»Zu allererst haben wir Gott zu dienen«: Wunderbares Interview mit Liedermacher Oliver Seitz

TheoBlog: Die Lieder auf Deiner CD »Mein nächster Atemzug« zeugen von Tiefgang und von Deinem Glauben. Warum willst Du von Jesus Christus erzählen?

Oliver: Ich bin kein »Gemeindekind« gewesen und komme auch nicht aus einer gläubigen Familie und hatte meine Kindheit und Jugend hindurch mit Gott nichts am Hut. Dann, im Alter von 17 Jahren ist Jesus Christus bei mir im Leben eingeschlagen wie eine Bombe. Nichts war danach jemals mehr so, wie es vorher war. Alles wurde anders. Und es ist so geblieben bis auf den heutigen Tag. Ich wüsste nicht, was mein Leben mehr beeinflusst hätte oder mehr beeinflussen könnte, als dieser Mann und sein Werk.

Wir Christen sehen uns einem großen Problem gegenüber: Wir möchten von diesem Mann adäquat Zeugnis ablegen, und können es doch nicht. Kein Prediger auf der ganzen Welt, nicht Charles Spurgeon, nicht Martin Luther, nicht Lloyd Jones, nicht Edwards, nicht George Whitfield, nicht Calvin, und wie sie alle heißen, hat jemals Jesus Christus so verkündigt und gepredigt, wie er es verdient, verkündigt und gepredigt zu werden. Niemand wird das auf dieser Seite des Himmels jemals schaffen, ja, und selbst jenseits dieser Welt wird es niemals möglich sein, so von ihm Zeugnis abzulegen, dass es seiner Exzellenz, seiner Majestät und seinem unendlichen Wert annähernd gerecht wird. Und dennoch können wir nicht anders, wir müssen es versuchen. Der Mund soll zeigen, womit das Herz bis zum überlaufen voll ist. Unser Wunsch wäre, dass wenn wir ein- und ausatmen, so soll Christus unser Atem sein, wenn wir sprechen, so soll Christus unsere Rede sein und würde man uns schneiden, so wollten wir Christus bluten. In der Realität ist es leider nicht so mit uns, und doch können wir nicht ablassen von diesem Mann – sein Werk zu verkünden, seine Gerechtigkeit, sein Reich, sein herrliches Evangelium, denn es ist eine Botschaft, selig zu machen, alle die daran glauben und obgleich des Wütens der ganzen Welt ist und bleibt sein Name der einzige Name im Himmel und auf Erden in welchem es Errettung gibt.

Wehe uns, wenn wir nicht Zeugnis ablegten, vom Evangelium, es der Welt vorzuhalten zum Wohl und zum Verderben, dass der Gott des Universums zu seinem Recht und das Lamm zur Freude seines Leides käme, denn dann würden die Steine an unserer Stelle es heraus rufen, in uns aber wollte es aufwallen, bis wir platzen, wie der Prophet Jeremia erkennen musste, als er sich vornahm, nicht mehr vom Reich Gottes zu reden: „Da sagte ich mir: »Ich will Ihn nicht mehr erwähnen und nicht mehr in seinem Namen reden! Doch da brannte es in meinem Herzen, als wäre ein Feuer in meinen Gebeinen eingeschlossen, und ich wurde müde, es auszuhalten; ja, ich kann es nicht.« (Jer 20,9)

Was könnte ich denn bitte größeres verkünden? Hätte ich die Patentrezepte zur Heilung aller Krankheiten, zur Überwindung aller Armut und aller Kriege in der Welt, es wäre dennoch ein Dreck im Vergleich zum Evangelium Jesu Christi. Mit nichts geringerem will ich mich zufrieden geben. Es ist das höchste, was jemals ein Mensch einem anderen Menschen weitersagen könnte.

TheoBlog: Als Hörer merkt man schnell, dass hinter dem Lied „Wenn ich sterbe“ schmerzliche Leid- und Verlusterfahrungen stecken. Willst Du darüber reden?

Oliver: Dieses Lied ist in der Tat auf solch einen Verlust zurückzuführen. Im Jahr 2005 starb meine jüngere Schwester plötzlich und unerwartet im Alter von 26 Jahren. Seit der Fertigstellung meiner CD wurde ich sehr oft von Menschen, stellenweise etwas befremdet, dazu befragt, warum ich mich in den Liedern so sehr mit dem Tod auseinander setze. Manche unterstellten mir Melancholie, Morbidität, andere machten sich schon Sorgen über mein psychisches Gleichgewicht, meinten, ich wäre depressiv, oder sonst etwas. So als wäre eine intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema irgendwie ungesund oder nicht normal.

Dies zeigt mir eigentlich nur, wie unnatürlich weit der moderne Mensch, und insbesondere der postmoderne Mensch in seinem alltäglichen Denken von der Realität des Todes entfernt ist und wie es ihm gelungen ist, dieses allerletzte Schreckgespenst, diese ultimative Barriere und die Grenze all seiner Geschicke, seiner Kraft, seiner Klugheit, seines Vermögens und seiner Fähigkeiten und die nagende Gewissheit des Gerichts aus seinem Blickfeld zu verdrängen. Dabei ist dies in Wirklichkeit die ungesunde Einstellung zum Tod. Der Psalmist sagt: „Aber, Herr, lehre mich doch, dass es ein Ende mit mir haben muss und mein Leben ein Ziel hat und ich davon muss“ (Ps 39,4).

Ich habe durch meinen Beruf wohl ein etwas vertrauteres Verhältnis zum Tod, als andere Menschen. Ich habe sehr viele Menschen sterben sehen und bin ständig mit dem Tode in Berührung. Wir neigen dazu, unsere Endlichkeit zu verdrängen, meinen, auch den Tod in den Griff bekommen zu können.

Es kann dem Menschen eigentlich nichts Besseres passieren, als die Erkenntnis zu erlangen, dass sein Dasein beschränkt ist, und zwar dass es nicht grundlos oder zufällig beschränkt ist, sondern dass Gott ihm Schranken gesetzt hat, dass der Tod ein Strafzeugnis gegen ihn ist und gegen seine Sünden, damit er zu Christus flüchte und dort Unterschlupf suche. Mit dem Tod auf Tuchfühlung zu gehen verliert in dem Augenblick völlig seinen Schrecken, wenn man sich unter dem Schutz dessen weiß, der den Tod für immer und alle Zeiten überwunden hat.

TheoBlog: Zum Schluss: Was möchtest Du uns Christen in Deutschland noch mitgeben?

Oliver: Ich war in den letzten Jahren immer regelmäßig in Deutschland und habe als Betreuer auf christlichen Kinder- und Jugendfreizeiten mitgemacht und ich erlebe in Deutschland sowohl absolute Orientierungslosigkeit als auch gigantische Chancen. Kinder und Jugendliche stolpern durch das Vakuum des postmodernen Nichts und trotzdem sagt ihnen die innere Gewissheit, wie es im Römerbrief beschrieben steht, dass es einen Gott gibt, von dem allerdings niemand etwas zu wissen scheint, und wieder und wieder habe ich gemerkt, sie sind überreif, etwas echtes und wirkliches zu finden, für das man leben und im Glauben auf das man sterben kann. Etwas wofür es sich lohnt, alles zu geben. Ich fand mich in Deutschland in den letzten Jahren oft in der gleichen Situation, wie Philippus und der äthiopische Kämmerer. Sobald ich die Bibel aufschlug, hatte ich offene Ohren, man klebte mir praktisch an den Lippen und es ist ein Hunger im Lande, nicht nach Brot, sondern nach dem Wort Gottes, es zu hören.

Ich habe erlebt, dass selbst Kinder aus frommem Elternhaus mit Gemeindehintergrund völlig ahnungslos sind und niemals recht das Wort Gottes gehört haben und wenn sie es dann hören, plötzlich unerwartet zu Tränen gerührt sind. Sie kennen das moderne Evangelium, das alte historische und orthodoxe aber haben sie niemals gehört, was daran liegt, dass es in Vergessenheit geraten ist und kaum irgendwo gepredigt wird. Ich würde sogar behaupten, dass die Mehrheit aller geographischen Einzugsgebiete in Deutschland außerhalb der realistischen Reichweite bibeltreuer Gemeinden liegen. Die momentane Gemeindesituation in Deutschland finde ich sehr treffend im Psalm 74 beschrieben. Wer das Evangelium hören will, das echte, wahre, biblische und historische Evangelium, der muss in Deutschland sehr lange suchen.

Wir haben das Kostbarste feil zu bieten, was es überhaupt auf Erden gibt und während die meisten es verschmähen, gibt es doch viele, die es gerne kaufen würden, aber die Regale sind leer. Uns ist gegeben die Perle von großem Wert. Werden wir uns dessen bewusst. Weiterhin sehe ich als das wahrscheinlich größte Problem der Verkündigung in Deutschland folgendes:

Fast alles, was ich in Deutschland an evangelistischen Bemühungen und Verkündigung gesehen habe, stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Es zielt auf den Menschen ab. Es geht darum, Menschen zu Jesus zu bringen, im Mittelpunkt steht das Ansinnen, dass Menschen gerettet werden, und es wird eine Verkündigung betrieben, die es sich zum Ziel gesetzt hat, den Menschen zu dienen. Die Versuchung dazu ist groß, es ist jedoch der falsche Ansatz. Unsere Zielgruppe bei der Verkündigung ist nicht der Mensch. Es ist Gott. Zu allererst haben wir Gott zu dienen, dass er zu seinem Recht kommt, sei es dadurch das Menschen gerettet werden, und somit Zeugnis von seiner Gnade ablegen, oder sei es das Menschen in der Finsternis verbleiben und somit Zeugnis von seiner Gerechtigkeit ablegen, wir sind eben nicht nur ein Geruch des Lebens zum Leben für jene, die gerettet werden, sondern wir sind auch ein Pesthauch des Todes zum Tode für jene, die verloren gehen. Wir müssen dieser elendigen Menschendienerei entsagen, denn nur, wenn wir zu allererst Gott dienen – er ist unser Publikum, er ist unser Zuhörer, er ist unser Zielgruppe, der wir entsprechen müssen – dann erst werden wir auch den Menschen wieder rechten Dienst erweisen, und zwar viel besser, als wir es jemals könnten, wenn unser Augenmerk auf sie gerichtet wäre.

TheoBlog: Vielen Dank für das Gespräch!

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Hörproben und eine Möglichkeit, die CD zu bestellen, gibt es hier: www.oliverseitz.com.

von Theoblog.de

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