TV-Moderator Thomas Gottschalk, 61, über sein Verständnis des Evangeliums, seine weihrauchselige Erinnerung an die eigene Ministrantenzeit und den Ausschluss der Frauen vom Priestertum in der katholischen Kirche – den er für richtig hält
SPIEGEL: Herr Gottschalk, ein kleiner Wissenstest: „Großer Gott, wir loben dich“ – wie geht’s weiter?
Gottschalk:(singt) „Herr, wir preisen deine Stärke. Vor dir neigt die Erde sich …“
SPIEGEL: Reicht schon. Und die zweite Strophe?
Gottschalk: „Alles, was dich preisen kann, Cherubim und Seraphinen, stimmen dir ein Loblied an, alle Engel, die dir dienen, rufen dir …“
SPIEGEL: Können Sie alle elf Strophen auswendig?
Gottschalk: Bei der neunten wird es eng.
SPIEGEL: Also dann ein zweiter Test: „Ich glaube an Gott …“
Gottschalk:(murmelt) „… den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde …“
SPIEGEL: Stopp, wir haben Sie offensichtlich unterschätzt. Nächster Schwierigkeitsgrad: bitte auf Latein.
Gottschalk: „Credo in Deum, Patrem omnipotentem …“ Aber nachdem ich die höheren Weihen habe, leg ich gern freiwillig noch einen drauf, die lateinischen Wandlungsworte des Priesters: „Hic est enim calix sanguinis mei, novi et aeterni testamenti; mysterium fidei; qui pro vobis et pro multis effundetur in remissionem peccatorum.“
SPIEGEL: Um Himmels willen, wir sitzen hier unter der Sonne Malibus und nicht im Kölner Dom.
Gottschalk: Sie haben angefangen, und ich wollte Ihnen beweisen, dass ich in der katholischen Liturgie ziemlich standfest bin.
SPIEGEL: Das klingt nach einem gläubigen Thomas. Loben Sie Gott, glauben Sie an ihn?
Gottschalk: Ja, ich bin mit diesem Glauben aufgewachsen und habe bisher keinen Grund gehabt, ihn aufzugeben. Ich bin sogar davon überzeugt, dass ein gläubiger Mensch und ein fröhlicher Mensch nicht nur deckungsgleich sein können, sondern sogar deckungsgleich sein sollten. Evangelium heißt ja frohe Botschaft – das nehme ich ernst. Du kannst als Entertainer nicht andere fröhlich stimmen, wenn du es selber nicht bist.
SPIEGEL: Sie vertrauen auf Gott und Ihren Schalk – so hat es Michelle Hunziker einmal ausgedrückt. Inwieweit hilft Gott?
Gottschalk: Ich gehe nicht davon aus, dass der liebe Gott Zeit hat, sich um meine Quoten zu sorgen. Dieter Bohlen muss ich schon alleine schlagen. Aber ich empfinde eine große Dankbarkeit für die Tatsache, dass ich eine Frau gefunden habe, die mir in mehr als 35 Jahren nicht abhandengekommen ist, und dass ich zwei gesunde Kinder habe, die halbwegs normal geraten sind, obwohl ich ihr Vater bin.
SPIEGEL: Das klingt nicht unbescheiden.
Gottschalk: Warten Sie, das war noch nicht alles. Der liebe Gott hat mir auch eine Fähigkeit geschenkt, mit der er offensichtlich relativ sparsam umgegangen ist. Es gibt vergleichsweise viele Menschen in Deutschland, die Beethovens „Mondscheinsonate“ auswendig spielen können; das kann ich nicht. Aber es gibt nur wenige Menschen, die sich entspannt – und ohne sich verstellen zu müssen – vor einer Fernsehkamera bewegen können. Ich muss mir keine Pseudofröhlichkeit zurechtlegen oder zurechtlegen lassen, sondern bin vor der Kamera weitgehend so, wie Gott mich geschaffen hat. Und ich lebe gut davon. Das empfinde ich als ein großes Geschenk.
SPIEGEL: Und diese Begabung halten Sie für eine Gottesgabe?
Gottschalk: Ja, so sehe ich das. Ich habe mich nie richtig anstrengen müssen, habe weder wie die Mediziner den Pschyrembel noch wie die Juristen den Schönfelder auswendig lernen müssen, und ich habe auch keine fünf Sprachen gelernt. Ich habe etwas geschenkt bekommen, was man sich nicht erarbeiten kann.
SPIEGEL: Andere führen das auf ihre Erziehung zurück oder schlicht eine Verkettung von Zufällen.
Gottschalk: Ich will hier nicht von einer göttlichen Fügung faseln, die mich nun letztendlich zur ARD geführt hat. Aber ich glaube sehr wohl, dass dort oben einer mein Leben lenkt. Ich bin immer in jede Ecke gegangen, in die ich wollte, manchmal auch in eine dunklere, in die er mich sicherlich nicht geschickt hätte. Aber auch da habe ich Gott nicht verloren, und ich habe auch nie den Eindruck gehabt, dass er mich dort vergessen hätte.
SPIEGEL: Wie leben Sie Ihren Glauben an einem gottlosen Ort wie Malibu?
Gottschalk: Egal wo – in meiner persönlichen Umgebung versuche ich, eine wesentliche Anforderung des Christentums zu erfüllen: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Darüber will ich nicht theoretisieren, das will ich praktisch umsetzen. Es gibt Kollegen von mir, die sich für Afrika einsetzen und gegen alles Elend der Welt ankämpfen, aber nicht mitbekommen, dass ihre eigenen Kinder kiffen und koksen. Da ist mir meine Mission lieber: Ich will für meine Frau und meine Kinder, wenn sie mich brauchen, genauso da sein wie für alle anderen, für die ich verantwortlich bin, Putzfrau oder Gärtner. Schon aus Dankbarkeit dafür, dass ich mir dieses Personal überhaupt leisten kann. Diese Menschen sollen mich erleben als jemanden, der die Frohe Botschaft für sich als Maßstab nimmt. Auch wenn ich sehr genau weiß, dass die Wirkung meiner Bergpredigten begrenzt ist, gerade bei meinen Kindern.
SPIEGEL: Liebe deinen Gärtner und deine Putzfrau wie dich selbst. Was heißt denn das?
Gottschalk: Es ist nicht so, dass ich mit dem Weihrauchfass ums Haus ziehe und meine Mitarbeiter missioniere. Ich versuche einfach, kein Arschloch zu sein. Ich vermeide es, andere zu piesacken, ich verachte dieses herzlose und gedankenlose Verlangen von Leistungen anderer, die man ohne Dankbarkeit zur Kenntnis nimmt.
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