Die Bibel beginnt nicht mit der Erlösung, sondern mit der Schöpfung und dem Sündenfall. In ihren ersten Kapiteln bestätigt die Heilige Schrift, dass Gott die Erde schuf, und dass diese Schöpfung «sehr gut» war; das ist ihr gottgewollter Zustand, das ist die Normalsituation. Erst später kam es zu einschneidenden Veränderungen Die ersten Menschen kehrten Gott den Rücken. Ihre Entscheidung gegen das Wort ihres Schöpfers erschütterte und veränderte die Erde auf furchtbare Weise. Die Verantwortung für das Böse, für Schmerz, Sünde, Krankheit und Tod geht zurück auf die menschliche Rebellion gegen den Schöpfer und auf die Rebellion der Engel und Satans. Die Bibel betont wiederholt die Wichtigkeit menschlicher Wahl und Entscheidung. Gute Entscheidungen beeinflussen die Geschichte für immer, aber genauso tun es die schlechten. Wir möchten nur allzu gerne in einer Welt leben, in der es nur einen Weg gäbe, wo sich unsere Entscheidungen nur positiv auf das Leben unserer Kinder und unserer Enkelkinder auswirkten. Die schlechten Entscheide hingegen sollten sich nicht auswirken. Doch Gott hat verantwortliche Menschenwesen geschaffen, deren Entscheidungen sich in jedem Fall auswirken. Der Sündenfall ist das erste Beispiel dafür wie sich falsche Entscheide auf die ganze nachfolgende Geschichte ausdehnen. Diese Sicht ist für einige Menschen schwer zu akzeptieren, weil unsere Kultur vom Determinismus geprägt ist. Deterministisch denkende Psychologen erklären das menschliche Verhalten als Resultat von Einflüssen, die wir nicht bestimmen könnten. Sie sagen, unser Umfeld, unsere Kindheit und unsere Gene legen fest, wer wir sind und was wir tun. Wenn wir dieser Theorie glauben, scheinen wir zwar jeder Verantwortung für das Böse ausweichen zu können, aber es würde gleichzeitig bedeuten, dass es so etwas wie menschliche Grösse oder Heldentum nicht geben würde. Denn solche Züge müssten ebenfalls programmiert sein. Wenn wir die menschliche Verantwortung bezüglich des Bösen ablehnen und sagen, alles Schlechte, was wir tun, seien eigentlich Fehler der Eltern oder der Gene oder der Umgebung, dann müssen wir auch zugeben, dass alles Gute, was wir jemals getan haben, nicht selbst gewählt, sondern bestimmt war. Aufgrund der Bibel lernen wir, dass Menschen wirklich durch viele Dinge beeinflusst werden, sie aber trotzdem für ihre Entscheidungen verantwortlich bleiben. Wenn wir davon ausgehen müssten, dass Gott sich das Antlitz der Erde so gedacht hat, wie es sich heute präsentiert, dann wäre es tatsächlich nicht möglich, an die Güte Gottes zu glauben.
Nicht alles ist kausal begreifbar
Das Wissen um die Tatsache des Sündenfalls ist für einen Christen grundlegend. Es bedeutet nämlich, dass Gott nicht der Urheber des Bösen ist. Die Quelle des Bösen ist die rebellische menschliche Wahl. Weil Gott nicht der Urheber des Bösen ist, können wir das Böse bekämpfen, ohne gegen Gott zu streiten. Wir müssen nicht angesichts der Folgen des Sündenfalls aufgeben, sondern sollen kämpfen gegen Dornen und Disteln, Sünde und Leid, Krankheit und Tod. Obwohl alles, was an Leidvollem geschieht, auf die menschliche Sünde und im speziellen auf den Sündenfall zurückgeht, gibt es nicht immer einen klaren Zusammenhang zwischen einer bestimmten Sünde und einem bestimmten Leiden. In Lukas 13 wird uns von Galiläern berichtet, deren Blut Pilatus mit deren Opfern vermischt hat. Jesus fragt: «Meint ihr, diese Galiläer seien mehr als die anderen Galiläer Sünder gewesen, weil sie dies erlitten haben? Nein, sage ich euch, sondern wenn ihr nicht Busse, tut, werdet ihr alle auf gleiche Weise umkommen. Oder jene achtzehn, die der Turm am Teich von Siloah bei seinem Einsturz tötete, meint ihr sie seien schuldiger gewesen als alle anderen Menschen, die in Jerusalem wohnen? Nein, sage ich euch, sondern wenn ihr nicht Busse tut, werdet ihr alle auf dieselbe Weise umkommen. » Jesus weist die Vorstellung zurück, dass jede Qual verdient und Leid stets die Folge persönlicher Sünde sei. Er geht weiter und greift zwei damals aktuelle katastrophale Ereignisse auf, um die Menschen daran zu er innern, dass sie sterblich und Sünder sind, ja. dass alle eines Tages dem Tod ins Gesicht sehen müssen. Niemand besitzt von vorneherein einen Garantieschein für sein Leben.
Der Blick nun Kreuz
Wenn wir den Ursprung des Bösen im Sündenfall und im menschlichen Ungehorsam sehen, dann müssen wir unseren Blick auf das Kreuz richten, um sicher zu werden, dass Gott beides ist: liebevoll und gerecht. Die gute Botschaft lautet: Gott hat aufgrund seiner Gnade das Nötige getan, die zerbrochene Welt zu retten, d.h. einzelne Menschen von ihrer eigenen Sünde und den Folgen des Sündenfalls zu befreien. Wie sehr liebt Gott die Menschen? Johannes sagt, Gott habe die Menschen so lieb, dass er seinen einzigen Sohn auf die Erde sandte und dass jeder, der an ihn glaube, nicht ins Gericht komme, sondern ewiges Leben habe. Das Böse und das Leid sind real, aber sie sind nicht das ganze Bild der Wirklichkeit. Wir wären verrückt, wenn wir die historischen Fakten rund um Tod und Auferstehung von Jesus ignorieren würden. Das Christentum ist kein religiöser Leerlauf. Es basiert auf tatsächlich passierten Ereignissen. Wenn wir die Wahrheit erkennen wollen, müssen wir diese Fakten beachten, denn dort sehen wir, dass Gott gleichzeitig gut und so stark ist, um uns von den Folgen des Bösen zu retten.
Umgang mit Zweifeln
Obwohl manche Menschen den Ursprung des Bösen im Sündenfall sehen und die Güte Gottes in Kreuz und Auferstehung beachten. zweifeln sie immer wieder daran, ob Gott wirklich gut sei. Selbst biblische Vorbilder kämpften mit diesem Problem. Abraham, Mose, Habakuk, Jeremia, Maleachi und Jesus selbst, als er am Kreuz schrie; «Warum hast du mich verlassen?» Sie alle rangen darum, mit dem Bösen klarzukommen. Es waren Menschen des Glaubens. Als sie von Zweifeln befallen wurden, brachten sie diese vor Gott. Sie kämpften im Gebet, indem sie sich in Erinnerung riefen, was sie einmal als wahr erachtet hatten. Psalm 73 ist ein gutes Beispiel. Hier ringt ein Gläubiger mit seinen Zweifeln an Gottes Güte. Die Antwort bricht durch, als er sich bewusst wird, was er einst als wahr erkannt hat, und als er wieder an die grossen Zusammenhänge und ans ewige, göttliche Bild erinnert wird. Er erkennt, dass seine Lehensanalyse fehlerhaft ausfallen muss, wenn er sich nicht klarmacht, dass es eine letzte Bestimmung gibt, dass Gott ein gerechter Richter ist. Was wir sehen, ist nicht alles. Es spielt eine Rolle, was wir glauben und wie wir leben. Der Psalmist war zu gefangen gewesen im unmittelbar Sichtbaren, Erst allmählich war er wieder in der Lage, das ganze Bild von der Ewigkeit her zu sehen. Wir leben nur für eine sehr kurze Zeit hier. Keine Stelle der Bibel verheisst uns absolute Gerechtigkeit in der Welt.
Hiobs Wende
Es gibt auf die gestellte Frage keine Antwort, die ohne den Ruf nach Demut und Vertrauen in Gott auskommt. Hiob fand nie heraus, warum er derart leiden musste. Erst nachdem Gott fragte: « Wo warst du, ‚als ich die Fundamente der Erde legte?», war Hiob in der Lage, sein vermeintliches Recht, eine Antwort auf das Warum zu erhalten, loszulassen. Dann und nur so, wurde er fähig, Gott anzubeten – ohne Antwort auf seine Frage, einfach weil Gott Gott ist, der grosse und aller Anbetung würdige Schöpfer.
Handeln, statt debattieren
Wir sind angesichts des Bösen aufgerufen zu handeln und nicht nur zu argumentieren. Gott heisst sein Volk, seine Liebe, seine Heiligkeit und Gute in der Welt zu demonstrieren. Ihm vertrauende Menschen sollen eingebunden sein in Aktionen gegen die Ungerechtigkeit, und sie sollen Gutes tun. Christen, die so leben, werden für sich persönlich eine Antwort auf die Frage nach dem Bösen haben. Sie sehen Gott durch seine Menschen und sind sicher. dass er gut und gerecht ist.
Gekürzte Fassung des «L‘Abri Lecture No 4 von Mardi Keyes ». Mit freundlicher Genehmigung abgedruckt.
Übersetzung: Rolf Höneisen Factum Januar 1995 https://www.soulsaver.de//assets/img/1210/4357_wfactum_de.jpg