Vor hundert Jahren, am 21. Dezember 1917, wurde der Schriftsteller und Nobelpreisträger Heinrich Böll geboren.

 

„In dieser Welt habt ihr Angst“, hat Christus gesagt, „seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Ich spüre, sehe und höre, merke so wenig davon, dass die Christen die Welt überwunden, von der Angst befreit hätten, von der Angst im Wirtschaftsdschungel, wo die Bestien lauern, von der Angst der Juden, der Angst der Neger, der Angst der Kinder, der Kranken. Eine christliche Welt müsste eine Welt ohne Angst sein, und unsere Welt ist nicht christlich, solange die Angst nicht geringer wird, sondern wächst, nicht die Angst vor dem Tode, sondern die Angst vor dem Leben und den Menschen, vor den Mächten und Umständen, Angst vor dem Hunger und der Folter, Angst vor dem Krieg …

Ich überlasse es jedem einzelnen sich den Alptraum einer heidnischen Welt vorzustellen oder eine Welt, in der Gottlosigkeit konsequent praktiziert würde: den Menschen in die Hände des Menschen fallen zu lassen.

Nirgendwo im Evangelium finde ich eine Rechtfertigung für Unterdrückung, Mord, Gewalt.

Ein Christ, der sich ihrer schuldig macht, ist schuldig.

Unter Christen ist Barmherzigkeit wenigstens möglich, hin und wieder gibt es sie: Christen, und wo einer auftritt, gerät die Welt in Staunen. 800 Millionen Menschen auf dieser Welt haben die Möglichkeit, die Welt in Erstaunen zu setzen. Vielleicht machen einige von dieser Möglichkeit Gebrauch.

Selbst die allerschlechteste christliche Welt würde ich der besten heidnischen vorziehen, weil es in einer christlichen Welt Raum gibt für die, denen keine heidnische Welt je Raum gab: für Krüppel und Kranke, Alte und Schwache, und mehr noch als Raum gab es für sie: Liebe für die die der heidnischen wie der gottlosen Welt nutzlos erschienen und erscheinen…

Ich glaube an Christus, und ich glaube, dass 800 Millionen Christen auf dieser Erde das Antlitz dieser Erde verändern können. Und ich empfehle es der Nachdenklichkeit und Vorstellungskraft der Zeitgenossen, sich eine Welt vorzustellen, auf der es Christus nicht gegeben hätte. Ich glaube, dass eine Welt ohne Christus selbst die Atheisten zu Adventisten machen würde.

aus: H. Böll, Eine Welt ohne Christus, in: K. Deschner (Hrsg.) Was halten Sie vom Christentum?

Kommentar

  1. Habe kürzlich mit Beate Maria Wegener gesprochen. Sie wurde seinerzeit von Heinrich Böll in Köln zum Trinken eingeladen. Böll saß da, rauchte unentwegt Zigaretten und fragte sie, ob sie denn schon volljährig wäre. War sie nicht, interessierte aber auch nicht und so wurde lange und viel getrunken mit einer Minderjährigen. Heinrich Böll soll wohl in Merten beerdigt sein. gez. Thomas R. Merten P.S. Als Minderjähriger war er mein Lieblingsschriftsteller.

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