Sind viele nur Weihnachtschristen? Muß man jetzt ein schlechtes Gewissen haben, wenn man nur zu Weihnachten in die Kirche geht?

Auf keinen Fall.

“Die Christmette ist zu Ende, der letzte Gottesdienstbesucher gegangen. Erleichtert und ein bisschen erschöpft will er die Tür abschließen.

Da kommen plötzlich aus der Dunkelheit sieben, acht junge Leute. “Ist hier jetzt Gottesdienst?” “Nein”, sagt der Pastor, “gerade zu Ende. Kommt doch morgen wieder.” “Oooch, schade, wir laufen jetzt schon eine halbe Stunde hier rum und suchen eine Kirche, die noch offen hat.” Der Pastor überlegt kurz, hat ein Einsehen. Er öffnet die Tür, zündet die Kerzen wieder an. Liest die Weihnachtsgeschichte, wiederholt aus dem Gedächtnis die drei wichtigsten Gedanken seiner Predigt.

Inzwischen haben sich noch weitere Menschen in der Kirche eingefunden. Ein verliebtes Paar. Ein Obdachloser. Eine alte Frau samt Hund. Gemeinsam singen alle “O du fröhliche”. Dann verabschiedet man sich. “Da habe ich erst verstanden”, sagte mir der junge Kollege, “wie viele Leute in dieser Nacht in der Stadt unterwegs sind, suchend, getrieben von einer unklaren Sehnsucht.”

Und ich selbst? Ich bin die Christin, die sich in dieser Heiligen Nacht danach sehnt, dass der Stern von Bethlehem auch über unserer Stadt leuchten möge. Die dankbar ist, so vielen Menschen begegnen zu dürfen, die sich von dem Licht über der Krippe berühren lassen. Die so nachdenklich sind und friedenssehnsüchtig, die die Hoffnung auf eine bessere Welt in ihr Herz strömen lassen. Am Schluss vielleicht sogar schmunzeln über den unvermeidlichen Zimbelstern, wenn wir – wir gemeinsam – singen: “O du fröhliche”.

Hamburger Abendblatt 2017 

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