Wir dürfen niemals vergessen,
dass uns eine Unsumme vergeben wurde.
Deshalb dürfen wir nicht zögern,
anderen eine Schuld
quasi in Taschengeldhöhe zu vergeben,
wie uns der Herr im Gleichnis gebietet.
(Matthäus 18,23-25).
W.D.
„Eine Begebenheit, die mich sehr erschütterte, erlebte ein Bekannter von ihm im KZ: Er wurde vom Lagerleiter in ein Zimmer befohlen. Dort stand ein Tisch mit einem Gedeck. Der Lagerleiter erschien und ließ sich ein köstliches Essen servieren. Der Gefangene musste strammstehen und dem Essen des Lagerleiters zusehen. Am Schluss ließ dieser sich Kaffee bringen, holte ein Päckchen aus dem Schrank, öffnete es und aß genüsslich die Kekse, die der Gefangene von seiner Frau aus der Heimat geschickt bekam. Vor seelischen Schmerzen brach er fast zusammen und erbat nur einen Keks als Andenken an seine Frau. Der Lagerleiter lachte nur. In diesem Moment stieg ein großer Hass in ihm auf, der jedoch kurz darauf aufgelöst wurde von seinem starken Wissen: „Ich bin ja Gottes Kind, kann verzeihen und der arme Lagerleiter tut mir leid.“ Nach dem Krieg besuchte er diesen herzlosen Menschen. Dieser sagte: „Sie wollen sich wohl rächen.“ Der ehemalige Gefangene antwortete: „Ich möchte mit Ihnen Kaffee trinken und habe auch eine Torte mitgebracht.“ Wilhelm Busch
„Ein kleiner Junge, der seine Großeltern auf dem Lande besuchte, bekam eine Steinschleuder, um im Wald zu spielen. Er übte lange, traf jedoch nie sein Ziel. Etwas entmutigt machte er sich auf den Heimweg zum Mittagessen. Unterwegs sah er Großmutters Lieblingsgans. Aus einem Impuls heraus zielte er noch einmal im Vorbeigehen. Diesmal traf er. Die Gans war sofort tot. Er erschrak so sehr, dass er die Gans in seiner Panik nahm und in einem Holzstapel versteckte …, um dann festzustellen, dass seine Schwester alles beobachtet hatte. Sally sagte aber nichts.
Nach dem Mittagessen rief Großmutter: »Sally, hilfst du mir bitte beim Spülen.« Sally antwortete: »Aber Großmutter, Johnny hat mir gesagt, dass er dir heute in der Küche helfen möchte.
Nicht wahr, Johnny?« Und zu ihm flüsterte sie: »Denk an die Gans – sonst verrate ich dich.«
So spülte Johnny das Geschirr.
Später fragte Großvater, ob die Kinder mit ihm zum Angeln gehen wollten. Großmutter jedoch brauchte Sally, um das Abendessen vorzubereiten. Sally lächelte und sagte: »Das ist kein Problem, weil Johnny mir gesagt hat, dass er helfen möchte.« Und wieder flüsterte sie ihm zu: »Denk an die Gans.« So ging Sally angeln und Johnny blieb und half.
Nachdem Johnny nun schon einige Tage seine und Sallys Aufgaben erledigt hatte, hielt er es nicht mehr aus. Er bekannte der Großmutter, dass er ihre Gans getötet hatte. Sie kniete sich zu ihm hin und tröstete ihn: »Liebling, ich weiß. Ich stand am Fenster und habe alles gesehen. Weil ich dich liebe, habe ich dir vergeben.
Aber ich habe mich gefragt, wie lange du es zulässt, dass Sally einen Sklaven aus dir macht.«
Robert Heffler