zu schweigen vom theologischen Widersinn – erlaubt diese Übersetzung nicht. Stünde der Satz allein da, könnte man ihn allenfalls so auffassen, im gegebenen Zusammenhang aber unmöglich:

In den vier Aussagen des Johannes über den Logos ist dieser selbst stets Subjekt oder das Thema (wörtl. „das Gesetzte“). Über das Thema wird nun dreimal hintereinander etwas ausgesagt: es war im Anfang, es war bei Gott, es war Gott. Die Aussage nennt man in einem solchen Nominalsatz das Rhema (wörtl. „das Ausgesagte“). Einen solchen Nominalsatz, in dem also über das Thema etwas ausgesagt wird, nennt man prädizierenden Nominalsatz, und in einem solchen steht beim Rhema der Artikel nicht. Der Artikel steht nur beim Thema, eben um dieses als Thema zu kennzeichnen. Weitere Beispiele für solche prädizierenden Nominalsätze: pneuma ho theos, „Gott ist Geist“ (JOHANNES 4:24). Über Gott, das Thema, wird eine Aussage gemacht, das Rhema: Er ist Geist. Bei Geist steht darum der Artikel nicht. Genauso verhält es sich mit „Gott ist Licht“ und „Gott ist Liebe“ in 1. JOHANNES 1:5 bzw. 1. JOHANNES 4:16.

Wichtig ist, daß man bei prädizierenden Nominalsätzen die beiden Glieder Thema und Rhema nicht einfach vertauschen kann: Es ist durchaus nicht dasselbe zu sagen: ho theos agape = „Gott ist Liebe“ und hä agapä theos = „Die Liebe ist Gott“. Ersteres bezeugt das Christentum, letzteres zum Beispiel der Hindu-Guru Sattya Sahi Baba.

Nun gibt es aber Nominalsätze, in denen die beiden Glieder vertauscht werden können, ohne daß die Aussage falsch würde. Solche kann man identifizierende Nominalsätze nennen. Ein Beispiel dafür: „Du (Thema) bist der Lehrer Israels (Rhema) (vgl. JOHANNES 3:10), auch griechisch mit Artikel. Oder „Du (Thema) bist der König Israels (Rhema)“ (JOHANNES 1:49). Hier kann der Artikel stehen. Tatsächlich können Thema und Rhema auch vertauscht werden: „Der König Israels (Thema) bist du (Rhema)“. Bei dieser Art Nominalsatz geht es also darum, die beiden Glieder einander gleichzusetzen, eben zu identifizieren.

Kommen wir jetzt zurück zu unserem Satz. Wenn Johannes bewußt nicht sagt „Der Logos war ho theos„, also der uns bekannte und eben genannte Gott, sondern eben ohne Artikel: Der „Logos war theos„, dann geht es ihm nicht um die Identität des Logos mit Theos, sondern um das Wesen des Logos. Und da könnte er deutlicher nicht sein: Er ist ewig, er ist Gott zugewandt, er ist Gott, er ist Schöpfer.

Es ginge aber nicht zu sagen: Gott ist das Wort genausowenig wie man sagen könnte: Gott ist Christus. Nein: Christus ist Gott; das Wort ist Gott. Warum ist es falsch zu sagen „Gott ist Christus“ oder: „Gott ist der Sohn“? Gott ist einer, aber in Seiner Fülle geoffenbart als drei Personen. Gott ist darum nicht der Sohn allein, sondern der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Somit erreicht Johannes mit einer einfachen syntaktischen Maßnahme zweierlei; er bezeugt die Gottheit Jesus Christi, aber er bezeugt gleichzeitig, daß Christus allein nicht Gott ist, sondern daß Gott in mehr als einer Person geoffenbart ist.

Natürlich müßten wir von der anderen Seite her argumentieren: Johannes knüpft ja an das Alte Testament an. Von da kannte der Israelit nur eine Person der Gottheit. Johannes fährt nun fort und sagt, der Schöpfer, der alles geschaffen hat, von dem das erste Kapitel der Bibel spricht, ist Gott, aber er ist eine eigene Person bei Gott; in der Gottheit sind mehrere Personen. So bereitet die Einleitung den Leser nicht nur auf die im Johannesevangelium besonders deutlich gelehrte Gottheit Jesu vor, sondern auch auf die im Neuen Testament deutlich entfaltete Lehre der Dreieinigkeit.

Noch ein Wort zur Satzstellung: Normalerweise steht das Thema im Griechischen voran; im Deutschen sogar regelmäßig. Das Griechische ist aber in der Wortstellung gegenüber den modernen europäischen Sprachen viel freier. So kann das Rhema voranstehen, wie in unserem Fall: theos war das Wort. Dadurch wird es stärker hervorgehoben. So sagt Johannes sinngemäß: „Das Wort war Gott, ja Gott!“

Abschließend darf ich noch zeigen, wie willkürlich es ist, theos ohne Artikel mit „ein Gott“ zu übersetzen, als ob die bloße Tatsache, daß kein Artikel steht, dazu rechtfertigte. Im Johannesevangelium steht theos noch an folgenden Stellen ohne Artikel; JOHANNES 1:12,18, JOHANNES 3:2-21, JOHANNES 8:54, JOHANNES 9:16,33, JOHANNES 10:33, JOHANNES 13:3, JOHANNES 16:30, JOHANNES 19:7, JOHANNES 20:17. Wenn die „Neue Welt-Übersetzung“ der Wachturmgesellschaft „ein Gott“ übersetzt, verrät sie damit nur zweierlei: Daß sie ein kümmerliches Verständnis für die Eigenheiten der griechischen Sprache hat und daß sie mutwillig tendenziös übersetzt.

Übersetzt man nun „ein Gott“, unterstellt man dem Neuen Testament Polytheismus: Neben dem „obersten Gott“ gibt es noch einen „kleinen Gott“. Gegen solchen Vorwurf verwahren sich die Wachturm-Zeugen vergeblich, wenn sie das hebräische ‘elohim heranziehen, das tatsächlich nicht nur Gott, sondern ganz allgemein eine führende, erhabene Person wie Engel oder Richter bezeichnen kann (im Wort steckt das semitische ‘ul, stark sein, das auch in der arabischen Ordinalzahl ‘awwal, erster, vorkommt). Im Griechischen bedeutet theos aber ausnahmslos Gott. Der Verweis auf JOHANNES 10:34 verfängt nicht, weil das erstens eine wörtliche Übersetzung aus dem hebräischen Alten Testament ist und zudem das Wort in der Mehrzahl theoi steht.

Theos in der Einzahl ist im Neuen Testament stets der eine und alleinige Gott (außer wenn das Wort wie in APOSTELGESCHICHTE 28:6 von Heiden im Munde geführt wird oder beim Ausdruck „Gott dieser Welt“, womit der Teufel gemeint ist). Und an niemand anders als den ewigen Gott dachte Johannes, als er vom Heiligen Geist inspiriert schrieb: „Und das Wort war theos„.

JOHANNES 8:58

In diesem Vers bezeugt unser Herr Sein ewiges Sein. Zuerst hat Er gesagt, daß Abraham bereits den Tag Christi gesehen und sich gefreut habe, was die Juden zur Bemerkung veranlaßt, Er sei ja noch nicht einmal 50 Jahre alt, wie Er denn Abraham habe kennen wollen. Darauf antwortet Jesus Christus: „Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Ehe Abraham ward, bin ich.“

Die NWÜ übersetzt: „Ehe Abraham ins Dasein kam, bin ich gewesen.“ Damit will sie sagen, Jesus habe zwar eine „vormenschliche Existenz“ gehabt, besitze aber keineswegs ein ewiges Sein.

Nun fällt dem Leser des griechischen Textes auf, daß Johannes hier, wie in JOHANNES 1:1-3 ganz bewußt einmal Aorist und einmal Durativ wählt. Für Abraham ist bezeichnend genesthai, was als Infinitiv-Aorist von einai (sein) oder ginesthai (werden) angesehen werden kann. Abraham hat einen Anfang; er wurde einmal, er trat einmal ins Dasein. Jesus Christus hingegen hat keinen Anfang; darum sagt Er nicht, Er sei vor Abraham geworden. Nein, Er ist vor Abraham; Er ist, als noch gar nichts geworden ist, wie wir in JOHANNES 1:1-3 bereits gesehen haben.

Sprachlich ist die Wendung Jesu überraschend, weil außergewöhnlich. Eine außergewöhnliche Ausdrucksweise wählt man dann, wenn man etwas mit Nachdruck unterstreichen und mit besonderer Prägnanz versehen will. Darum ist es ganz ausgeschlossen, daß Jesus ganz einfach sagen wollte, Er sei entgegen den Vorstellungen der Juden sogar noch vor Abraham existent gewesen; denn dann hätte auch än = war genügt, oder es wäre vielmehr zu erwarten gewesen. Nun aber will Jesus Sein zeitloses Sein bezeugen, und darum bekennt Er: prin Abraham genesthai, ego eimi, bevor Abraham ward, bin ich. Dem Präsens müssen wir sein volles Gewicht belassen. Mit anderen Worten: Jesus Christus nennt sich selbst den Ewigen. Er wurde nie, Er ist immer.

JOHANNES 20:28

Hier bezeugt ein Jünger Jesu und Zeuge Seiner Auferstehung: „Mein Herr und mein Gott!“

Interessant ist wiederum die Frage nach dem Artikel. In JOHANNES 1:1 hatte die NWÜ aus dem Fehlen des Artikels geschlossen, mit theos könne nicht Gott selbst, sondern nur irgendein anderer Gott gemeint sein. Hier nun steht der Artikel: „ho theos mou“ = mein Gott. Müßten wir daraus auch nach der Logik der NWÜ nicht schließen, daß Thomas seinen Herrn wirklich als den alleinigen Gott anspricht?

Noch stärker als die Grammatik wiegen die theologischen Implikationen: Ist Christus nicht der alleinige Gott, dann hat Er selbst einen Jünger dazu verführt, jenes Gebot Gottes zu brechen, das Er einst dem Satan entgegengehalten hatte: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten, und ihm allein dienen“ (MATTHÄUS 4:4). Kein Mensch darf einen anderen Gott anbeten als den ewigen Gott! Darum muß Jesus Christus selbst der ewige Gott sein, oder aber Er hat es ruhig mit angesehen, wie Thomas das erste der zehn Gebote bricht.

APOSTELGESCHICHTE 7:59-60

„… und steinigten Stephanus, der betete und sprach: ‘Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!’ Er kniete aber nieder und schrie laut: ‘Herr, behalte ihnen diese Sünde nicht!’“

Hier betet Stephanus zu seinem Herrn und Retter. Darf man auch sagen, daß er damit zu seinem Gott betete? Nein, wir müssen es vielmehr sagen. Jesus Christus ist Gott selbst, zu dem der Glaubende betet und der Sünde vergeben kann.

Nun nimmt sich die NWÜ heraus, in Vers 60 „Herr“ mit „Jehova“ zu ersetzen. (Die NWÜ hat an 237 Stellen das griechische Kyrios durch Jehova ersetzt.) Woher nimmt sie das? Lukas schrieb die Apostelgeschichte griechisch; er schrieb nichts anderes als Herr, griechisch kyrios. Und er schrieb es natürlich bewußt. Wenn Stephanus zuerst sagt „Herr Jesus“, kyrios JESUS, und dann „Herr“, dann wendet er sich beide Male selbstverständlich an die gleiche Person.

Mit ihrer „Verbesserung“ zu „Jehova“ schafft sich die NWÜ nur selbst Schwierigkeiten; denn: entweder betet Stephanus nacheinander zu zwei Personen, oder aber der zuerst genannte Herr Jesus ist tatsächlich „Jehova“, also der im Alten Testament als Jahwe geoffenbarte Gott Israels. Welches von beiden will die NWÜ nun sagen? Daß man außer zum alleinigen Gott auch noch zu anderen Helfern und Rettern beten darf oder aber, daß Jesus Jahwe ist? Wir wissen es: Jesus Christus ist Jahwe selbst, wie auch Matthäus in seinem Evangelium bestätigt: „… des Namen sollst du Jesus (= „Jahwe rettet“) heißen, denn ‘er wird sein Volk retten von ihren Sünden’“ (MATTHÄUS 1:21). Er, Der geboren wird, wird deshalb diesen Namen tragen, weil Er es ist, Der Sein Volk rettet. Ja, Der sich im Alten Testament Mose als Jahwe offenbarte, ist in der Person Jesus von Nazareth als Mensch erschienen.

APOSTELGESCHICHTE 20:28

„… die Gemeinde Gottes, welche er durch sein eigen Blut erworben hat“ wird dieser Vers von Luther übersetzt. Elberfelder übersetzt: „… welche er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen“, womit sie offensichtlich Gottes eigenen Sohn meint.

Die NWÜ ergänzt aber in unerlaubter Weise, was nicht dasteht:

„Die Versammlung Gottes, die er mit dem Blut seines eigenen (Sohnes) erkauft hat.“ Das ist, ganz abgesehen davon, ob es der Sache nach richtig ist oder nicht, eine Interpretation, nicht eine Übersetzung, die freilich ganz dem bekannten Interesse der Wachturmgesellschaft entspricht. Das ist natürlich alles andere als geeignet, Zutrauen in die NWÜ zu wecken, die ja als besonders zuverlässige Übersetzung anerkannt sein will.

Im Anhang versucht sich dann die NWÜ zu rechtfertigen. So beruft sie sich auf textkritische Anmerkungen von Westcott und Hort, die vermuten, daß ein orthographisch dem idiou beinahe identisches hyiou nach diesem gestanden haben könnte, was ein Hinzufügen von „Sohn“ rechtfertige. Das ist eine reine Konjektur, die durch keine einzige Handschrift gestützt wird. Konjekturen darf man in Aufsätzen oder Auslegungen sicher vorbringen, sie haben aber im Griechischen wie im übersetzten Bibeltext selbst nichts zu suchen.

Sodann wird gesagt, daß man nach „seines eigenen“ ein Substantiv im Singular zu ergänzen hätte. Das soll angeblich durch folgende (von Moulton in seiner Grammatik angegebenen) Bibelstellen zur Sache unterstützt werden: JOHANNES 1:11, JOHANNES 13:1, APOSTELGESCHICHTE 4:23; APOSTELGESCHICHTE 24:23. Da steht tatsächlich immer das Wort idios, eigen, das immer etwa mit „Angehörige“ oder „Vertraute“ oder „Brüder“ zu ergänzen wäre. Nur steht idios an diesen Stellen, im Gegensatz zu APOSTELGESCHICHTE 20:28 immer im Plural. ta idia (neutrum plural) und hoi idioi (maskulin plural) sind im Griechischen stehende Wendungen für „die eigenen, die persönlichen Belange“, beziehungsweise „die eigenen Leute = die Angehörigen“. Wenn idios in der Einzahl steht, steht fast ausnahmslos das entsprechende Hauptwort dazu, wie z.B. in MATTHÄUS 9:1 und Dutzenden anderer Belege.

Lediglich zweimal steht idios im NT in der Einzahl ohne dieses Bezugswort, in JOHANNES 15:19 und APOSTELGESCHICHTE 4:32, aber bezeichnenderweise beide Male im Neutrum (weshalb sie als singularische Varianten zum üblicheren Neutrum Plural zu gelten haben), und was es dann bedeutet, ist jedesmal klar: das Eigene im Sinne von eigenem Besitz. ho idios (also maskulin singular) kommt ohne Bezugswort nie vor.

Nun hat genannter Moulton auf die Sprache der griechischen Papyri aufmerksam gemacht, in denen wiederholt idios etwa in Briefen in der Anrede steht und soviel wie „Geliebter“, „lieber Freund“ o.ä. bedeutet. Daher sei wohl idios in APOSTELGESCHICHTE 20:28 auch so zu verstehen, das heißt als Umschreibung für Gottes „Geliebten“, für Seinen Sohn.

Zwei Gründe sprechen ganz entschieden gegen diese zunächst ansprechende Erklärung:

1. Es wäre für das Neue Testament absolut singulär. Paulus, der hier spricht, nennt den Sohn Gottes nie bloß den idios Gottes. In RÖMER 8:32 sagt er vielmehr: ho idios hyios autou, „Sein eigener Sohn“.

2. Die Sprache der erwähnten Papyri ist nun bekanntermaßen ungepflegt bis verwildert. Dort sind Wendungen wie die von Moulton genannten ganz erwartungsgemäß. Lukas nun schreibt ein Griechisch allererster Güte. Er bedient sich, ohne gekünstelt oder manieriert zu sein, einer Sprache und einer Diktion, die von einem erstklassigen Historiker seines Formats und Anspruchs (siehe LUKAS 1:1-4 und APOSTELGESCHICHTE 1:1) erwartet werden. Wo es sein muß, ist er in Wortwahl und Syntax geradezu gewählt. In der nicht einfachen Terminologie der Verwaltungssprache des Römischen Reiches ist er peinlich exakt, was sich daran zeigt, daß er die von den Römern verwalteten Gebiete samt entsprechenden Titeln der Beamten stets korrekt setzt. Er würde daher nie eine Wendung, die dem vulgären Ton und Stil der Papyri eignet, gebrauchen. Daher kann die Fügung dia tou haimatos tou idiou aus der Feder eines Lukas nichts anderes heißen als „durch sein eigenes Blut“, wobei idiou ganz einfach deshalb nachgestellt mit wiederholtem Artikel steht, damit es verstärktes Gewicht bekomme: Gott, unser Heiland-Gott Jesus Christus, hat Seine Gemeinde mit Seinem eigenen, ja, eigenen Blut erkauft!

RÖMER 9:5

Der Bibelleser kennt diesen Vers meist wie folgt: (die Israeliten) … welcher auch sind die Väter, und aus welchen Christus herkommt nach dem Fleisch, der da ist Gott über alles, gelobt in Ewigkeit“ (nach Luther; sinngemäß gleich der Elberfelder und Schlachter Übersetzung).

In der NWÜ lautet die Stelle hingegen: „Denen die Vorväter angehören und von denen der Christus dem Fleische nach abstammt: Gott, der über allen ist, sei gesegnet immerdar“ (sinngemäß gleich auch Zürcher).

Es sind diese beiden Varianten der Übersetzung zwar rein sprachlich möglich, dennoch ist der einen aus sprachlichen Gründen der Vorzug zu geben. Drei gewichtige Gründe sprechen gegen die Annahme, Paulus habe hier eine in sich geschlossene, von Christus losgelöste Doxologie („Gott sei gepriesen in Ewigkeit!“) angehängt:

1. Wo immer in der Bibel solche Doxologien auftreten, steht baruk oder eulogätos, (das hebräische bzw. griechische Äquivalent zu „gepriesen“) stets voran, nicht wie hier hintan. Als Beispiel führe ich an: 1. MOSE 9:26, PSALM 28:6, PSALM 31:22, PSALM 41:14, LUKAS 1:68, 2. KORINTHER 1:3, EPHESER 1:3, 1. PETRUS 1:3. Eine einzige Ausnahme zur genannten Wortstellung bildet PSALM 68:20 nach der Übersetzung der LXX. Der hebräische Ausdruck lautet auch dort ganz entsprechend regulärem Sprachgebrauch: „baruk ‘adonaj …“. Die (auch anderweitig oft unzuverlässige) LXX hat hier vor eulogätos kyrios in einer Art Dittographie (= Doppelschreibung) eingefügt: kyrios ho theos eulogätos, Gott, der Herr, sei gepriesen.

Es entspricht auch außerbiblischem jüdischem Sprachgebrauch, wie das sogenannte „Achtzehn-Bitten-Gebet“ belegt. Für jüdischen Gottesdienst ist ganz allgemein die Formel „Gepriesen sei …“ mit voranstehendem baruk, griech. eulogätos, charakteristisch.

2. Zweimal kommt in den Versen 3-5 der Ausdruck „nach dem Fleische“ vor. Paulus spricht am Anfang seiner Aufzählung jüdischer Privilegien von seinen Brüdern nach dem Fleische, griechisch kata sarka, und dann am Ende seiner Aufzählung von Jesus Christus, Der aus Israel stammt „nach dem Fleische“, griechisch to kata sarka. Wir beachten den Unterschied: zuerst ohne, dann mit Artikel to. Damit schafft Paulus sogenannte semantische Opposition, das heißt, er will nicht zweimal genau das gleiche sagen: Die Juden sind die Brüder des Paulus nach dem Fleisch, und Jesus ist ein Jude nach dem Fleisch. Das stimmt zwar, aber Paulus will mehr sagen. Der Ausdruck to kata sarka erscheint als Antithese zum anschließend Gesagten. Es ist der Artikel, der genau auf das vorbereitet. Der Sinn der Aussage ist dann: Jesus stammt wohl, was das Fleisch betrifft, aus Juda, aber Er ist bei alledem Gott, Der über allem steht und daher gepriesen wird in Ewigkeit.

3. Hätte Paulus ganz einfach eine Doxologie anhängen wollen, hätte er nicht mit ho on epi panton theos angefangen, sondern ganz einfach ho epi panton theos gesagt. Das Partizip on erklärt sich hier eben dadurch, daß es eine eingeschobene Aussage, nämlich einen begründenden Nebensatz einfügt. Dieses on ist ein sogenanntes Participium coniunctum, ein Partizip, das die Funktion hat, Satzteile zu verbinden. Hier schließt es einen begründenden Nebensatz an, also eine Wendung, die den Grund angibt, warum Christus gepriesen wird: „Da er Gott ist über alles.“ Mithin können wir den ganzen Satz wie folgt wiedergeben: „Aus welchem Christus ist dem Fleische nach der, da er bei alledem aber Gott ist, gepriesen ist (oder: sei) über alles.“

Zu diesen rein sprachlichen Kriterien kommen zwei inhaltliche:

1. Welchen Sinn hätte eine Doxologie nach der Aufzählung der jüdischen Vorrechte, die eine indirekte Anklage an ihren Unglauben darstellen? Es wäre zwar nicht ausgeschlossen, aber doch höchst unpassend gewesen, ausgerechnet an dieser Stelle in ein Lobpreisen Gottes auszubrechen. Solches ist am Ende von Kapitel 11 angebracht, wo Paulus dargelegt hat, wie nach langer Zeit des Unglaubens auch Israel gerettet werden wird (RÖMER 11:33-35).

2. Eben um die Größe der Sünde Israels in grellster Weise hervortreten zu lassen, erinnert Paulus daran, daß der Messias, der dem Fleische nach ein Jude war, der Allerhöchste selbst ist. Die Juden hatten in ihrem Unglauben niemand anders als den ewigen Gott verworfen! Das wird völlig verwischt, wenn wir hier mit einer bloßen Doxologie übersetzen.

Schließlich muß das einzige Argument widerlegt werden, das mindestens einen Schein von Gewichtigkeit hat. Man sagt, Paulus nenne nirgends Christus theos, Gott. (Es ist traurig aber wahr, daß die NWÜ in einem Appendix, der ihre Übersetzung von RÖMER 9:5 rechtfertigen soll, das im Brockhaus-Verlag herausgegebene Theologische Begriffslexikon zum Neuen Testament zitieren kann: „Doch kommt diese Hoheitsbezeichnung (nämlich Gott, B.P.) bei Paulus sonst nicht vor, so daß die Erklärung viel wahrscheinlicher ist, daß hier eine Doxologie auf Gott vorliegt.“) Ich gebe als Antwort zunächst Cranfields Erläuterungen aus seinem Kommentar zum Römerbrief: „Gegenüber dem Einwand, daß es keine gesicherte Stelle gebe, in der Paulus Christus als theos bezeichnet, lassen sich Belege folgender Art anführen:

  1. Die Anwendung von Abschnitten aus der LXX, in denen kyrios für das Tetragramm steht, auf Christus (z.B. RÖMER 10:13);
  2. Das Akzeptieren der Rechtmäßigkeit, Christus im Gebet anzurufen (z.B. RÖMER 10:12-14);
  3. Sein Stellen Christi auf die gleiche Ebene mit Gott in Stellen wie RÖMER 1:7b;
  4. Seine parallelen Bezugnahmen auf Christus und Gott in RÖMER 8:35 und RÖMER 8:39;
  5. Seine Erwähnung Christi in PHILIPPER 2:6 als en morphä theou hyparchon (wobei er in Gestalt Gottes war)“ (Cranfield, S. 468).

Anzufügen wäre die eindeutigste Stelle, in der Paulus Gott und Christus direkt identifiziert: „Gott ist geoffenbart worden im Fleisch“ (1. TIMOTHEUS 3:16, KJV) und auch TITUS 1:3: „… die Predigt, die mir anvertraut ist nach dem Befehl Gottes, unsres Heilands“ (vgl. auch TITUS 2:13).

Für den bibelgläubigen Christen ist es ohnehin kein Argument, Paulus nenne Christus (angeblich) nie Gott. Der gleiche Geist, der Paulus inspirierte, inspirierte auch einen Johannes; und wie deutlich er von Jesus Christus als Gott spricht, haben wir in JOHANNES 1:1 und 20 bereits gesehen. Man vergleiche ferner 1. JOHANNES 5:20.

Einige Worte noch zum Argument, in verschiedenen Handschriften stehe nach to kata sarka ein Punkt: Die Satzzeichen sind in den frühen Handschriften so inkonseqent und so willkürlich gesetzt, daß sich damit nichts (oder auch alles) beweisen läßt. Es ist aber typisch für die ganze Art der NWÜ, daß sie in ihren Erläuterungen zu RÖMER 9:5 auch dieses Argument ins Feld führt. Ich biete ein von Cranfield angeführtes Beispiel:

„Es ist nicht zu rechtfertigen, daß man die Handschrift A zitiert als Stütze für ein Kolon nach sarka (wie das Nestle 1959 noch tat), angesichts der Tatsache, daß A einen ähnlichen Punkt mit Zwischenraum zwischen Christou und hyper in Vers 3 aufweist wie nach sarka in Vers 5, und auch zwischen sarka und hoitines (am Ende von Vers 3) und zwischen israelitai und hon hat.“

RÖMER 10:12-13

„Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über sie allzumal der eine Herr, reich für alle, die ihn anrufen. Denn ‘wer den Namen des Herrn wird anrufen, soll gerettet werden.’“

Im Vers 13 zitiert Paulus den Propheten Joel, der natürlich schrieb, daß, wer irgend den Namen Jahwes anrufe, gerettet werden würde. Offenkundig war Paulus – wie seither jeder wahre Christ – davon überzeugt, daß Jesus Christus niemand anders war, als eben der auch vom Propheten Joel genannte Jahwe. Von Vers 9 an geht eine zusammenhängende Argumentationskette bis zum Vers 13, wobei viermal hintereinander das jeweils nächste Glied der Kette mit einem „denn“ angefügt wird:

„Wenn du mit deinem Munde Jesus als Herrn bekennen und mit dem Herzen glauben wirst … wirst du gerettet werden.“ Dann erklärt Paulus das Gesagte näher und leitet es deshalb mit einem „denn“ ein: „Denn mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit.“ Auch das wird weiter erläutert: „Denn die Schrift (und das war für die auch jüdischen Empfänger dieses Briefes allein verbindlich) sagt: ‘Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.’“ Dann wird weiter erläutert: „Denn es ist kein Unterschied … derselbe Herr (von dem seit Vers 9 gesprochen wird) ist reich für alle, die ihn anrufen“. Auch das wird alttestamentlich belegt: „Denn jeder, der den Namen des Herrn (= Jahwes) anrufen wird, wird gerettet werden.“

Der Herr, von dem Paulus spricht, ist Jesus; Er ist der Herr, Der für alle reich ist, die Ihn anrufen; und jeder, der diesen Herrn anruft, wird gerettet, wie schon der Prophet Joel gesagt hatte. So können wir eigentlich der NWÜ ganz dankbar sein, daß sie die Identität von Jesus und Jahwe einwandfrei darstellt.

1. KORINTHER 1:2 (KJV)

„… der Gemeinde Gottes zu Korinth, den Geheiligten in Christus Jesus, den berufenen Heiligen samt allen denen, die den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen an jedem Ort, sowohl ihres als unseres Herrn.“

Hier übersetzt die NWÜ praktisch gleich. Es stellt sich damit die gleiche Frage: Will sie sagen, daß man außer zum alleinigen Gott entgegen dem direkten Gebot auch zu anderen „Göttern“ rufen darf? Sicher nicht; und doch weicht sie der sich ergebenden Konsequenz aus: Wenn man zu Jesus Christus als Herrn betet, dann ist Er der alleinige und ewige Gott.

KOLOSSER 1:15-18

„Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes; der Erstgeborene vor allen Kreaturen. Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Reiche oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Und … er, der der Anfang ist, …, auf daß er in allen Dingen der Erste sei.“

Der mit denn eingeleitete zweite Satz erklärt, was im vorhergehenden Satz steht, wie die dort gebrauchten Ausdrücke „Bild des unsichtbaren Gottes“ und „Erstgeborener aller Schöpfung“ zu verstehen seien. Und er sagt nun, daß Jesus Christus alles, „Sichtbares wie Unsichtbares„, Himmlisches wie Irdisches, geschaffen habe. Wenn dem so ist, dann ist der „Erstgeborene aller Schöpfung“ niemand anders als der Schöpfer selbst. Und dann bedeutet dieser Titel, daß er als Schöpfer selbst in Seine Schöpfung eingetreten ist, daß Er aber – da Er die Gestalt eines Geschöpfes angenommen hat – notwendigerweise den Vorrang (denn das bezeichnet der Ehrentitel prototokos, siehe 1. MOSE 49:3) in der Schöpfung innehat. Somit haben wir hier ein wunderbares Bekenntnis sowohl der Gottheit Jesu Christi als auch der herrlichen Tatsache Seiner Menschwerdung. Die NWÜ nun zerstört all das durch eine mutwillige, durch nichts – wirklich nichts! – zu begründende Einfügung. Sie übersetzt (eigentlich verdient sie dieses Verb nicht):

„Durch ihn sind alle anderen Dinge … erschaffen worden … Alle anderen Dinge sind durch ihn und für ihn erschaffen. Auch ist er vor allen anderen Dingen …“

Das ist zunächst einmal skandalös; und es zeugt gleichzeitig von der verzweifelten Hilflosigkeit, in die das verbissene Vorurteil, Jesus Christus dürfte nicht Gott sein, die Herausgeber der NWÜ stürzt. Weil es ganz einfach nicht sein darf, daß Er uneingeschränkt vor allen ist, muß man hier am Text in verantwortungsloser Weise herummanipulieren. Wohl setzt man die oben von mir kursiv hervorgehobenen Zusätze in eckige Klammern, um damit anzuzeigen, daß andere im griechischen Text nicht steht. Die NWÜ versucht dann dem Leser dadurch Sand in die Augen zu streuen, daß sie in der Fußnote den unerlaubten Zusatz mit dem Verweis rechtfertigen will: „wie in LUKAS 11:41-42„. Das macht ganz den Eindruck seriösen Umgangs mit dem Text. Liest man nun diese Stelle nach, ergibt sich nichts, was die Version der NWÜ stützen würde. Offensichtlich will die NWÜ nichts anderes als den Eindruck erwecken, daß ein sklavisch wörtliches Übersetzen dieses Abschnittes nur von sprachlicher Inkompetenz zeuge; wer wirklich Griechisch könne, wisse eben, daß dieses alles eigentlich alles andere bedeuten müsse. Die NWÜ kann ja getrost damit rechnen, daß einmal die wenigsten sich die Mühe machen, in LUKAS 11 nachzulesen, und daß erst recht die allerwenigsten Leser dieses Machwerkes Griechisch können.

Das hier angeführte Beispiel zeigt, mit welcher berechnenden Verschlagenheit die Herausgeber der NWÜ an ihr Werk gegangen sind.

KOLOSSER 2:9

„Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.“

Wenn die ganze Fülle der Gottheit in Christus wohnen kann, dann muß Er Gott selbst sein, denn wer sonst vermöchte Gott in Seiner Fülle zu fassen? Salomo bekannte einst „Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen“ (1. KÖNIGE 8:27). Nichts Geschaffenes vermag den Schöpfer zu fassen, weder das Haus, das Salomo gebaut hatte, noch ein Engel, noch sonst ein Geschöpf. Nur der Schöpfer selbst kann die ganze Fülle, pan to pläroma, enthalten. Mithin bezeugt hier der Kolosserbrief erneut in unmißverständlicher Weise die Gottheit Jesu Christi.

Wie wird nun die NWÜ mit dieser Stelle fertig? Sie übersetzt:

„Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der göttlichen Wesensart körperlich“ und gibt dann in der Fußnote zu verstehen: „göttlichen Wesenart“, wörtlich „Göttlichkeit“, gr. theotetos, lat. divinitatis.

Theotäs bedeutet nicht bloß „göttliche Wesensart“, sondern eben „Gottheit“. Das Wort kommt im NT nur an dieser Stelle vor. Es ist, wie man leicht erkennt, von theos, Gott, abgeleitet. Ein ebenfalls von theos abgeleitetes und nur einmal belegtes, diesem sehr ähnliches Wort, ist theiotäs, das in RÖMER 1:20 vorkommt. Letzteres ist freilich nur indirekt von theos, direkt aber von theios abgeleitet, was „göttlich“, „gottgleich“ bedeutet. Es wird von Paulus in seiner berühmten Rede auf dem Areopag gebraucht, wo er den Athenern sagt, sie sollen nicht denken to theion, das Göttliche, sei irgendeinem Kunstwerk der Menschen gleich. In RÖMER 1:20 lesen wir, daß der Mensch angesichts der Schöpfung auch ohne Offenbarung die ewige Kraft und die Göttlichkeit des Schöpfers erkennen kann. Die Schöpfung ist mithin eine Ausstrahlung eben der Göttlichkeit des Schöpfers.

Nun aber sagt Paulus in KOLOSSER 2:9 eben nicht, Christus besitze eine ebensolche Ausstrahlung von Göttlichkeit (theiotäs), daß man aufgrund Seiner Person auf Gott schließen könne. Nein, die ganze Fülle der Gottheit (theotäs) wohnt in Ihm; alles, was Gott ist, ist Er. Um das ganz deutlich zu unterstreichen, sagt Paulus erstens die Fülle und zweitens der Gottheit, eben nicht der Göttlichkeit wie in Römer 1, wohne in Ihm. Ich zitiere an dieser Stelle aus W.E. Vines Expository Dictionary of New Testament Words:

„In RÖMER 1:20 legt der Apostel dar, wieviel man von Gott erkennen kann auf Grund Seiner Selbstoffenbarung in der Natur, angesichts jener Spuren Seiner Selbst, die Menschen allenthalben in der sie umgebenden Welt erkennen können. Durch diese Hilfen aber kann niemand den persönlichen Gott (als Retter, B.P.) kennenlernen; Er kann nur durch die Offenbarung Seiner Selbst im Sohn erkannt werden; … Aber im zweiten Abschnitt (KOLOSSER 2:9) sagt Paulus, daß die ganze Fülle der absoluten Gottheit im Sohn wohnt. Es waren dies nicht lediglich Strahlen göttlicher Herrlichkeit, die Ihn umgaben und Seine Person für eine Zeit mit einem Glanz erhellten, der nicht Sein eigener war; vielmehr war und ist Er der absolute und vollkommene Gott; und der Apostel verwendet theotäs, um diese wesenhafte und personhafte Gottheit des Sohnes zu bezeichnen.“

1. TIMOTHEUS 3:16 (KJV)

„Und kündlich groß ist das gottselige Geheimnis: Gott ist geoffenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.“

Die meisten neueren Übersetzungen lassen „Gott“ aus und sagen: „Er (= Christus) ist geoffenbart worden im Fleisch …“ So auch die NWÜ. Die neutestamentliche Lehre, daß Jesus niemand anders war als Gott im Fleisch, lehrt bereits Johannes (JOHANNES 1:1-3,14). Ich denke, daß Paulus hier das gleiche sagt, wie eine Anzahl Handschriften und deshalb die älteren Übersetzungen (King James, Luther, Elberfelder) bezeugen. Die Syntax erfordert fast zwingend ein Subjekt wie ho theos. Den Satz einfach mit einem Relativpronomen hos, „welcher“, zu beginnen, ohne daß von Christus im gegebenen Zusammenhang gesprochen worden ist, ist syntaktisch fast unmöglich.

Man hat es so erklären wollen, daß Paulus ein in der Gestalt eines Hymnus gefaßtes, allgemein bekanntes Credo wiedergibt. Deshalb könne er es so unvermittelt mit diesem syntaktisch auf nichts bezogenen Relativpronomen hos beginnen. Warum das nun ein Hymnus oder offizielles Glaubensbekenntnis sein soll, will nicht ohne weiteres einleuchten. Sprachlich zwingt nichts zu dieser Annahme. Aufzählungen dieser Art sind bei Paulus häufig (man vergleiche RÖMER 11:33-36). Was mir aber gewichtiger erscheint, ist die Abneigung, die neutestamentlicher Glaube und neutestamentlicher Gottesdienst gegen alles Formale und Rituelle haben. Mir scheint daher ein formales Credo schlecht zum Wesen des Neuen Testaments zu passen.

Noch eine textkritische Bemerkung: in den Handschriften wird theos, Gott, sehr häufig in der abgekürzten Form ths geschrieben, was sich in griechischer Orthographie nur in einem zusätzlichen Strich von hos, welcher, unterscheidet. So ist es sehr gut denkbar, daß ein Abschreiber theos als hos auffaßte und es so versehentlich in den Text geriet.

TITUS 1:3 und TITUS 2:13

In TITUS 1:3 (KJV) lesen wir: „… durch die Predigt, die mir anvertraut ist nach dem Befehl Gottes, unsers Retters.“ Hier spricht Paulus von Jesus Christus; denn der Sohn war es, Der Paulus beauftragte, nicht der Vater. So sagt Jesus zu Seinen Jüngern nach der Auferstehung: „Gleichwie der Vater mich gesandt hat, sende ich euch“ (JOHANNES 20:18), dann: „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium“ (MARKUS 16:15). Er sendet Paulus mit den Worten aus: „Gehe hin, denn ich werde dich ferne unter die Heiden senden“ (APOSTELGESCHICHTE 22:21) usw.

Der Titusbrief verwendet den Titel „Retter“ wiederholt: „Gnade und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Retter“ (TITUS 1:4; KJV); „auf daß sie die Lehre, die unseres Retters ist, zieren in allem“ (TITUS 2:10; KJV); „… erwartend die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Jesus Christus“ (TITUS 2:13; KJV); „… durch Jesus Christus, unseren Retter“ (TITUS 3:6; KJV). Es gibt nur einen Retter, Jesus Christus (vgl. MATTHÄUS 1:21). Nur in einem Namen ist Errettung, im Namen Jesu Christi (vgl. APOSTELGESCHICHTE 4:12). Dieser Retter ist, wie das Alte Testament übereinstimmend lehrt, Gott selbst: „Ich, ja ich bin der Herr, und außer mir ist kein Retter“ (JESAJA 43:11; KJV). Und genau das sagt TITUS 2:13 (KJV): „Erwartend die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unsres Retters Jesus Christus.“ Unser Gott und Retter Jesus Christus wird eines Tages in Macht und Herrlichkeit erscheinen.

Wie nun versucht die NWÜ das Offensichtliche zu verhüllen? Sie übersetzt wie folgt:

„Während wir auf die beglückende Hoffnung und das Offenbarwerden der Herrlichkeit des großen Gottes und (des) Retters von uns, Christus Jesus, warten.“ Wenn man sich deutsch so gekünstelt ausdrückt, dann muß man damit etwas Besonderes beabsichtigt haben. Was soll die schwerfällige, durch den griechischen Text gar nicht geforderte Wendung „des großen Gottes und (des) Retters von uns“, und warum vor allem dieser eingefügte Artikel, der deshalb in Klammern gesetzt wird, weil er im Griechischen nicht steht? In einem Appendix klärt uns die NWÜ auf. Nachdem der Appendix zu erklären versucht hat, daß der griechische Text trotz fehlenden Artikels vor „Retter“ den von ihm gebotenen Sinn haben kann, läßt sie die Katze aus dem Sack und sagt abschließend: „Demgemäß werden in TITUS 2:13 zwei verschiedene Personen, Jehova Gott und Jesus Christus, erwähnt. In der gesamten Heiligen Schrift kann Jehova nicht mit Jesus gleichgesetzt werden, als wären sie ein und dieselbe Person.“ Ein theologisches Vorurteil hat die Übersetzung veranlaßt, nicht etwa sprachliche Treue.

Nun operiert der Anhang in gewohnter Manier mit Zitaten aus griechischen Grammatiken, mit Angaben von Bibelstellen, um so den Eindruck seriösen Umgangs mit dem griechischen Text zu erwecken.

So gibt sie eine Reihe von Bibelstellen an, in denen angeblich ihre Übersetzung von TITUS 2:13 gestützt werden soll. Geht man diesen, wie einer großen Anzahl anderer, aber wirklich nach – damit rechnen die Herausgeber der NWÜ ja nicht – stellt man fest, daß die deutsche Wiedergabe der NWÜ unbegründet, ja gemäß neutestamentlichem Sprachgebrauch unhaltbar ist. Daran ändert die Tatsache, daß leider etliche Übersetzungen hier der NWÜ folgen, nichts.

Es wird nun in besagtem Anhang gesagt: „An dieser Stelle finden wir zwei Substantive, die durch kai, ‘und‘, verbunden sind: dem ersten Substantiv geht der bestimmte Artikel tou, ‘des‘, voraus, das zweite Substantiv steht ohne bestimmten Artikel … Wenn zwei unterschiedliche Personen durch kai verbunden sind und der ersten Person der bestimmte Artikel vorausgeht, so ist es nicht notwendig, den bestimmten Artikel vor der zweiten Person zu wiederholen.“

Unser Satz lautet griechisch tou megalou theou kai sotäros hämon Jesou Christou. Es ist richtig, daß vor Gott der Artikel steht, vor „unser Retter Jesus Christus“ hingegen nicht. Nun weist das Fehlen des Artikels vor dem zweiten Hauptwort aber genau auf die Identifikation der beiden genannten hin. Dafür lassen sich zahllose Beispiele anführen. Eine stehende Formel ist „der Gott und Vater“, wo der Artikel regelmäßig fehlt vor „Vater“ (RÖMER 15:6; 1. KORINTHER 15:24; 2. KORINTHER 1:3, 2. KORINTHER 11:31; GALATER 1:4; EPHESER 5:20; PHILIPPER 4:20; 1. THESSALONICHER 1:3, 1. THESSALONICHER 3:11,13; JAKOBUS 1:27; OFFENBARUNG 1:6).

In einem kurzen Aufsatz macht A.T. Robinson auf eine monumentale Untersuchung von Granville Sharp aus dem Jahre 1798 aufmerksam, in der Sharp zum Ergebnis kommt: „Wenn die Kopula kai zwei Hauptwörter im gleichen Fall miteinander verbindet … und der Artikel ho (in einem beliebigen Fall) dem ersten der beiden Hauptwörter voransteht und vor dem zweiten nicht wiederholt wird, dann bezieht sich letzteres immer auf die durch das erste Hauptwort ausgedrückte Person, d.h. es stellt eine weitere Beschreibung der erstgenannten Person dar.“

Nachdem Sharp mehrere tausend Beispiele des Typus „der Apostel und Hohepriester unseres Bekenntnisses“ (HEBRÄER 3:1; auch hier steht nur vor dem ersten Hauptwort der Artikel) untersucht hat, ist er nicht auf eine einzige Ausnahme gestoßen. Dabei hält er fest, daß die Regel nicht für Hauptwörter in der Mehrzahl oder für Eigennamen gilt. (Weshalb die von NWÜ angeführten Gegenbeispiele MATTHÄUS 21:12 und APOSTELGESCHICHTE 13:50 und APOSTELGESCHICHTE 15:22 nicht einschlägig sind.)

Nun bietet das Neue Testament etliche andere Wendungen, die der von TITUS 2:13 syntaktisch und sachlich vollkommen identisch sind. So lesen wir in 2. PETRUS 1:11 (KJV) „unser Herr und Retter Jesus Christus“; wörtlich gleich in 2. PETRUS 2:20 (KJV). Es würde niemand in den Sinn kommen zu sagen, es handle sich hier um zwei verschiedene Personen, weil der Artikel vor dem zweitgenannten Hauptwort fehlt. Deshalb ist das auch für 2. PETRUS 1:1 ausgeschlossen, wenn Petrus dort von „unserem Gott und Retter Jesus Christus“ spricht.

Nun zitiert die NWÜ die Grammatik von Blaß/Debrunner (Paragraph 276,3), um wiederum den Anschein zu wecken, ihre Übersetzung werde durch dieses zu Recht angesehene Werk gestützt. Was zitiert wird, sagt erstens einmal nichts zur von der NWÜ gewünschten Übersetzung, und zweites sprechen sich Blaß/Debrunner im gleichen (von der NWÜ natürlich nur teilweise zitierten!) Paragraphen gegen die Ausführung der NWÜ aus. Wir lesen dort nämlich: „Umgekehrt gibt es Fälle genug, wo auch bei gleichem Genus und Numerus die Wiederholung des Artikels notwendig oder angemessener ist: APOSTELGESCHICHTE 26:30: ho basileus kai ho hägemon (verschiedene Personen).“

Dann beruft sich die NWÜ (indirekt) auch auf die in der englischsprachigen Welt maßgebliche Grammatik von Winer. Winer hat nun tatsächlich TITUS 2:13 im Sinne der NWÜ gedeutet. Das Interessante an der Sache aber ist, daß er das, wie er selbst zugibt, nicht aus sprachlichen, sondern aus theologischen Erwägungen tat. In seiner von Moulton herausgegebenen Grammatik schreibt er in der Fußnote: „Mit den obigen Anmerkungen wollte ich nicht leugnen, daß rein grammatikalisch sotäros als ein zweites, ebenfalls vom Artikel tou abhängiges Prädikat angehen werden kann; aber die dogmatische, den Schriften des Paulus entnommene Überzeugung, daß dieser Apostel Christus nicht den Großen Gott genannt haben konnte, führte mich dazu zu zeigen, daß uns von der Grammatik her nichts hindert, den Satz kai sotärosChristou als isolierte, zu einem zweiten Subjekt gehörige Aussage aufzufassen.“

Wenn man schon sprachlich argumentiert, dann darf man natürlich nicht seine persönliche Theologie die Grammatik präjudizieren lassen. Darum hat Schmiedel in der von ihm herausgegebenen Revision der Grammatik Winers dessen Irrtum offen eingestanden und zu 2. PETRUS 1:1 gesagt: „Die Grammatik fordert, daß hier eine Person gemeint ist.“ (Das gleiche gilt selbstverständlich für TITUS 2:13, auch für 2. THESSALONICHER 1:12.)

HEBRÄER 1:5-9

„Denn zu welchem der Engel hat Gott jemals gesagt: ‘Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt’? und abermals: ‘Ich werde sein Vater sein, und er wird mein Sohn sein’? Und wiederum, da er den Erstgeborenen in die Welt einführt, spricht er: ‘Und es sollen ihn alle Engel Gottes anbeten.’ Von den Engeln heißt es: ‘Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen’, aber von dem Sohn: ‘Gott, dein Thron währt von Ewigkeit zu Ewigkeit’, und: ‘Das Zepter der Gerechtigkeit ist seines Reiches Zepter. Du hast geliebt die Gerechtigkeit und gehaßt die Ungerechtigkeit; darum hat dich, o Gott, gesalbt dein Gott mit dem Öl der Freude wie keinen anderen neben dir!’“

Daß die Summe der Aussagen dieser Verse genau die ist, daß der Sohn Gottes im Gegensatz zu den Engeln kein Geschöpf, sondern Gott selbst ist, wird durch die wiederholte Gegenüberstellung überdeutlich gezeigt. Der Vers 5 spricht vom inneren Verhältnis zwischen dem Vater und dem Sohn, einem Verhältnis, das kein Geschöpf zu Gott haben kann, nicht einmal Engel. Der Vers 6 dann sagt, daß alle Engel Ihn anbeten müssen; auch das eine Aussage, die Seine Gottheit unter streichen soll, denn: Wen außer Gott dürfen und werden Engel je anbeten? Sodann spricht der Vers 7 von den Engeln, die Diener sind; demgegenüber sagt der Vers 8, daß der Sohn einen Thron hat, daß Er also der Gebieter jener Diener ist.

Die Verse 11 und 12 fahren dann fort und zeigen, daß der Sohn – von dem die ganze Zeit die Rede ist – der Herr ist, Der im Anfang (vgl. 1. MOSE 1:1 und JOHANNES 1:1-3) alles geschaffen hat und darum bleibt, also der Ewige ist (vgl. HEBRÄER 13:8), während alle geschaffenen Dinge untergehen werden, also vergänglich sind. Die Verse 13 und 14 sagen erneut, daß die Engel Diener sind, daß Gott aber zu Seinem Sohn gesagt hat, sich zu Seiner Rechten zu setzen. Mithin ist der Sohn wie gesagt Gebieter. Und schließlich: Die Engel stehen vor Gott und sind Ihm beständig zu Diensten; Er aber hat sich als einzige Person im Universum auf den Thron gesetzt. Für die jüdischen Empfänger dieses Briefes war vielleicht gerade letzterer Hinweis der eindrücklichste. Sie waren vom Alten Testament her gewohnt, daß im Himmel nur Gott sitzt. Alle Seine Diener – seien es die Engel im Himmel oder Menschen auf der Erde – stehen vor Ihm (1. KÖNIGE 22:19; HIOB 1:6; PSALM 117:1; JESAJA 6:1-2).

Wie nun versucht die NWÜ mit diesen Aussagen fertigzuwerden? Zunächst versucht sie den Vers 6 abzuschwächen: „Alle Engel Gottes sollen Ihm huldigen.“ Obwohl das eigentlich schon genügte, um die Gottheit Jesu Christi zu belegen, so wählt man doch das schwächere und unbestimmtere „huldigen“, weil man sich unter Umständen noch denken könnte, daß man auch einem Geschöpf huldigt, was man vom „anbeten“ nie sagen kann.

„In bezug auf den Sohn: Gott ist dein Thron für immer und ewig.“ Das ist nun offenkundiger Unsinn; denn was soll das heißen, daß Gott der Thron des Sohnes sei? Soll sich der Sohn auf Gott setzen? Aber so weit werden die wenigsten Zeugen des Wachturmes denken, und so kann sich die NWÜ getrost genügen lassen, mit welchen sprachlichen Kniffen oder inhaltlichen Mißgriffen auch immer, das biblische Zeugnis von der Gottheit Jesu Christi zu verhüllen.

Nun hat man einwenden wollen: Im Griechischen müßte ein Vokativ, der Fall der persönlichen Anrede, stehen, wenn der Vers 8 wirklich bedeuten sollte, daß Gott der Vater Seinen Sohn anspricht und sagt: „Dein Thron, o Gott …“ Dazu muß ein Zweifaches gesagt werden:

1. Der Vokativ wird im neutestamentlichen Griechisch im Gegensatz zum klassischen Griechischen häufig durch den Nominativ ersetzt. So übersetzt Markus den hebräischen Ruf des Herrn am Kreuz griechisch mit ho theos mou, ho theos mou. Es steht also wie in HEBRÄER 1:8 (und auch HEBRÄER 10:7) der Artikel ho an der Stelle, wo beim Vokativ sonst die Anredepartikel o stehen müßte (so auch in LUKAS 18:11) und statt des Vokativs der Nominativ. Auch unser Herr sprach Seine Mutter mit bloßem gynai, „Frau“, an und ließ dabei die klassisch griechische für den Vokativ geforderte Anredepartikel o weg (JOHANNES 2:4).

Zu dem kommt, daß HEBRÄER 1:8 (wie HEBRÄER 10:7) ein alttestamentliches Zitat ist, das der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des AT, entnommen ist. Im Griechischen der Septuaginta ist der Vokativ ohnehin äußerst selten; daher steht hier der Nominativ. Somit haben wir weder aufgrund der fehlenden Vokativ-Artikel o noch der fehlenden Vokativendung sprachliche Ursache – von den noch viel stärkeren sachlichen Gründen ganz zu schweigen -, unseren Vers anders als dargeboten zu übersetzen.

1. JOHANNES 5:20

„Wir wissen aber, daß der Sohn Gottes gekommen ist und hat uns einen Sinn dafür gegeben, auf daß wir erkennen den Wahrhaftigen. Und wir sind in dem Wahrhaftigen, in seinem Sohn Jesus Christus. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben.“

Die NWÜ übersetzt: „Wir wissen aber, daß der Sohn Gottes gekommen ist, und er hat uns verstandesmäßig befähigt, den Wahrhaftigen zu erkennnen. Und wir sind in Gemeinschaft mit dem Wahrhaftigen durch seinen Sohn Jesus Christus. Dies ist der wahre Gott und ewiges Leben.“

Hier wird der griechische Text entstellt wiedergegeben. Die beiden Wendungen „in dem Wahrhaftigen“ und „in seinem Sohn“ stehen parallel und sind identisch strukturiert. Wenn en to aläthino bedeutet „in dem Wahrhaftigen“ (in Gemeinschaft mit dem Wahrhaftigen ist eine unerlaubte Hinzufügung durch die NWÜ; das Wort „Gemeinschaft“ kommt im griechischen Text überhaupt nicht vor), dann bedeutet auch en to hyio autou „in seinem Sohn“, keinesfalls „durch seinen Sohn“. Sollte letzteres die richtige Bedeutung sein, dann müßte statt der Präposition en = in die Präposition dia = durch stehen; allenfalls ein bloßer Dativ (to hyio autou). Die Absicht hinter diesem faulen Kunstgriff ist evident: Wenn wir so übersetzen, wie der griechische Text fordert, dann ergibt sich zwingend: „Wir haben den Wahrhaftigen erkannt, und wir sind dadurch in diesem Wahrhaftigen, nämlich im Sohn Gottes. Dieser ist niemand anders als der wahre Gott und das ewige Leben.“

Dieses ist neben JOHANNES 1:1-3 das vielleicht unmißverständlichste Zeugnis zur Gottheit Jesu Christi.

Daß Johannes genau das sagen wollte, wird durch die Begriffe „der Wahrhaftige“ und „das ewige Leben“ bestätigt. Dreimal insgesamt nennt Johannes den Sohn Gottes „den Wahrhaftigen“, griechisch ho alethinos, nämlich außer hier noch in OFFENBARUNG 3:7 und OFFENBARUNG 19:11. Er nennt aber Gott den Vater nie bloß „den Wahrhaftigen“. Einmal verwendet Johannes den Ausdruck „der wahrhaftige Gott“ für den Vater (JOHANNES 17:3; KJV); und einmal spricht Paulus vom „lebendigen und wahrhaftigen Gott“ (1. THESSALONICHER 1:9). Aber „der Wahrhaftige“ bezeichnet immer den Sohn. Darum bedeutet „den Wahrhaftigen erkennen“ und „in dem Wahrhaftigen sein“ den Sohn erkennen und in dem Sohn sein.

Sodann ist nicht der Vater das ewige Leben, sondern ganz entschieden wiederum der Sohn. Von Ihm wird bezeugt: „In ihm war Leben“ (JOHANNES 1:4). Er sagt von sich: „Ich gebe ihnen das ewige Leben“, und: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (JOHANNES 11:25), und schließlich: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Darum kann der Satz „Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben“ niemand anders als den Sohn bezeichnen.

OFFENBARUNG 3:14

„Das sagt, der da Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes.“

Aufgrund dieses Verses hat man sagen wollen, Jesus Christus sei das erste Geschöpf Gottes. Aber gerade das steht nicht hier; Er ist der Anfang = der Urheber der Schöpfung, das heißt der Schöpfer.

Wenn der Mensch fragt, woher die Schöpfung komme, was an deren Anfang stehe, dann antwortet die Bibel entgegen heutigem Zeitgeist: nicht die Materie, nicht eine Ursubstanz, sondern Gott. Jesus Christus ist der Anfang aller Schöpfung.

Das im Griechischen verwendete Wort ist arché. Das ist genau der Begriff, den griechische Philosophen verwendeten, wenn sie vom Urgrund aller Existenz sprachen. Wenn nun griechisches (und heutiges) Heidentum etwa sagte, die arché aller Dinge sei zum Beispiel Wasser (so nach Thales, so auch nach den alten Ägyptern), oder Luft (so nach Anaximenes), dann antwortet die Bibel: Eine Person ist die arché, ist Anfang und Ursprung aller Schöpfung: Jesus Christus. Er hat alles geschaffen, was wir um uns sehen. Ja, Er hat sogar alles geschaffen, was wir nicht sehen, wie der Kolosserbrief sagt (siehe oben).

von Benedikt Peters

Kommentare

  1. ali

    Der Herr Jesus erwähnt in Johannes 4 nicht nur die Anbetung des Vaters, sondern Er spricht unmittelbar danach auch über die Anbetung von Gott als solchem:” Gott ist ein Geist, und die ihn (d.i. Gott) anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten” (Vers 24). In der Anbetung Gottes ist auch die Anbetung des Herrn Jesus mit eingeschlossen, denn Er ist der Sohn Gottes – Gott, der Sohn. Er ist so vollkommen eins mit dem Vater (Johannes 10,30), dass alles, was dem Vater gehört, auch dem Sohn gehört, und umgekehrt (Kap. 17,10); dass man den Vater nicht haben kann, wenn man den Sohn leugnet (l. Johannes 2,23). In Titus 2 wird von der Herrlichkeit “unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus” gesprochen (Vers 13) – eine Beschreibung der Person und des Wesens Christi, die auch Petrus zu Beginn seines zweiten Briefes benutzt (Kap. 1,1). Jesus Christus ist unser Gott und Heiland. Wie beglückt uns das!

    Keine Frage also, dass der Herr Jesus Gott ist, wahrer Gott und wahrer Mensch in einer Person. Jeder, der Leben aus Gott besitzt und “in der Lehre des Christus bleibt” (2. Johannes 9), hält das im Glauben aufrecht. Weil Er aber Gott ist, hat Er Anspruch auf die Anbetung seitens des Menschen, seines Geschöpfes. Selbst als Er in menschlicher Gestalt auf der Erde weilte, wurde Er wiederholt von Menschen angebetet, ohne dass Er dem auch nur im geringsten gewehrt hätte (vgl. Matthäus 2, 11; 8,2; 9,18; 28,9; Johannes 20,28). Als Johannes auf Patmos die richterliche Gestalt des Herrn Jesus sah, fiel er wie tot zu Seinen Füßen (Offenbarung 1, 17), und der Herr richtete ihn wieder auf. Aber als er später zweimal zu den Füßen des Engels, der ihm “diese Dinge” zeigte, niederfiel, um diesen anzubeten, wehrte ihm der Engel entschieden mit den Worten: “Siehe zu, tue es nicht. Ich bin dein Mitknecht und der deiner Brüder, die das Zeugnis Jesu haben; bete Gott an!” (Offenbarung 19,10; 22,8).

    In Hebräer 1 redet Gott selbst seinen Sohn mit Gott an: “Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit” (Vers 8), und zwei Verse vorher gebietet Er den Engeln in bezug auf seinen Sohn: “Und alle Engel Gottes sollen ihn anbeten.” Gewiss bezieht sich das auf die noch zukünftige Zeit, wenn Gott den Erstgeborenen wiederum in den Erdkreis einführt, auf das Tausendjährige Reich. Aber was dann richtig ist, ist auch heute richtig. Gott ist stets darauf bedacht, dass sein Sohn geehrt werde. Das finden wir überall im Neuen Testament. Und dies sind die Worte des Sohnes:”. – . auf dass alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt den Vater nicht, der ihn gesandt hat” (Joh 5,23).

    So wundert es uns nicht, wenn wir an vielen Stellen des Neuen Testaments Doxologien, Lobpreisungen Gottes, antreffen, die sich zum Teil direkt auf den Herrn Jesus beziehen. Der Apostel Petrus schließt seinen zweiten Brief mit solch einer Doxologie ab: “Wachset aber in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus. Ihm sei die Herrlichkeit, sowohl jetzt als auch auf den Tag der Ewigkeit! Amen.” Und wenn der Apostel Paulus die Tatsache beschreibt, dass der Christus dem Fleische nach aus Israel gekommen ist, bricht er unvermittelt in die Anbetung dieser hochgelobten Person aus, die eben unendlich mehr ist als ein Mensch: – . . welcher über allem ist, Gott, gepriesen in Ewigkeit. Amen” (Römer 9,15).

    Wenn uns jemand davon abhalten will, unseren Erlöser und Herrn anzubeten, so kann dahinter nur einer stehen – sein großer Widersacher, der Teufel. Um noch einmal auf die Stelle in 1. Johannes 2 zurückzukommen: Ungläubige Menschen reden oft von Gott, zuweilen sogar vom Vater, aber sie wollen den Sohn umgehen. Das offenbart nur, dass sie kein göttliches Leben haben. Doch Gott nimmt keine Ehre an, die nicht zugleich Seinem Sohn Jesus Christus gezollt wird. Der Sohn ist der Weg zum Vater – niemand sonst (Joh 14,6), und wer den Sohn nicht hat, hat auch den Vater nicht. Wer jedoch den Sohn bekennt, der hat auch den Vater. Unermessliches Vorrecht!

    Erschienen in: Ermunterung und Ermahnung

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