Wunder sind ungewöhnlich – nicht unmöglich.

Wenn wir nicht mit dem Wunder rechnen, so nicht, weil es ein Ding der Unmöglichkeit ist, sondern weil es die Ausnahme bildet. (Orthodoxie, S.107)

Dieses Zitat stammt von Gilbert Keith Chesterton (1874 – 1936) und was er über Wunder und Wissenschaft sagte, hat mir sehr gut gefallen. Ich möchte vorab bemerken, dass Mr. Chesterton kein fundamentalistischer Evangelikaler war, sondern Katholik. Alle Zitate von ihm stammen aus einer Zeit, als er mit dem christlichen Glauben nichts am Hut hatte. Mr. Chesterton war ein wilder Denker, keine Frage.

Wunder vs. Wissenschaft?

Als bibeltreuer Christ glaube ich an die Wunder der Bibel. Ich gehe davon aus, dass das Volk Israel trockenen Fußes durchs Schilfmeer zog, dass Ägypten von zehn göttlichen Plagen heimgesucht wurde, dass Propheten Zukunftsereignisse voraussagten und das Henoch und Elia in den Himmel entrückt wurden. Um nur einige Beispiele zu nennen.

Wenn du mir allerdings weismachen möchtest, du habest eine 17 Meter lange Anakonda gesehen, dann glaube ich dir erst einmal kein Wort. Ich bin ein Riesenschlangenfan musst du wissen, deshalb dieses Beispiel. Zumindest würde ich dir solange nicht glauben, bis du mir einen Beweis lieferst.

Jetzt mag sich vielleicht der ein oder andere Leser fragen, was ich denn für ein verrückter Kerl bin. Wenn ich daran glauben kann, dass Gott ein paar tausend Mann starkes Volk in der Wüste mit Manna versorgt hat, sollte ich dann nicht auch ohne mit der Wimper zu zucken die Geschichte mit der Riesenschlange glauben können?Nun ja, ich möchte dir gerne erklären, warum ich so denke.

Meine Erfahrung ist mein Maßstab, basta!

Was den bibelkritischen Theologen dazu bringt die Wunder der Bibel als „unmöglich“ abzustempeln ist lediglich die Tatsache, dass ein Wunder die Abweichung von dem gewohnten ist, was er normalerweise erlebt und wovon er ausgeht, dass es sich nicht ändert. Nach seiner Erfahrung (und der von vielen anderen Menschen) fließt ein Fluss in seinem Bett unaufhörlich weiter. Er geht deshalb davon aus, dass es gar nicht anders sein könnte. Wenn im Buch Josua berichtet wird, dass der Jordan mitten im Flussbett aufhörte weiterzufließen, dann gibt es für ihn nur eine richtige und logische Erklärung dafür – die Geschichte entspricht nicht der Wahrheit!

Chesterton beschrieb seine Beobachtungen wie folgt:

Erstens stellte ich fest, daß sich die ganze moderne Welt dem wissenschaftlichen Fatalismus verschrieben hat und behauptet, alles sei so, wie es mit Notwendigkeit seit jeher war, sei in einer von Anfang an unfehlbaren Entfaltung begriffen. Das Blatt am Baum sei grün, weil es nie anders habe sein können. (Orthodoxie S.119)

Nach Chesterton glauben wir in erster Linie nicht an Wunder, weil sie die Ausnahme bilden – nicht weil sie an sich unmöglich sind.

In einem gewissen Sinn denke ich genau wie der bibelkritische Theologe, in Bezug auf die 17 Meter Anakonda. Ich glaube deshalb nicht an ein solches Wundertier, weil es die absolute Ausnahme wäre und allem widersprechen würde, was ich über diese Tiere gelesen habe und was die Wissenschaft bis heute herausgefunden hat.

Mit dem Schlangenbeispiel wollte ich dir zeigen, dass sich mein Glaube eben auch an wissenschaftlichen Erkenntnissen festmacht.

Allerdings gehe ich nicht von einer Annahme aus, welche viele moderne Wissenschaftler voraussetzen, nämlich, dass unsere Welt von unpersönlichen Naturgesetzten bestimmt wird, die sich niemals verändern.

Chesterton schrieb in Bezug auf seine Zeitgenossen:

Die großen Deterministen des 19. Jahrhunderts verwahrten sich entschieden gegen dieses innere Gefühl, es mit tauffrischen Ereignissen zu tun zu haben. Für sie hatte es im Gegenteil seit dem Anfang der Welt kein wirkliches Ereignis mehr gegeben. Nichts hatte sich mehr ereignet, seit sich das Dasein ereignet hatte; und wann das stattgefunden hatte, darüber waren sie sich ganz und gar nicht sicher. … Aber als ich dann nachfragte, stellte ich fest, daß die Betreffenden für diese Überzeugung von der unabwendbaren Wiederholung in den Dingen eigentlich gar keinen Beweis vorbringen konnten, außer der Tatsache, daß die Dinge sich wiederholten. Nun ließ die bloße Wiederholung die Dinge in meinen Augen nicht rationaler, sondern nur noch irrsinniger werden. (Orthodoxie, S.119-120)

Weil die Dinge so sind, wie sie sind, gehen wir davon aus, dass es in der Vergangenheit immer so war und es in der Zukunft immer so sein wird. Ohne Ausnahme der Regel, sprich ein Wunder. Es wird angenommen, dass wir die logischen Zusammenhänge in der Natur beobachten und verstehen würden. Doch auch hier zeigt Chesterton unsere falsche Sichtweise auf:

Nur so kann ich in Worte fassen, was ich klar und deutlich gewahre: daß eins vom anderen völlig getrennt ist, daß es  zwischen Fliegen und Eierlegen keinen logischen Zusammenhang gibt.  Wer von einem „Gesetz“ redet, das er nie gesehen hat – der ist der Mystiker. Besser gesagt, der normale Wissenschaftler ist nichts weiter als ein Gefühlsmensch. Er ist Gefühlsmensch in dem entscheidenden Sinne, daß er sich von gefühlsmäßigen Assoziationen übermannen und mitreißen lässt. Er hat so oft Vögel fliegen und Eier legen sehen, daß er das Gefühl hat, es müsse irgendeine träumerische, zarte Verbindung zwischen den beiden Phänomenen geben, obwohl es die gar nicht gibt. (Orthodoxie S.108)

Viele Dinge ergeben für uns nur einen Sinn, weil wir es nicht anders gewohnt sind oder anders kennen. Wer noch nie aus seiner eigenen Kultur herausgekommen ist, der kann sich gar nicht vorstellen, dass man viele Dinge auch ganz anders machen könnte. Deshalb ergeben viele Verhaltensweisen von Menschen aus anderen Kulturen für uns absolut keinen Sinn und wir lachen über sie (und sie über uns). Das Problem dabei ist nur, dass wir unsere Erfahrung zum Maßstab alles Richtigen und Möglichen machen! Ihr anderes Verhalten erscheint uns sonderbar, oder sollte ich vielleicht besser sagen wunderbar? Ich weiß wovon ich spreche, denn ich versuche gerade mich in einer fremden Kultur einzuleben. Oftmals erlebe ich Dinge, bei denen meine erste Reaktion ist: Das ist absolut unglaublich! Und dennoch entspricht es der Realität, denn ich sehe die Dinge mit meinen eigenen Augen.

Sind Wunder also möglich oder nicht; zu welchem Schluss kommen wir?

Wunder sind ungewöhnlich – nicht unmöglich

Unsere Welt mit ihren Naturgesetzten, die es zweifellos gibt, scheint uns so vertraut, dass wir mit keiner krassen Abweichung rechnen. Wir leben mit den ständig wiederkehrenden Jahreszeiten, wir feiern Geburtstage und beklagen die Toten. Dazwischen gehen wir arbeiten und vergnügen uns. Nichts scheint diesen Trott zu stören.“ schriftgelehrt.de/wunder/#more-260

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