Was ist mächtiger als die Sünde?

Ich habe noch keinen Menschen angetroffen, der seine Sünden, die Früchte seines angeborenen Sündenzustandes, hätte vergessen können.
So tot der Mensch in Übertretungen und Sünden ist, so befindet sich doch in der Dunkelkammer seines geheimsten Bewußtseins eine nie ganz auszurottende Empfindsamkeit für die schwarzen Wirkungen der Sünde.
Wie mit Feuer eingebrannt, wie durch Säure eingefressen haftet die geschehene Sünde im Gedächtnis und Gewissen des Sünders als unaustilgbares Brand- und Schandmal.
Nie kann der Unreine seine schwarze Schande weiß waschen, nie der Betrüger seinen Betrug, nie der Dieb seine Dieberei vergessen.

Ich las von einem Mann, der sich zwanzig Jahre lang bemüht hatte, einen von ihm verübten Kassendiebstahl zu vergessen. Er war, um die Sache totzukriegen, Freidenker, Gottesleugner, Materialist geworden, hatte sich täglich unter Anwendung aller „gesunden Vernunft“ zu beweisen gesucht, daß es im Grunde genommen weder gut noch böse, noch ein Gewissen, noch Gott, Ewigkeit und Gericht gäbe.
Und nach Verlauf von zwanzig Jahren brannte seine Tat noch gerade so heiß in seinem Innersten als nach Verlauf der ersten Stunde, da sie geschehen war.
Ein anderer war damals an seiner Stelle verhaftet und bestraft worden und war im Gefängnis gestorben.

Wie oft hatte der wahre Täter jenen anderen innerlich loszuwerden gesucht!
Er lief zu einem, wie er meinte, ungläubigen Arzt, um sich von diesem untersuchen und sagen zu lassen, daß er es an der Leber oder Lunge oder am Magen habe, aber daß es nimmer mehr ein Gewissen gäbe.
Der durchaus n i c h t ungläubige Arzt konnte ihm aus der Tatsache der von der befleckenden Macht der Sünde herrührenden Gewissensqual nur die Tatsache des Gewissens bestätigen und riet ihm, sich dem himmlischen und irdischen Richter zu stellen.

Der Gequälte kam unter die Macht der Gnade des himmlischen und unter die Macht der strafenden Gerechtigkeit des irdischen Richters und starb selig im Gefängnis.
Du hast vielleicht keinen Kassendiebstahl begangen, aber dennoch weißt du ganz genau, wo dich der Schuh drückt und der Teufel reitet, wie man ganz treffend zu sagen pflegt;
– denn du weißt von Sünden, wie tugendhaft oder aufgeklärt du dich auch gebärden magst.
Siehe, die schauerliche Tatsache gilt auch dir, du kannst die befleckende Macht der Sünde nicht loswerden! Fritz Binde

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