„Das Vater-Sohn-Verhältnis ist auch ein zentrales Thema seiner Bücher, die Kafka neben seinem bürgerlichen Beruf schreibt: In „Das Urteil“ verurteilt ein Vater seinen Sohn zum Ertrinken; in „Die Verwandlung“ wird der Sohn, der seinem Vater den Platz in der Familie streitig gemacht hat, in ein Ungeziefer verwandelt. Die Protagonisten in Kafkas Büchern haben albtraumhafte Situationen zu bestehen: In „Der Prozess“ wird ein Bankprokurist verurteilt, ohne seine Schuld zu kennen. In „Das Schloss“ versucht ein Landvermesser vergeblich, in das Gebäude zu gelangen. ‚Kafkaesk‘ hat sich zu einem Begriff für Situationen entwickelt, die unverstehbar, ausweglos, absurd sind.Sieben Jahre lang leidet Kafka an den Folgen der Tuberkulose. Im Winter 1923/24 verschlechtert sich sein Zustand dramatisch. Trotzdem korrigiert er im Bett eines Sanatoriums bei Wien die Fahnen seines letzten Buches „Der Hungerkünstler“. Seine Lebensgefährtin Dora Diamant und sein Freund Robert Klopstock, ein angehender Arzt, sind ständig bei ihm. Wegen der Schmerzen beim Sprechen verständigt er sich meistens schriftlich. Am 3. Juni 1924 kann er kaum noch atmen. Um die Schmerzen zu lindern, verlangt er Morphium. Sein Freund Max Brod schreibt: „Als Klopstock sich vom Bett entfernte, um etwas an der Spritze zu reinigen, sagte Franz: ‚Gehen Sie nicht fort.‘ Der Freund erwiderte: ‚Ich gehe ja nicht fort.‘ Franz erwiderte mit tiefer Stimme: ‚Aber ich gehe fort.'“ Kafka stirbt um die Mittagszeit – im Alter von 40 Jahren.“ WDR.de
„Die Erzählung vom Sündenfall scheint ihn besonders bewegt zu haben. Mehrfach deutet der Schriftsteller diese Urkatastrophe aus. Sie stellt für Kafka jedoch entgegen der landläufigen Auslegung kein teuflisches Geschick dar, sondern ist das Ergebnis menschlicher Schwäche: „Wegen der Ungeduld sind sie ausgewiesen worden und wegen der Ungeduld kehren sie nicht zurück“.
Die Stammeltern Adam und Eva wollten zu viel und zu schnell. Die Vertreibung aus dem Paradies ist laut Kafka für die Menschen „entgiltig [sic!], das Leben in der Welt unausweichlich“. Für ihn gibt es keine messianische Befreiung, keine christliche „Rückgewinnung des Paradieses“, wie sie zum Beispiel der englische Dichter John Milton vor ihm als Triumph Jesu über den Teufel in Aussicht stellte.
Es könnte sich zum Guten wenden
Trotzdem scheint selbst bei Kafka immer wieder die Hoffnung auf, dass sich die Dinge noch zum Guten wenden könnten. So vergleicht er an einer anderen Stelle seines Oktavhefts die Situation der Menschen mit Reisenden, die in einem Eisenbahntunnel verunglückt sind. Von der Unfallstelle aus können sie das Licht des Tunneleingangs nicht mehr sehen.Währenddessen ist das Licht am Ende des Tunnels aber so schwach, dass sie ihre Augen anstrengen müssen, um es nicht aus dem Blick verlieren: „Rings um uns aber haben wir in der Verwirrung der Sinne oder in der Höchstempfindlichkeit der Sinne lauter Ungeheuer und ein je nach der Laune und Verwundung des Einzelnen entzückendes oder ermüdendes kaleidoskopisches Spiel.“
Das Licht von draußen, das Heil verspricht, ist zwar schwach. Aber wenn die Menschen sich bemühen und nicht täuschen lassen, können sie es sehen. Auch in Kafkas Leben bricht dieses schwache Licht, das so mühsam zu erfassen ist, immer wieder ein.
Noch vor seinen Reflexionen über den Messias schreibt er am 20. Juli 1916 in sein Tagebuch: „Erbarme Dich meiner, ich bin sündig bis in alle Winkel meines Wesens. […] bin jetzt nahe am Ende, gerade zu einer Zeit, wo sich äußerlich alles zum Guten für mich wenden könnte. Schiebe mich nicht zu den Verlorenen“. Der säkulare Jude Kafka wird zum Betenden, der auf Erlösung hofft.
Der Messias kommt nicht
Kafkas fünfgliedriger Satz über den Messias ist damit verständlicher geworden, auch wenn er nicht vollständig auflösbar ist. Im Gegenteil: Seine Widersprüchlichkeit spiegelt seine Aussage wider. Der Messias bricht für Kafka nicht in die Not unserer Welt ein und hebt diese nicht auf.
Wir bleiben Verunglückte, unsere Vertreibung aus dem Paradies dauert auf ewig an. Kafka versteht den Messias vielmehr als schwaches Licht der Hoffnung, das vom Ende des Tunnels in unsere verunglückte Welt hinein scheint. Erst nach dem Ende aller Dinge erfüllt sich sein Versprechen. Ein solcher „schwacher Messias“ kann uns helfen, die menschliche Erlösungsunfähigkeit anzuerkennen und gleichzeitig an der eigenen Erlösungsbedürftigkeit festzuhalten.“ (taz)
„Der Mensch kann nicht leben ohne ein dauerndes Vertrauen zu etwas Unzerstörbaren in sich, wobei sowohl das Unzerstörbare, als auch das Vertrauen dauernd verborgen bleiben können. Eine der Ausdrucksmöglichkeiten dieses Verborgenseins ist der Glaube an einen persönlichen Gott.“
Franz Kafka