Wir leben in einer ruhelosen Welt. Warum Christen den Anbetungslärm meiden sollten.

New York war wohl die erste Ansiedlung, die mit dem Prädikat «die Stadt, die nie schläft» versehen wurde. Inzwischen haben London, Saigon, Athen, Madrid und viele andere nachgezogen, die ihren Besuchern rund um die Uhr etwas bieten wollen. Die andere Seite dieser glänzenden Medaille ist das, was landläufig als Lärmverschmutzung bezeichnet wird. Stille Orte werden immer weniger. Laut einer Studie werden Menschen im chinesischen Guangzhou, der «Fabrik der Welt», aber auch in Delhi, Kairo oder Istanbul am häufigsten krank vom Lärm – in Zürich übrigens am wenigsten. Und dann lösen sich etliche dieser Menschen Sonntag für Sonntag aus ihrer lauten Umgebung, um in einen Gottesdienst zu gehen. Dort stossen sie auf riesige Lautsprecher, die sie als Besucher mit ihrem verstärkten Lobpreis in die Sitze drücken würden, wenn sie nicht fest genug stünden.

Nein, ich möchte jetzt nicht in die Diskussion einsteigen, ob Blockflöte und Orgel geistlicher sind als Gitarre und Schlagzeug. Aber ich frage mich, warum Stille so schwer auszuhalten ist, obwohl immer mehr Menschen sie vermissen und suchen. Das nimmt mich als Redaktor nicht aus: Nachdem mein Einstieg «stand», habe ich mir an dieser Stelle Musik angemacht…

Stille ist tatsächlich die Grundlage für jedes Gebet. Dieses beginnt ja nicht mit unserem Reden, sondern mit unserem Hören auf Gott. Er soll das erste Wort haben. Und das gilt gleichermassen fürs Beten wie fürs Lobpreisen, sogar fürs Predigen. Wenn Melodien oder Worte fehlen, ist das also keine Leere – obwohl es sich oft genau so anfühlt. Stille konfrontiert uns mit der eigenen inneren Stimme, sie konfrontiert uns mit Gottes Reden. Sie macht uns erst einmal verletzlich und entzieht uns die Kontrolle. Und damit öffnet Stille uns für Gott und seine Gegenwart.

Stille in Gottesdienst und Anbetung ist keine neue Erfindung kontemplativer Gottesdienstleiter. Sie ist ein klarer Befehl Gottes. «Seid still und erkennt, dass ich Gott bin», unterstreichen die Söhne Korahs in Psalm 46, Vers 11. Ähnliche Aufforderungen stehen an etlichen Stellen im Alten Testament. So beginnt Gott seinen Trost für Israel in Jesaja, Kapitel 41, Vers 1 mit der Aufforderung: «Hört mir schweigend zu…».

Hinter vielen Kernaussagen der Psalmen folgt ein besonderes Zeichen: Sela. Manche Bibelübersetzungen reduzieren es auf einen Schrägstrich (/), viele lassen es als «Sela» im Text stehen. Höchstwahrscheinlich war es ein Pausenzeichen für die Vorleser: ein verordneter Moment der Stille.

Manchmal wird Stille in der Bibel nicht befohlen, aber trotzdem als besondere Möglichkeit zur Gottesbegegnung beschrieben. Das Paradebeispiel dafür erlebte der Prophet Elia. Von Gott enttäuscht, floh er aus seinem Dienst und sass im wahrsten Sinne «im Loch». Doch er wollte die Gelegenheit nutzen, Gott zu begegnen. «Und siehe, der Herr ging vorüber; und ein grosser, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging vor dem Herrn her; der Herr aber war nicht in dem Wind. Und nach dem Wind kam ein Erdbeben; aber der Herr war nicht in dem Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der Herr war nicht in dem Feuer. Und nach dem Feuer kam die Stimme eines sanften Säuselns» (1. Könige, Kapitel 19, Verse 11-12). Klar, in dieser Stille begegnete Elia seinem Gott, nicht in den vorherigen Machtzeichen.

Den endgültigen Wert der Stille unterstreicht Johannes in seiner Offenbarung. Als Jesus, das Lamm Gottes, «das siebte Siegel öffnete, entstand eine Stille im Himmel, etwa eine halbe Stunde lang» (Offenbarung, Kapitel 8, Vers 1). Inmitten von Bildsprache und zukünftigen Ereignissen beschreibt Johannes eine Szene, die wohl einfach wörtlich zu nehmen ist. Eine grosse Menschenmenge lobt Gott – und ist dann 30 Minuten lang ruhig. Jesus.ch

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