Endlich Sommerferien – für viele deutsche Familien ist der Urlaub ein Höhepunkt im Jahr. Millionen müssen aber zuhause bleiben. Ist das schlimm?

Der ewige Urlaubswahn und die Hypermobilität auf der Suche nach dem verlorenen Paradies.

Die Ruhelosigkeit der Gegenwart ist ohne jedes Mass. Nie wurde mehr geflogen, nie mehr gereist. Und nie flohen mehr Menschen. Die heutige Mobilität an sich ist dem industriellen Fortschritt bei den Verkehrsmitteln geschuldet und der entsprechend marktwirtschaftlichen Preisentwicklung über den gesamten Globus. Waren es vor hundert Jahren noch eine Hand voll Reisende, die mit der Dampfeisenbahn, der Titanic, dem Automobil tagelange Strapazen auf sich nahmen, sind heute sowohl die Reisezeit wie auch der Preis auf ein erschwingliches Mass für die Masse geschmolzen. Das eröffnet nie dagewesene Lösungsräume für globale Aktivitäten, die die Welt zum Dorf machen. Der Mobilitäts-Wahnsinn ist leider eine der Schlaraffenland-Krankheiten von heute. Mit ihr wird unsere Erde zum geilen Spass an die Wand gefahren, geflogen und geschifft: Immer-noch-mehr-bis-zum-Geht-nicht-mehr. Es ist das falsche Programm. Mit der Suche nach dem ultimativen Paradies machen wir die Erde zu einer Art Vorhölle. Mit der Erde kann es nur weiter geben, wenn vor allem die Menschen in den Schlaraffenländern verzichten lernen. Die Generation, die das will, kann und tut, scheint es leider nicht zu geben. Auch die Friday-Kids werden da nicht mitmachen.
Das Leben ist eine Reise und Stillstand bedeutet, wie wir alle wissen den Tod. Wenn nichts mehr passiert, sind wir weg vom Fenster. Im Reisen liegt eine Form der Selbstvergewisserung. Reisen bedeutet immer auch (den Versuch) eines Neuanfangs. Das gilt für Flüchtlinge, wie Touristen. Reisen liefert uns den Gegenentwurf zum stillen Glück am heimischen Herd. “Etwas Besseres als den Tod findest du überall” heisst es schon bei den Bremer Stadtmusikanten. Die Tiere beschließen dem Tod zu entkommen und begeben sich dafür auf Reisen. Die Flucht vor dem eigenen Ende löst stille innere Ängste aus, vor dem Tod nicht gelebt zu haben. Was den Mensch geradezu in einen zwanghaften “Run” katapultiert, möglichst alles noch zu erleben, bevor man sich von dieser Welt verabschiedet. Die Ruhe der Gegenwart wird so zum feindlichen Treiber.
Da ist mir das Leben als Pilger zu ewigen Heimat lieber:
Wir heißt es in einem Lied:
Wir sind nur Gast auf Erden
und wandern ohne Ruh
mit mancherlei Beschwerden
der ewigen H e I m a t zu.

Kommentar

  1. Herr S.

    In unserem Haus lebt ein älteres Ehepaar (Endsiebziger). Der Mann fuhr als Schiffsingenieur früher lange zur See in der DDR-Handelsflotte; seine Frau durfte ihn oft begleiten. Mag sein, dass beide damals besonders linientreu waren, damit es zu solchen Privilegien kam. Aber das interessiert mich jetzt nicht.

    Sie leben jetzt seit wohl über 10 Jahren ein stilles beschauliches – allerdings auch nicht von ernsten Krankheiten verschontes – Leben in unserer Kleinstadt und besuchen von Frühjahr bis Herbst einzig und allein ihren ca. 100km entfernt liegenden Schrebergarten nahe der mecklenburgischen Ostseeküste, wo sie sie sich dann wochenlang aufhalten.

    Die Frau sagte mir mal im Gespräch über Reiseziele in fernen Ländern:

    “Ach, wissen Sie, im Grunde ist es doch überall auf der Welt gleich.”

    Mir gab dieser Satz einer Weitgereisten durchaus zu denken – sie hat in einem gewissen Sinne recht.

    Wir haben in unserer eigenen Bekanntschaft bzw. Verwandschaft mehrere geradezu (fern)reisesüchtige Paare – ob sie dadurch bislang glücklicher geworden sind?

    Ich habe da erhebliche Zweifel….

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