Glaube ist blind – Wissenschaft dagegen beruht auf Belegen.

Was sind die wichtigsten Argumente gegen diese offensichtlich falsche These?
1. Die Behauptung von Dawkins, Wissenschaft und Glaube an Gott schlössen sich aus, ist offensichtlich falsch: Es gab (und gibt) viele herausragende christliche Wissenschaftler. Dawkins selbst nennt einige: Kepler, Newton, Faraday, Polkinghorne … Wenn er sie aber zu Ausnahmen erklärt, weil sie nicht in seine Weltanschauung passen, macht er es sich zu einfach. Es gibt keinen Gegensatz von Glaube und Wissenschaft. Stattdessen gibt es Wissenschaftler, die an Gott glauben und solche, die nicht an ihn glauben. Die Welt, in der wir leben, kann man also theistisch oder atheistisch interpretieren. Was ist plausibler?
Was glaubt der, der an Gott glaubt? Der Philosoph Robert Spaemann schreibt dazu: „Er glaubt an eine fundamentale Rationalität der Wirklichkeit. Er glaubt, dass das Gute fundamentaler ist als das Böse. Er glaubt, dass das Niedere vom Höheren verstanden werden muss und nicht umgekehrt. Er glaubt, dass Unsinn Sinn voraussetzt und dass Sinn nicht eine Variante der Sinnlosigkeit ist.“
Was glaubt dagegen ein Atheist? „Ein Atheist oder philosophischer Naturalist vertritt die Ansicht, dass es nichts außerhalb der natürlichen, physikalischen Welt gibt: keine übernatürliche kreative Intelligenz, die hinter dem beobachtbaren Universum lauert, keine Seele, die den Körper überdauert, und keine Wunder außer in dem Sinne, dass es Naturphänomene gibt, die wir noch nicht verstehen.“ (Richard Dawkins, „Der Gotteswahn“, S. 25)
Ist dieser Satz Teil der physikalischen Welt? Ist er nicht vielmehr eine Aussage über die physikalische Welt? Wird diese Definition von Dawkins unseren Erfahrungen von Sinn und Schönheit, von Vertrauen, Liebe und Treue, von Verantwortung, Gewissen und Freiheit gerecht? Seine Aussage ist nach eigener Definition ja nur Teil der natürlichen, physikalischen Welt. Warum sollte sie wahr sein? Unser Verstand ist dann ja nur ein zufälliges Nebenprodukt der Evolution und unsere Gedanken sind ausschließlich das Ergebnis physikalischer Prozesse, nicht aber rationaler Einsichten. Wenn aber hinter unserer Welt eine fundamentale Rationalität (Vernunft) steht, dann ist es sinnvoll, unserem Verstand zu vertrauen und damit die Welt zu erforschen.
2. Entgegen der jüdisch-christlichen Vorstellung von Gott als Schöpfer dieser Welt kann
sich Dawkins Gott nur als gestaltet, als geschaffen vorstellen – als eine materielle Wirklichkeit, die als Teil dieser Welt den Gesetzen der Evolution unterworfen ist. Er setzt sich daher gar nicht erst mit einer Gottesvorstellung auseinander, nach der Gott ungeschaffen, personal und ewig ist. Gott ist der Urgrund aller Dinge. Die wissenschaftliche, atheistische Weltanschauung hält die Welt und damit auch sich selbst für grundlos. Der Glaube an Gott ist der Glaube an einen Grund der Welt.
Die Frage, ob es einen Gott gibt, will Dawkins rein wissenschaftlich entscheiden. Das wäre aber nur dann möglich, wenn Gott ein Gegenstand unserer materiellen Welt wäre und mit rein naturwissenschaftlichen Mitteln erkannt werden könnte.
Für Dawkins hat sich alles „durch natürliche Selektion“ (in Anlehnung an Darwin) aus „einfachen Anfängen“ entwickelt. Doch woher kommen diese „einfachen Anfänge“? Durch Selektion wird ja nichts Neues geschaffen, sondern nur bereits Bestehendes weiterentwickelt. Es geht ja nicht um die Frage „survival of the fittest“, sondern um „arrival of the fittest“.
Und selbst wenn wir wüssten, woher die „einfachen Anfänge“ kommen, wäre dies kein Argument gegen die Existenz Gottes. „Gott“ und „natürliche Selektion“ bzw. „Gott“ und „Evolution“ liegen nicht auf der gleichen Erklärungsebene. Die Entdeckung eines Mechanismus bedeutet nicht, dass es keinen Mechaniker gibt.
Welcher Glaube (auch der Atheismus ist ja ein Glaube) ist glaubwürdiger: Stand am Anfang irrationale Materie, aus der sich – nicht zielgerichtet – sonderbarerweise ein Wesen mit Bewusstsein seiner selbst und ein mathematisch geordneter Kosmos entwickelte oder stand am Anfang ein personaler schöpferischer Geist, der beides schuf? Welche dieser beiden Weltanschauungen erklärt plausibler das, was wir tagtäglich an Sinn, Liebe, Schönheit – und auch an wissenschaftlicher Erkenntnis – erfahren? John Lennox, Mathematiker der Universität von Oxford, schreibt dazu: „Entweder verdankt die menschliche Intelligenz ihre Entstehung letztlich geist- und zweckloser Materie, oder es gibt einen Schöpfer. Es ist seltsam, dass einige Menschen behaupten, ihre Intelligenz führe sie dahin, die erste der zweiten Möglichkeit vorzuziehen“. Darüber hinaus gilt, was Robert Spaemann so ausdrückt:
„Eine plötzliche grundlose Entstehung einer Welt aus nichts denken zu müssen, enthält eine Zumutung an die Vernunft, die alle anderen Zumutungen in den Schatten stellt“.
3. Die berühmte These des Philosophen Ludwig Feuerbach, Glaube sei Wunschdenken, geht von der Voraussetzung aus, dass es keinen Gott gibt und versucht dann die Frage zu beantworten: Warum glauben so viele Menschen an einen nicht existierenden Gott? Antwort: Wunschdenken.
Wenn man stattdessen von der Voraussetzung ausgeht, es gibt einen Gott, kann man fragen, warum seit über 200 Jahren in Westeuropa immer mehr Menschen glauben, es gäbe keinen Gott. Antwort: Wunschdenken.
Entgegen der These, der Glaube an Gott sei Wunschdenken, ist es mindestens genauso plausibel, davon auszugehen, dass der Atheismus seinen Ursprung im Wunschdenken hat – dem Wunsch nach moralischer Autonomie – oder wie es Manfred Lütz in seinem Buch „Gott – eine kleine Geschichte des Größten“ ausdrückt: der Wunsch nach der ‚sturmfreien Bude‘.
4. Glaube an Gott ist für Dawkins die Ursache der Gewalt in unserer Welt. Ohne Religion gäbe es „keine Selbstmordattentäter, keinen 11. September, … keine Kreuzzüge…“ (S. 12) „Dass ein Krieg im Namen des Atheismus geführt würde, kann ich mir nicht vorstellen. Was sollte der Grund sein?“ (S. 387)
Es ist beschämend, dass auch das Christentum – trotz des Gebotes von Jesus „liebet eure Feinde“ – immer wieder zu Kriegen und Verfolgungen geführt hat. Im 20. Jahrhundert waren es aber gerade atheistische und wissenschaftsgläubige (!) Staatsysteme, die unvorstellbare Grausamkeiten und millionenfache Morde begangen haben. Die Behauptung von Dawkins, eine atheistische Welt wäre eine friedlichere Welt, ist durch diese Erfahrungen gründlich widerlegt.
5. Der christliche Glaube ist nicht blind, sondern beruht auf historischen Belegen und persönlichen Erfahrungen. Im Zentrum des christlichen Glaubens steht Jesus von Nazareth – sein Leben, seine Kreuzigung und seine Auferstehung. Darüber berichten vor allem die Evangelien im Neuen Testament. Während es sich beim Roman ‚Sakrileg’ in der Tat um eine literarische Erfindung handelt – was ja Gegenstand zahlreicher Presseberichte im Zusammenhang mit der Verfilmung dieses Buches war – handelt es sich bei den Evangelien um historische Berichte, die wenige Jahre nach den Ereignissen von Augenzeugen verfasst wurden oder auf Augenzeugenberichte zurückgehen.
Literatur
John Lennox, Hat die Wissenschaft Gott begraben? Eine kritische Analyse moderner Denkvoraussetzungen, 8. erweiterte und grundlegend überarbeitete Auflage, Witten 2009 Alister McGrath mit Joanna Collicutt McGrath, Der Atheismus-Wahn – Eine Antwort auf Richard Dawkins und den fundamentalistischen Atheismus, Asslar 2007
David Robertson, Briefe an Dawkins, Basel 2008
Richard Schröder, Abschaffung der Religion? Wissenschaftlicher Fanatismus und die Folgen, Freiburg 2008
Robert Spaemann, Der letzte Gottesbeweis, München 2007
Lee Strobel, Der Fall Jesus, Asslar 2002
Dr. Jürgen Spieß, Historiker und Leiter des Instituts für Glaube und Wissenschaft in Marburg (iguw.de)

Kommentare

  1. Peter

    Gibt es eigentlich ein Buch über die Lebensgeschichte des Wortes “Dunkelheit”, bevor es als Substantiv berühmt wurde? Aufgewachsen im Schatten seines Adjektiv-Vaters und auf den Stufen eines Wortwaisenhauses ausgesetzt von seiner Mutter, als einziges Nomen in einem Haus voller Verben – und die Verben waren brutal, sie taten schlimme Dinge, denn sie waren allesamt Tu-Worte – und Dunkelheit litt seh…r darunter und bekam schlimmes Asthma von der Furcht. Jedes Mal nach der Schule wurde ihm von Anführungszeichen aufgelauert, wurde schrecklich verprügelt, bis es eines Tages in eine Reality-TV-Show eingeladen wurde. Erst dann kam Licht in das Leben von Dunkelheit und Dunkelheit wurde sehr berühmt. Dunkelheit fand viele neue Freunde, wie “seltsam”, “ungewöhnlich” und “sensationell” und wurde ein gern gesehener Gast in Talk-Shows und bekam hohe Einschaltquoten durch seine Beschreibung von Ein-Tags-Berühmtheiten in seinem eigenen Trend-Magazin.

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