Gott ist ein Gentleman

Littleton (USA), 20. April 1999:
Zwei Schüler, bewaffnet mit Pumpguns, stürmen eine Schule. Sie töten dabei ein Dutzend Schüler und schließlich sich selbst.


New York (USA), 11. September 2001:
Zwei Selbstmordkommandos aus dem Terrornetzwerk des fundamentalen Islamisten-Führers Osama Bin Laden fliegen in das New Yorker World Trade Center, dabei kommen Tausende Menschen ums Leben.


Erfurt, 26. April 2002:
Ein 19-Jähriger stürmt seine ehemalige Schule, tötet zwei Mitschüler, dreizehn Lehrer, einen zur Hilfe geeilten Polizisten und schließlich sich selbst.





Die Tochter von Billy Graham wurde in einer Fernsehshow „Finally, the truth“ (zu gut deutsch: „Und jetzt: die Wahrheit“) beim amerikanischen Fernsehsender „National TV“ interviewt. Angesichts der Ereignisse vom 11. September fragte man sie: „Wie konnte Gott so etwas zulassen?“ Anne Graham gab eine außerordentlich fundierte und aufschlussreiche Antwort. Sie sagte: „Ich glaube, dass Gott, genau wie wir, zutiefst traurig darüber ist. Doch wir müssen eines klar sehen: Seit Jahren weisen wir Gott aus unseren Schulen, aus unserer Regierung und aus unserem Leben, und da er ein Gentleman ist, glaube ich, hat er sich still und leise zurückgezogen. Wie können wir erwarten, dass Gott uns segnet und schützt, wenn wir doch von ihm verlangen, dass er uns gefälligst in Ruhe lassen soll?“


Madeleine Murray O’Hare (sie wurde ermordet, ihre Leiche wurde im Dezember 2001 gefunden) beklagte sich, sie wolle nicht, dass in amerikanischen Schulen gebetet würde – viele Amerikaner stimmten ihr zu. Ein anderer sagte, man solle dort auch nicht die Bibel lesen … die Bibel die sagt: du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst deinen nächsten lieben wie dich selbst. Erneut gaben viele ihre Zustimmung.


Dann trat Dr. Benjamin Spock, ein Verfechter der Antiautoritären Erziehung, auf und sagte, wir sollten unsere Kinder keinesfalls bestrafen, wenn sie sich schlecht benähmen. Ihre Persönlichkeit würde dadurch verbogen, und wir könnten ihr Selbstbewusstsein schädigen. Und wiederum sagten viele, dass ein Experte wie er schon wissen würde wovon er rede und stimmten ihm zu.


Dann trat jemand energisch dafür ein, dass unsere Töchter ruhig abtreiben sollten, wenn sie es wünschten, frei nach dem Motto „Mein Bauch gehört mir – Verantwortung kann ich später noch lernen“ und wieder stimmte eine breite Mehrheit zu.


Dann traten sogar einige Spitzenpolitiker dafür ein, jeder habe das Recht privat zu tun, was er wolle, solange er seine Arbeit gut mache. Und es wurde zugestimmt, es sei ganz gleichgültig was jemand (der Präsident eingeschlossen) privat tue, solange er seine Pflicht erfülle und es der Wirtschaft gut gehe.


Dann sagte einer: Lasst uns Zeitschriften drucken mit Bildern von nackten Frauen und erklären, das sei normal und lebensnah. So käme die Wertschätzung der Schönheit des weiblichen Körpers am besten zum Ausdruck und alle sagten „ja“.


Dann gingen einige noch einen Schritt weiter mit dieser Wertschätzung, und man veröffentlichte Bilder von nackten Kindern und stellte sie im Internet zur Verfügung. Leider sagen auch dazu einige ja, schließlich hätte jeder das Recht seine Meinung frei zu äußern.


Dann sagte die Unterhaltungsindustrie: Lasst uns Fernsehshows und Filme produzieren, die das verdorbene Gesicht dieser Welt, die Gewalt und Sex propagieren. Und lasst uns Musik aufnehmen, die zu Vergewaltigung, Drogen, Mord Selbstmord und Satanismus auffordert. Und es wurde einfach erklärt, hier ginge es um Unterhaltung. Beeinflussen würde das überhaupt nicht. Keiner würde das wirklich ernst nehmen. Also können wir ruhig so weiter machen, oder?


Viele Menschen haben nach den schrecklichen Massakern in Littleton (USA) 1999 und nach dem bitteren Blutbad am 26.04.2001 in Erfurt die Frage gestellt, warum Gott so etwas zulässt. Dies ist lediglich ein Versuch auf eine Frage, ohne zufriedenstellende Antwort, eine Antwort zu finden:


„Lieber Gott, warum hast du das junge Mädchen namens Cassie nicht gerettet, das in ihrem Klassenzimmer umgebracht wurde? Mit freundlichen Grüßen, ein besorgter Schüler“


Die Antwort:
„Lieber besorgter Schüler, ich habe Hausverbot in Schulen. Mit freundlichen Grüßen, Gott“





Quelle: Essay „Gott ist ein Gentleman“ in Entscheidung 01/2002; überarbeitet

Kommentare

  1. ali

    Vor dem Sündenfall gab es weder Tod noch Leid, weder Schmerz noch irgend etwas von dem, was uns heute so viel Mühe macht. Gott hatte alles so gestaltet, dass der Mensch unter idealen Bedingungen leben konnte. In freier Entscheidung ging der Mensch eigene Wege, die von Gott wegführten. Warum Gott uns einen so weiten Freiheitsradius zubilligt, können wir nicht erklären. Wir stellen aber fest: Wer von Gottweggeht, gelangt ins Elend. Diese bittere Erfahrung machen wir bis zum heutigen Tag. Manche Menschen sind dazu geneigt, Gott die Schuld zuzuschieben. Dabei sollten wir bedenken, dass nicht Gott, sondern der Mensch der Verursacher ist. Wenn wir des Nachts auf der Autobahn das Scheinwerferlicht ausschalten und es so zu einem Unfall kommt, dürfen wir nicht dem Autohersteller die Schuld geben. Er hat die konstruktiven Vorgaben für die Beleuchtung gegeben; wenn wir sie willentlich abschalten, ist das allein unsere Sache. “Gott ist Licht” (1 Joh 1,5), und wenn wir uns in die Finsternis der Gottesferne begeben, dürfen wir uns nicht bei dem Schöpfer beklagen, der uns doch für seine Nähe geschaffen hat. Gott ist und bleibt ein Gott der Liebe, denn er hat Unvorstellbares getan: Er gab seinen eigenen Sohn dahin, um uns aus unserer selbstberschuldeten Situation freizukaufen. Jesus sagt von sich in Johannes 15,13: “Niemand hat gräßere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.” Gibt es eine größere Liebe? Nie ist etwas Größeres für den Menschen vollbracht worden als in der Tat auf Golgatha: Das Kreuz ist somit der Höhepunkt göttlicher Liebe.

    Wir leben alle – ob gläubig oder ungläubig – in der gefallenen Schöpfung, in der das Leid in all seinen uns wohlbekannten Ausprägungen genereller Bestandteil ist. Nicht deutbar bleibt für uns das individuelle Leid. Warum geht es dem einen gut, und der andere ist durch Not und schwere Krankheit hart geschlagen? Oft muss der Gläubige sogar mehr leiden als der Gottlose, wie es der Psalmist feststellt:

    “Denn es verdross mich der Ruhmredigen, da ich sah, dass es den Gottlosen so wohl ging. Denn sie sind in keiner Gefahr des Todes, sondern stehen fest wie ein Palast. Sie sind nicht im Unglück wie andere Leute und werden nicht wie andere Menschen geplagt” (Ps 73,3-5).

    Er findet aber auch die rechte Einordnung seiner individuellen Not, die er nicht als Strafe für eigenen Sünde ansieht. Er hadert nicht mit Gottk, sondern klammert sich fest an ihn:

    “Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei deiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich endlich mit Ehren an … Wenn mir gleich Leib und Seele verschmatet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil” (Ps 73,23-24+26).

  2. mumu7

    dickes lob=)

    Der Artikel ist echt gut!Ich hab mich nämlich auch schon oft gefragt,wie Gott das ganze Leid in der Welt zulassen kann.Dickes Lob auch an euch!Die Page ist echt super und man findet immer wieder was neues zum lesen.die artikel “small talk” und “das zimmer”sind auch voll gut!
    gottes fetten segen an alle

  3. ali

    vertrau den zusagen des herrn:

    jes.43:
    Jetzt aber – so spricht der Herr, / der dich geschaffen hat, Jakob, / und der dich geformt hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich ausgelöst, / ich habe dich beim Namen gerufen, / du gehörst mir.  
    Jes 43,2 Wenn du durchs Wasser schreitest, bin ich bei dir, / wenn durch Ströme, dann reißen sie dich nicht fort. Wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht versengt, / keine Flamme wird dich verbrennen.  
    Jes 43,3 Denn ich, der Herr, bin dein Gott, / ich, der Heilige Israels, bin dein Retter.

  4. thorben

    Wenn man sich mit Glaube und Gott beschäftigt, wird wohl keine Frage heißer diskutiert, als diese: Wieso gibt es soviel Leid auf dieser Welt, wenn Gott doch gütig und allmächtig ist, wieso ließ er diese schreckliche Flutwelle zu, wieso verhungern Kinder warum werden sie mißbraucht, weshalb existieren Katastrophen, Krieg und Krebs, warum hören Hunger, Elend und Armut nicht auf, wieso lässt er Folter und Gewalt zu?

    Eines der ältesten Bücher der Bibel, das Buch Hiob geht genau dieser Frage nach. Auch in Griechenland beschäftigten sich die Philosophen mit dieser Thematik, so zum Beispiel Epikur. Der französische Philosoph Pierre Bayle brachte es später in vier Sätzen auf den Punkt:

    „Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht. Oder er kann es und will es nicht. Oder er kann es nicht und will es nicht. Oder er kann und will es.“

    Wenn einer der ersten drei Sätze stimmt, dann ist Gott entweder nicht allmächtig oder nicht gütig oder beides nicht. Wenn der letzte Satz stimmt, so ist unklar, woher dann das Schlechte stammt.

    In der Bibel steht, dass die ersten Menschen, Adam und Eva auch die ersten waren, die gesündigt haben und dadurch das ganze Elend und den Tod auf die Welt brachten. Bereits ihr Sohn Kain beging den ersten Mord an seinem Bruder Abel.

    Römer 5,12: „Darum, gleichwie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod, und so der Tod zu allen Menschen hindurchgedrungen ist, weil sie alle gesündigt haben“Das Böse muss aber auch irgend einen Ursprung haben. Die Bibel schreibt es dem Teufel zu. Martin Luther (1483-1546) meinte dazu: „Gott hat das Leben, der Teufel hat den Tod lieb.“

    In der Zeit der Aufklärung mehrte sich das Misstrauen gegenüber einem gütigen und liebendem Gott. Voltaire (1694-1778) konnte nur noch spotten: „Wenn die Kirchenväter behaupten, Gott sei ein liebevoller Vater und gerechter Herrscher, geraten sie bald in unentwirrbare Widersprüche.“

    Immanuel Kant (1742-1804) musste nach dem schrecklichen Erdbeben von Lissabon „das Mißlingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee“ (griechisch: Die Rechtfertigung Gottes) erkennen.

    „Gott ist tot“, sprach Nietzsche und starb bald danach im Jahr 1900 in geistiger Umnachtung. Die Unglücke wurden immer schlimmer: Zwei Weltkriege, Schreckensherrschaften, Hunger, neue Krankheiten; der Mensch wurde immer anmaßender und der Meinung ein richtiges Urteil fällen zu können.

    Nach Ende des Zweiten Weltkriegs verfasste Wolfgang Borchert sein Drama „Draußen vor der Tür“, darin schreibt er: „Wann warst du denn eigentlich lieb, Gott, wann? Warst du in Stalingrad lieb, lieber Gott, warst du da lieb…“

    Die liberale Theologin Dorothee Sölle war der Meinung: „Wie man nach Auschwitz den Gott loben soll, der alles so herrlich regieret, das weiß ich auch nicht.“

    Doch Gott gab den Menschen einen freien Willen. Er möchte keine Maschinen, die auf Knopfdruck das Richtige tun. Doch genau das ist das Dilemma der Menschheit. Sie hat sich stets gegen Gott entschieden. Die Menschen missachteten seine Gebote, brachten Tod und Krankheit in Gottes Schöpfung.

    Doch Gott hat einen Ausweg gefunden. Er schickte seinen Sohn Jesus auf die Erde. Der war perfekt und tat überhaupt nichts schlechtes. Als er dann unschuldig am Kreuz starb nahm er in Stellvertretung die Schuld und das Elend der Menschen auf sich. Gott selber weiß, was es bedeutet Schmerzen zu erleiden.Wer ihn in sein Leben aufnimm, der kann seine Schuld und Qual bei ihm abgeben, denn er hat dafür bezahlt.

    http://www.soulsaver.de/main.php?dom=www.soulsaver.de&pid=509&page=1

  5. Marina.K.

    Das macht keinen Sinn

    Hallo, ich muss sagen das ich mich schon sehr oft gefragt habe wo war Gott in bestimmten Situationen,als etwas schlimmes passiert ist, und ich habe nie eine Antwort bekommen, egal von wem.
    In dem Artikel steht, dass Gott z.B. nicht in der Schule von Littelton oder in Erfurt bei den Massakern da war um das alles zu verhindern, weil er ,,Hausverbot” hat oder nicht erwünscht ist, was kompleter Schwachsinn ist. In der Bibel steht doch das Gott alle Menschen liebt, besonders die ,,schlechten” Menschen, weil sie seine Liebe am meisten von allen brauchen. Also warum hat er dann nicht den Opfern der Massaker nicht geholfen? Oder warum hat er dann zugelassen das diese Menschen solch eine schlimme Tat begehen?, egal ob sie nun an ihn glauben oder nicht. Das ist ein Wiederspruch in sich selbst, das macht keinen Sinn!
    Darauf konnte mir bis jetzt noch nie jemand eine Antwort geben, kein Pastor kein Priester, keine normalen Gläubigen. Nur Menschen die nicht gläubig sind, die ich fragte, haben mir einen Antwort geben. Sie sagten, ganz einfach, Gott war nicht da, weil es ihn nicht gibt.
    Damit konnte ich zwar nicht viel anfangen weil ich an Gott glaube, aber sie gaben mir wenigstens eine Antwort ohne groß rumzuschwafeln und übertrieben weit bei ihren Erzählungen auszuschweifen.

  6. ali

    gott ist einfach gut.
    ali

    Der unbekannte Gott
    Als der Apostel Paulus von Tarsus nach Athen kam und durch die Großstadt wanderte, fand er unter all den Götterbildern eines mit der Aufschrift

    “Dem unbekannten Gott (geweiht)” (Apostelgeschichte 17,23). Die Griechen waren ein sehr religiöses Volk. Die Überlieferungen ihrer Vorfahren strotzten nur so von Göttergeschichten. Für nahezu jeden Lebensbereich gab es einen Gott oder eine Göttin.

    Im Laufe der Zeit hatte das Weltbild jedoch Risse bekommen. Der Philosoph Protagoras stellte die Gottesfrage neu und radikal, indem er verkündete:

    “Von den Göttern weiß ich nichts. Ich weiß weder, ob sie existieren, noch kann ich sagen, dass sie nicht existieren. Denn vieles beeinträchtigt unsere Erkenntnis. Dies liegt sowohl an der Dunkelheit der Sache selbst wie auch an der Kürze des menschlichen Lebens.”

    Mit dieser resignierenden Weisheit wollte man sich jedoch nicht abgeben. Immer wieder versuchten Menschen, auf die eine oder andere Weise, die Existenz eines Gottes oder mehrerer Götter zu beweisen. In diesem Zusammenhang ist der Gedenkstein für den “unbekannten Gott” besonders interessant. Hatten da einige eher praktisch denkende Leute das Problem auf ihre Weise gelöst? Etwa nach dem Motto: “Wir wissen zwar nicht, ob es einen oder mehrere Götter gibt und wenn ja, wie sie aussehen. Aber falls dort oben jemand existiert, dann soll er wenigstens nicht böse auf uns sein, weil wir ihn nicht verehrt haben.”

    Wenn wir uns heute in unserer Welt umsehen, dann hat sich seit damals gar nicht so viel verändert. Die Unsicherheit ist geblieben. Ein Cartoonist hat sie einmal so dargestellt: In einer Kirche sitzt ein etwas verzweifelt aussehender Mann und betet: “Lieber Gott, wenn es dich gibt, dann rette meine Seele, falls ich eine habe!”

    1. Drei Weltbilder
    Wer heute durch eine beliebige europäische Großstadt spaziert, wird eine Vielzahl von religiösen Angeboten entdecken. Neben verschiedenen Kirchen und Gemeinden werben östliche und westliche, traditionelle und neu entstandene Religionen um Anhänger. Die Frage nach Gott ist heute noch genauso zentral wie zu allen Zeiten. Umfragen haben ergeben, dass zwar das Interesse an die religiösen Institutionen wie Kirchen oder festen Religionsgemeinschaften sinkt, die Frage nach Gott aber nach wie vor die Menschen fesselt.

    Doch gerade hier ist aufgrund der Fülle von Angeboten eine große Verwirrung eingetreten. Wer ist Gott, und wie ist er? Gibt es nur einen bestimmten Gott, und alle anderen sind gar keine? Oder ist Gott für den einen so und für den anderen anders? Ist er so, wie ich ihn mache? Kommt es am Ende nur darauf an, dass man an irgend etwas glaubt, egal an was? Oder kann ich zu einer letzten Gewißheit in der Gottesfrage kommen?

    Weltbild 1: “Es gibt keinen Gott”
    Auf dem Weg zu dieser Gewißheit kann es hilfreich sein, sich einmal die verschiedenen Möglichkeiten anzuschauen, wie die Frage nach Gott beantwortet werden kann. Die erste Möglichkeit ist relativ einfach: Es gibt keinen Gott, die sichtbare Welt ist alles, was existiert. Diese Antwort auf die Frage nach Gott ist allerdings eine moderne Erscheinung. Tatsächlich existiert der Atheismus, also die Leugnung eines göttlichen Wesens, erst wenige hundert Jahre. Zudem hat er nur in einem begrenzten Teil der Welt wirklich breitere Volksschichten ansprechen können.

    Ist Gott eine Projektion?
    Im letzten Jahrhundert kritisierte der Philosoph Ludwig Feuerbach den Glauben an Gott als ein Trugbild, das der Mensch sich selbst vorgaukle. Seitdem wird immer wieder behauptet, Gott sei nur eine Projektion menschlicher Wünsche. Die Menschen sehnten sich nach einem himmlischen Vater. Sie bildeten sich diesen Wunsch am Himmelsgewölbe ab, von wo sie seither ein himmlischer Vater anstrahle. Der Wunsch sei also Vater des Gedankens. Der Mensch wünsche sich so sehr, dass es einen Gott gibt, dass er anfängt, an dessen Existenz zu glauben.

    Ein zweiseitiges Argument
    Nun ist das sicher ein starkes Argument gegen jeden Versuch des Menschen, sich einen eigenen Gott zu entwerfen. Man sollte jedoch beachten, dass das Argument in beide Richtungen zielt. Genauso wie Menschen sich wünschen, dass es einen Gott geben möge, ist denkbar, dass man sich intensiv wünscht, es möge keinen Gott geben.

    Dafür gibt es eine ganze Reihe von Motiven. Gott ist zu unbequem, zu bedrohlich. Wenn es einen Gott gibt, dann könnte er mich zur Verantwortung rufen. Wenn es einen Gott gibt, dann gibt es eine letzte Instanz, die über mir ist, die mich beurteilt, die mich möglicherweise lenkt und beeinflußt, vielleicht sogar, ohne dass es mir bewußt ist. Ein französischer Schriftsteller schrieb einmal: ”

    Ich hatte genug Gründe zu wünschen, dass kein Gott sei, deshalb gab es für mich auch keinen Gott .” Ein anderer drückte die Unwilligkeit, Gottes Existenz zu akzeptieren, folgendermaßen aus:”Wenn Gott existierte, wer könnte dann ertragen, nicht Gott zu sein?”

    Beide Wünsche sind also denkbar: dass es einen Gott geben möge und dass es keinen Gott geben möge. Das hängt ganz vom einzelnen ab.

    Philosophie auf einer einsamen Insel
    Die Tatsache, dass Menschen sich einen Gott wünschen können, sagt also noch gar nichts über die Existenz dieses Gottes aus. Vielleicht kann ein Beispiel das Dilemma aufzeigen, in dem sich Feuerbachs Religionskritik befindet. Stellen wir uns einmal vor, Robinson sitzt auf seiner einsamen Insel und hat von seinem eintönigen Speiseplan (immer nur Fisch und zum Nachtisch eine Kokosnuß) die Nase voll. Und so träumt er von einem schönen, saftigen Steak. Allein bei dem Gedanken läuft ihm schon das Wasser im Mund zusammen.

    Sein eingeborener Freund namens Freitag kann das nicht verstehen. In seiner Welt gibt es keine Rinder, also auch keine Steaks. Und so hält er die bis ins Detail gehenden Beschreibungen Robinsons, wie ein Steak aussieht, duftet und schmeckt, für reine Produkte seiner Phantasie. Die beiden fangen an zu diskutieren. Freitag, der anhand eines Philosophiebuchs aus der Schiffsbibliothek lesen gelernt hat, bringt sein Wissen gleich an: “Robinson, deine Vorstellung von der Existenz einer solchen Speise rührt gerade von ihrem Nichtvorhandensein her. Du wünschst sie dir so intensiv und stellst sie dir so lebhaft vor, bis du glaubst, dass es sie gibt. Aber schau dich doch um, nirgendwo hier auf der ganzen Insel findet sich so etwas wie ein Steak. Ein Steak gibt und gab es nicht und wird es auch niemals geben!”

    Robinson kann das natürlich nicht stehen lassen: “Ich träume von einem Steak, weil es eins gibt. Woher hätte ich denn sonst die Vorstellungen? Leider gibt es auf dieser Insel keine Rinder, aber in England, wo ich herkomme. Und da habe ich nicht nur einmal Steak gegessen. Die Tatsache, dass ich es mir überhaupt wünschen und vorstellen kann, zeigt doch, dass es Steaks tatsächlich gibt.” Soweit die Diskussion auf der Insel.

    Wie wir sehen, läßt sich Feuerbachs Argument in beide Richtungen verwenden. Die Tatsache, dass wir uns etwas wünschen, beweist noch nicht, dass das, was wir uns wünschen, tatsächlich existiert. Umgekehrt spricht mein Wunsch aber auch nicht gegen die Existenz des Gewünschten. Ob ich mir etwas wünsche oder nicht, sagt also nichts über das Gewünschte selbst aus. Ich muß daher einen anderen Zugang zu der Sache suchen, denn Feuerbachs Argument beweist nichts. Es zeigt nur auf, was wir sowieso wissen, nämlich dass viele Menschen an einen Gott glauben und andere nicht, und was die Motivation dabei sein kann. Über die Frage, ob Gott existiert, unabhängig von Wünschen in diese oder jene Richtung, kann Feuerbach aber nichts sagen.

    Es ist nämlich auch eine andere Überlegung möglich: In der Weltwirklichkeit entspricht ein menschliches Begehren oder Bedürfnis normalerweise einer Realität, die dieses Begehren oder Bedürfnis erfüllt. So entspricht dem Durst, also dem Bedürfnis zu trinken, das tatsächliche Vorhandensein von Getränken. Dem Hunger entspricht die Tatsache, dass es Speise gibt. Und so weiter.

    Könnte es nun sein, dass dem Wunsch des Menschen nach Kontakt mit dem Ewigen, dem Unendlichen, also mit Gott, auch eine Wirklichkeit entspricht? Durch die ganze Geschichte hindurch haben sich Menschen immer wieder mit Gott oder den Göttern beschäftigt. Bereits die frühesten Zeichnungen in den Höhlen der Steinzeitmenschen sind religiöse Kunst. So abweichend die Vorstellungen von Gott in den einzelnen Kulturen auch sein mögen, eines haben sie gemeinsam: Alle gehen von der Existenz eines oder mehrerer göttlichen Wesen aus.

    Offenbar sind wir alle also Wesen, die auf eine letztgültige Beziehung hin angelegt sind. In einem Gebet drückte der Kirchenvater Augustin diesen Sachverhalt mit den Worten aus:

    “Zu dir hin hast du uns geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.”

    Leben ohne Gott
    Die “Lösung”, dass man die Existenz Gottes schlichtweg verneint, scheint daher nur sehr unbefriedigend zu sein. So gibt es gerade in den Ländern des ehemaligen Ostblocks, wo die Menschen ja eine lange Tradition atheistischer Erziehung hinter sich haben, neue religiöse Aufbrüche. Die Menschen strömen in die Kirchen und zu anderen religiösen Gruppen und fragen nach Gott. Offenbar gibt es eine tiefe Sehnsucht im Menschen, die sich auch durch ein atheistisches Weltbild nicht auf Dauer unterdrücken läßt.

    Zudem ist der Atheismus ein Weltbild, das die Menschen vor große Belastungen stellt. In seiner letzten Konsequenz heißt das: Wenn kein Gott über den Menschen herrscht, wenn es keinen letzten Richter gibt, dann ist der Mensch dem Menschen ausgeliefert. Dann kann der Stärkere den Schwächeren ungestraft und unbemerkt unterdrücken. Dann ist brutale Machtpolitik das angemessene Mittel, um voran zu kommen. Dann haben die Tyrannen und Diktatoren recht gehabt, die nur nach ihrem eigenen Vorteil entschieden haben und nach der Devise lebten, dass der Zweck die Mittel heiligt. Wenn es keinen Gott gibt, gibt es auch keinen ewigen Richter, vor dem sich jeder verantworten muß.

    Ein russischer Dichter des letzten Jahrhunderts, Dostojewski, hat deutlich gesehen, was geschieht, wenn sich der Mensch selbst zur absoluten Autorität macht:

    “Wenn es keinen Gott gibt, gibt es kein Bild vom Menschen, keinen Entwurf des Menschen, nach dem er sich zu richten hätte. Er müßte selbst festlegen, was gut und was böse ist. Es gibt ja keinen Gott, der es ihm vorschreiben könnte.”

    Wenn es keinen Gott gibt, ist der Mensch sich selbst und den Naturgewalten hilflos ausgeliefert. Dann verhallen die Schreie der Sterbenden, der zu Unrecht Gequälten und Gefolterten ungehört im leeren Weltall. Dann ist es letztlich nicht möglich und auch sinnlos, bestimmte Handlungen als gut und andere als verwerflich zu bezeichnen. Denn dann bestimmt der Einzelne oder die Gruppe der Stärksten, was gut und was schlecht ist.

    Selbst wenn man diese drastischen Folgen eines atheistischen Weltbildes verneint, dann bleibt noch ein weiteres Problem. Die Leugnung eines göttlichen Wesens ist im höchsten Maße anfechtbar. Das Robinson-Beispiel hat das deutlich gemacht. Freitag, der die Nichtexistenz eines Steaks behauptete, hatte von vornherein die schlechteren Karten. Denn er mußte nicht nur alle Berichte Robinsons als Lügen oder Irrtümer überführen, sondern wäre auch von dem Augenblick an widerlegt, wo Robinson von irgendwoher ein Steak bekäme, das er Freitag zeigen könnte.

    Auf die Frage nach Gott übertragen, bedeutet das: Wer sich zum Atheismus bekennt, muß zumindest für sich eine Lösung finden, wie er mit den religiösen Erfahrungen seiner Umwelt umgeht. Denn die Welt ist voll von Erfahrungen, die religiös interpretiert werden. So wird in jeder Religion von Wundern berichtet, von spontanen Heilungen, von der Antwort auf Gebete. Hieran kann ein Atheist nicht einfach vorbeigehen, wenn er sein Weltbild begründen möchte. Jede einzelne dieser Erfahrungen ist ja ein “Gegenargument” gegen den Atheismus, solange sie sich nicht auch ohne Gott erklären ließe.

    Wahrscheinlich ist hierin der Grund dafür zu finden, weshalb es nur ganz wenige wirkliche Atheisten gibt. Die meisten räumen auf genauere Nachfragen ein, in der Gottesfrage letztlich keine Antwort zu haben. Sie sind Agnostiker, Menschen, die wie Protagoras ehrlich zugeben, dass sie über Gott nichts wissen. Aber deswegen möchten sie sich auch nicht einfach einem Gottesbild anschließen, denn das wäre genauso unehrlich wie die Leugnung Gottes.

    Weltbild 2: “Gott ist ein Teil der Welt”
    Wahrscheinlich liegt es an diesen Problemen, dass sich der Atheismus aufs Ganze betrachtet nur wenig durchsetzen konnte. Im Altertum jedenfalls wurde jeder öffentliche Zweifel an der Existenz der Götter bekämpft und oft sogar strafrechtlich geandet. Wer die Götter infrage stellte, der stellte das Fortbestehen des Gemeinwesens infrage.

    Diese Auffassung ist für uns heute unverständlich. Sie erklärt sich aber aus dem damaligen Weltbild. Danach stellte man sich die Götter als Teil der Welt vor. Sie wohnten zwar auf einer höheren Ebene, die man sich oft als Berg (etwa den Olymp in Griechenland) vorstellte, waren aber im ganzen betrachtet nur eine Art höhere Menschen. In vielem waren sie den Menschen ähnlich. Zum Beispiel hatten sie die gleichen Schwierigkeiten mit dem Zusammenleben. In der griechischen Mythologie werden immer wieder Ehebrüche und Streitereien der Götter berichtet, bei denen es keineswegs glimpflich zuging. Denn auch die Götter waren sterblich. So erwarteten die Germanen eine “Götterdämmerung” am Ende der Zeiten, bei der nicht nur die Menschen, sondern auch die Götter zugrunde gehen würden.

    Wozu braucht man Götter?
    Dennoch hatten die Götter eine große Macht. Sie waren letztlich für den Erfolg oder Mißerfolg bei Ernten verantwortlich, in ihren Händen lag damit das Wohl der Menschen. Die Götter waren es auch, die Völker aufeinander hetzen konnten, so dass es zu Kriegen kam. Deswegen mußte man sich mit den Göttern gutstellen, sonst könnten sie zornig werden.

    Aber nicht nur die Menschen waren auf die Götter angewiesen, umgekehrt waren auch die Götter von den Menschen abhängig. In drastischer Weise stellt diesen Sachverhalt das babylonische Gilgamensch-Epos dar, eine Parallelerzählung zum biblischen Sintflutbericht (1.Mose 6-9). Dort vernichten die Götter die Erde mit einer großen Flut. Nur der Held mit dem schönen Namen Utnapischtim überlebt mit einigen Getreuen auf einem Schiff. Als das Wasser zurückgegangen war, opferten sie den Göttern. Darauf hatten diese schon lange gewartet. Sie kamen gierig von allen Ecken des Himmels herbei. Denn mit der Flut hatten sie einen Fehler begangen. Weil die Götter von den Opfern der Menschen lebten, zerstörten sie mit deren Ausrottung auch ihre eigene Existenzgrundlage.

    Das Weltbild des Altertums beruhte also auf einem immerwährenden Kreislauf. Die Menschen opferten den Göttern, damit diese sich gnädig zeigten und die Ernten gelingen ließen. Das zeigt aber auch, warum eine Leugnung der Götter so gefährlich war. Zwar verlangte niemand, dass die Tempelbesucher eine besonders gute Meinung von den Göttern hatten, aber die Opfer durften nicht unterlassen werden. Die Folgen wären sonst katastrophal. Die Existenz des Staates könnte auf dem Spiel stehen, wenn sie Götter zornig würden. Auf diesem Hintergrund erklärt sich ein Teil der Christenverfolgungen. Hier verweigerte zum ersten Mal eine größere Gruppe die Opfer für die alten Götter. So machte man sie verantwortlich für alles, was im Staat schief lief, denn sie waren es ja, die den Zorn der Götter erregt hatten.

    Verschiedene Formen …
    In den einzelnen Ausformungen kann dieses Weltbild ganz unterschiedlich sein. Im Altertum glaubte man, die Götter verkörperten jeder für sich einen besonderen Bereich. Es gab einen Kriegsgott, eine Göttin für die Liebe und die Fruchtbarkeit, einen Gott, der für den Handel zuständig war, und so weiter. Doch kann dieses Weltbild auch ganz anders aussehen. In anderen Kulturen stellt man sich die Götter eher als Geistwesen vor, die an bestimmten Plätzen wohnen. Sie verkörpern nicht die Fruchtbarkeit an sich, sondern herrschen über ein bestimmtes Gebiet. Wenn man dort etwas anbauen möchte, muß man sie gut stimmen, ebenso wenn man dort ein Geschäft eröffnen möchte. Bestellt man woanders einen Acker, so muß man andere Götter zufriedenstellen. Eine solche Vorstellung liegt zum Beispiel den Baalen und Ascheren zugrunde, die im Alten Testament erwähnt werden.

    Die Götter können sich aber auch mit Familien oder bestimmten Gruppen verbinden. So gibt es bestimmte Volksgottheiten, die dafür sorgen, dass ihr Volk die Kriege gewinnt. Unterliegt es, dann zeigt das, dass der andere Gott stärker war als der eigene.

    … dasselbe Weltbild
    Doch wie man sich den Bereich der Götter auch immer vorstellen mag, allen Weltbildern ist eines gemeinsam: Die Götter werden als Teil der Welt gedacht. Sie stehen nicht außerhalb, sie sind nicht unabhängig von der Welt. Im Gegenteil, sie sind Teil des Weltkreislaufes. Mit der Entstehung der Welt sind auch sie entstanden, mit ihrem Ende werden auch sie vergehen.

    In diesem Zusammenhang ist auch der Pantheismus zu nennen. Seiner Ansicht nach ist die ganze Welt “durchgottet”. Alles ist Gott: die Menschen, die Tiere, die Pflanzen, einfach alles. Diese Vorstellung bedeutet noch keine grundlegende Veränderung des Weltbildes. Auch hier ist Gott innerhalb der Welt, er ist nur anders “verteilt” als zum Beispiel in antiken Vorstellungen.

    Grundsätzlich leiden alle diese Weltbilder an einem ähnlichen Mangel wie der Atheismus. Zwar kann man nun religiöse Phänomene verstehen und als solche stehen lassen, aber die Frage nach der Moral ist noch nicht endgültig gelöst. Auch die Götter sind ja ein Teil dieser Welt und verhalten sich nicht gerade vorbildlich, sondern nutzen ihre Macht aus, um es sich gut gehen zu lassen.

    Noch schwieriger ist es im Pantheismus. Hier liegt ja offenbar ein Zwiespalt in Gott selbst vor, denn unsere Welt sieht nicht so aus, als ob jedes Wesen von dem gleichen göttlichen Geist durchdrungen wäre. Man hilft sich zwar, indem man sagt, das Ganze sei ein Erkenntnisproblem. Wenn jeder Mensch erkennen würde, dass er ein Teil desselben göttlichen Geistes ist wie die anderen, dann würde er in Harmonie mit seinen Nachbarn und der Natur leben.

    Doch das wirft zwei Fragen auf: Warum erkennt nicht jeder Mensch von sich aus, dass er Gott ist? Was trübt seine Sicht? Andererseits, worin liegt der Fortschritt, wenn ich erkenne, dass ich Gott bin wie alles andere auch? Und warum soll das Auswirkungen auf mein Verhalten haben?

    Weltbild 3: “Gott ist jenseitig”
    Ein drittes Weltbild liegt den Religionen zugrunde, die sich auf die biblische Tradition berufen: dem Judentum, dem Christentum und dem Islam. Nach der Bibel ist Gott jenseitig, er steht außerhalb unserer Welt. Er war schon, bevor die Welt entstanden ist, und er wird auch dann noch sein, wenn die Welt nicht mehr existiert. Gott ist der Schöpfer dieser Welt, er rief sie ins Leben und steht ihr gegenüber.

    Weil Gott außerhalb der Welt existiert, ist er nicht abhängig von ihr. Sein Dasein verdankt er nicht der Welt. Er existiert nicht, weil sie existiert, er ist auch nicht abhängig von den Opfern der Menschen. Gott ist jenseitig. Umgekehrt gilt aber: Weil Gott die Welt geschaffen hat, ist diese abhängig von ihm. Weil er ihr das Leben eingehaucht hat, kann er es jederzeit wieder entziehen. Gott braucht die Welt nicht, aber die Welt braucht ihn.

    Man kann dies philosophisch folgendermaßen ausdrücken: Gott ist das Subjekt, und die Welt ist sein Objekt. Sie ist das Objekt seiner Fürsorge, denn er hat sie nicht nur geschaffen, sondern sorgt auch dafür, dass sie weiterbesteht, indem er in ihr immer wieder neu Leben entstehen läßt. Weil Gott aber das Subjekt ist und die Welt sein Objekt, kann Gott zwar die Welt erkennen, umgekehrt ist das jedoch nicht so einfach möglich. Gott, der die Welt geschaffen hat, ist größer als die Welt. Daher kann sie ihn nicht fassen. Wir können nur das, was innerhalb unserer Welt ist, erkennen. Was sich nicht wahrnehmen läßt, was nicht meßbar oder erfahrbar ist, was also nicht Teil unserer Welt ist, darüber können wir nichts sagen.

    Insofern sind sich der Atheismus und die Bibel in diesem Punkt einig: Gott ist nicht ein Teil unserer Welt. Der Unterschied bezieht sich auf die Frage nach dem Jenseits. Während es nach der Bibel ein Jenseits, einen Bereich Gottes gibt, der die Welt umschließt, leugnet der Atheismus die Existenz dieses Bereiches und damit Gottes.

    Ein Ausflug in die Welt der Strichmännchen
    Letztendlich herausfinden kann man die Wahrheit von uns aus jedoch nicht. Denn wie sollen wir die Grenze zwischen unserem Diesseits und dem Jenseits Gottes überwinden? Ein Beispiel kann deutlich machen, um was es dabei geht: Stellen wir uns einmal vor, es gäbe zweidimensionale Wesen. Wir leben ja in drei Dimensionen: Länge, Breite und Höhe. Bei den zweidimensionalen Wesen fällt eine dieser Dimensionen weg. Sie haben nur noch Länge und Breite. Und folglich leben sie auch nicht in einem dreidimensionalen Raum wie wir, sondern in einem zweidimensionalen, auf einer Fläche. Ein zweidimensionales Wesen ist also eine Art lebendiges Strichmännchen.

    Wenn es solche Strichmännchen gäbe, dann würden sie zum Beispiel auf einem Blatt Papier leben. Wir könnten uns dicht darüber beugen und die Männchen beobachten. Wir können sie sehen, denn uns als dreidimensionalem Wesen bereitet es keine Probleme, nur zwei Dimensionen wahrzunehmen. Genauso wie ich die Buchstaben auf diesem Blatt erkennen kann, so kann ich auch die lebendigen Strichmännchen erkennen.

    Umgekehrt ist das jedoch unmöglich. In der Welt der Strichmännchen gibt es kein oben und unten, sondern nur links, rechts, vorne und hinten. Insofern können sie unser Gesicht, das darüber gebeugt ist, auch nicht wahrnehmen. Wenn man ihnen erzählen würde, es gebe einen dreidimensionalen Raum, so würden sie das wahrscheinlich nicht verstehen. Sie können sich gar nicht vorstellen, worin die zusätzliche Dimension bestehen sollte, ähnlich wie wir uns keine vierte Dimension vorstellen können.

    Das Verhältnis zwischen Gott und uns dreidimensionalen Wesen ist ähnlich. Gott ist sozusagen eine Dimension über uns, deswegen können wir ihn nicht wahrnehmen. Umgekehrt ist das aber kein Problem. Und noch etwas anderes läßt sich an diesem Beispiel deutlich machen: Wir können ohne Schwierigkeiten im selben Augenblick das ganze Blatt Papier überblicken. Das kann eines unserer Strichmännchen jedoch nicht. Es nimmt nur seine unmittelbare Umgebung wahr, weil es sich nicht einfach auf einen Hügel stellen kann, um weiter zu schauen. Denn diese Dimension “Höhe” existiert ja für es nicht. Also muß es von einem Ende des Blattes zum anderen laufen, wenn es sehen will, was dort los ist. An dieser Stelle beantwortet sich also die Frage, wie denn der biblische Gott überall gleichzeitig sein kann.

    Wie sieht Gott aus?
    Wenn man nun mit diesen Männchen Kontakt aufnehmen will, dann bleibt nur eine Möglichkeit: Man muß selbst als zweidimensionales Wesen in dieser zweidimensionalen Welt auftauchen. Eine Möglichkeit wäre, mit dem Finger auf das Blatt zu tippen.

    Für die Strichmännchen würde das folgendermaßen aussehen: Ein riesiger Fingerabdruck materialisiert sich plötzlich und verschwindet dann wieder genauso rätselhaft. Wo kam er her? Wo ging er hin? Diese Fragen kann man in der Welt der Strichmännchen nicht beantworten.

    Wenn man nun die Strichmännchen fragen würde, wie denn das Wesen aussieht, das sich da offenbart hat, dann wäre die Antwort ganz klar: Es ist ein riesiger Fingerabdruck. In gewisser Weise stimmt das ja auch. Mein Fingerabdruck ist ja wirklich ein Teil von mir, er ist genauso unverwechselbar wie ich selbst. Allerdings ist er nur ein Teil von mir. Aber das meiste von dem, wie ich aussehe, läßt sich in einer zweidimensionalen Welt nicht vermitteln.

    Eine andere “Offenbarung” könnte zum Beispiel mein Fußabdruck sein. Die Strichmännchen würde das vielleicht verwirren. Wie kann ein Wesen gleichzeitig wie ein Finger- und wie ein Fußabdruck aussehen? Das Problem löst sich jedoch, wenn man bedenkt, dass man es hier mit der Offenbarung eines dreidimensionalen Wesens in einer zweidimensionalen Welt zu tun hat. So ähnlich ist es auch mit Gott. Vieles von dem, was in unserer Welt widersprüchlich erscheint, ist es nicht, wenn man “eine Dimension weiter” schaut.

    2. Wege zur Gewißheit
    Damit sind wir scheinbar an einem toten Punkt angelangt. Unser Beispiel mit den Strichmännchen hat gezeigt, dass wir den jenseitigen Gott von uns aus nicht erkennen können. Wir sind darauf angewiesen, dass er sich offenbart. Von Gott kann der Mensch, der Teil der Schöpfung ist, also nur wissen, was Gott von seiner Seite aus dem Menschen zu erkennen geben will. Ein Wissen über den jenseitigen Gott kann deshalb nur von ihm selbst kommen. Nur wenn Gott in die Welt hineinredet, kann der Mensch, der in der Welt gefangen ist, etwas von ihm vernehmen.

    Hinweise auf Gott
    Doch die Lage ist nicht hoffnungslos. Wenn wir herausfinden wollen, ob der biblische Gott existiert, dann können wir den Hinweisen nachgehen, die die Bibel gibt. Denn Gott ist hiernach kein Gedankengebäude, sondern eine Person, die mit uns in Kontakt treten möchte. Gott redet “vielfach und auf vielerlei Weise” (Hebräer 1,1). Im folgenden soll einiges davon genannt werden:

    Gott redet in der Schöpfung
    Der erste und allgemeinste Weg der Kommunikation Gottes ist die Schöpfung. Jeder Teil der Schöpfung trägt in sich einen Fingerabdruck seines Schöpfers. Die Schönheit der Berge, die unermeßliche Weite der Meere und des Himmels, die Erhabenheit der großen Naturschauspiele, sie alle weisen von sich weg auf den, der das erdacht und geschaffen hat.

    Dennoch ist das kein eindeutiger Hinweis auf Gott, da es in der Natur auch Negatives gibt, wie Erdbeben, Katastrophen oder das Verdrängen der einen Lebensform durch eine andere. Es besteht ein Bruch in der Schöpfung, der durch die Worte Krankheit, Tod und Sünde gekennzeichnet ist. So können wir nicht aufgrund der Schöpfung allein ein angemessenes Bild von Gott erhalten.

    Gott redet in der Geschichte
    Für viele Menschen ist die Geschichte ein Ort, an dem Gott redet. Er spricht dort zwar so verborgen wie in der Schöpfung, aber er redet. Auch für Christen ist es nicht in jedem Fall möglich, einzelne Ereignisse der Geschichte eindeutig als Handeln Gottes zu identifizieren. Dennoch ist die Bibel getragen von der Gewißheit, dass alles, was geschieht, auf eine für uns verborgene Weise von Gott mitbestimmt und gelenkt wird.

    Das bedeutet nicht, dass Gott direkt verantwortlich ist für alles, was geschieht. Vielmehr erlaubt er dem Menschen einen großen Freiraum für eigenes, auch sündhaftes, widergöttliches und zerstörerisches Handeln.

    Dennoch ist es möglich, Ereignisse der Weltgeschichte wie zum Beispiel den Fall der Berliner Mauer oder den Zusammenbruch des “Dritten Reiches” unter dem Vorzeichen zu verstehen, dass hier Gott gehandelt hat. Die Bibel ist voll von solchen rückblickenden Interpretationen. Vor allem in den Psalmen wird Gottes Tun in der Geschichte besungen. An vielen Stellen fordert der Psalmbeter auf, Gottes große Taten zu preisen. Die grundlegenden Ereignisse im Leben des Volkes Israel werden als Handlungen Gottes angesehen.

    In diesem Lobpreis der großen Taten Gottes wird die Glaubensaussage gemacht, dass Gott es ist, der an den entscheidenden Brennpunkten der Geschichte nach seinem Willen die Geschicke der Völker bestimmt. Das schließt aber nicht aus, dass die Menschen selbst handeln. Ihnen ist jedoch zum großen Teil gar nicht bewußt, dass im Hintergrund Gottes Hand ihre Entscheidungen lenkt.

    Gott redet im persönlichen Leben
    Aber Gottes Handeln ist nicht nur in den großen Zusammenhängen der Weltgeschichte zu entdecken. Er handelt nach Aussage der Bibel auch im Bereich des persönlichen Lebens von einzelnen Menschen. Die Bibel ist voll von Berichten von Menschen, die die Hilfe Gottes erfahren haben. Und auch heute noch gibt es solche.

    Gott redet vor allem in Jesus
    Doch alle diese Hinweise erlauben nur ein verschwommenes Bild von Gott. Sie reichen nicht aus, um wirkliche Gewißheit zu bekommen. Wir brauchen deshalb ein eindeutiges Reden Gottes. Nach der Bibel ist das in Jesus geschehen:

    “Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welt gemacht hat” (Hebräer 1,2).

    In Jesus ist etwas völlig Neues passiert. Gott ist Mensch geworden. Der jenseitige Gott ist ein Teil dieser Welt geworden, aber dennoch Gott geblieben. Mit diesem Anspruch ist Jesu aufgetreten. Er ist die letztgültige Offenbarung Gottes. Jesus zeigt uns, wie Gott ist und wie wir zu ihm kommen können. Jesus ist die Tür zu Gott. Er ist der Weg zum Vater. Er ist das ewige Wort. Er ist Gottes verbindliche Botschaft an uns.

    Die Frage, ob Gott in Jesus verbindlich und für alle nachvollziehbar gesprochen hat, entscheidet sich letztlich an der Frage, ob Jesus tatsächlich auferstanden ist. Wenn Jesus von den Toten auferstanden ist, dann stimmt auch sein Anspruch, das Fenster zu sein, durch das wir den verborgenen Gott sehen können. Dann ist er tatsächlich der Sohn Gottes, der Bote vom Vater im Himmel. Dann ist der Tod Jesu am Kreuz nicht der Endpunkt, das heroische Scheitern eines großen Menschheitslehrers, sondern das entscheidende Ereignis in der Geschichte, durch das Menschen wieder mit Gott versöhnt werden.

    3. Biblische Bilder von Gott
    Wenn Jesus tatsächlich von den Toten auferstanden ist, dann ist er ein sicherer Zeuge. Denn er ist der einzige, der im Jenseits war und zurückgekehrt ist. Wenn wir also wissen wollen, wie Gott ist, müssen wir uns den Gott anschauen, der sich in Jesus gezeigt hat.

    Hier fällt zunächst eins auf: Jesus stellt sich ganz in die Tradition des Alten Testamentes. Dort werden verschiedene Ausdrücke gebraucht, um den Charakter und das Wirken Gottes zu beschreiben. Jeder dieser Begriffe zeigt einen besonderen Aspekt. Es ist gut, sich einmal Zeit zu nehmen, über jeden dieser Begriffe nachzudenken und sich zu fragen, was er für uns persönlich bedeutet. Die einzelnen Bilder werden hier nicht ausführlich besprochen, sondern nur kurz genannt:

    Gott ist der

    Hirte, der uns nachgeht und sucht, auch wenn wir uns von ihm entfernen (Psalm 23).

    Gott vergleicht sich auch mit einer

    Mutter, die ihre Kinder tröstet und bedingungslos zu ihnen steht (Jesaja 66,3).

    Er ist der

    Herr der Heerscharen, dem alle Mächte untertan sind und der seine guten Pläne mit der Welt am Ende durchsetzen wird (Psalm 46).

    Gott ist der

    ewige Fels, der beständig ist und auf den wir uns unbedingt verlassen können (Jesaja 26,4).

    Gott ist der

    Heilige, der ganz gut ist und der allem Bösen entgegensteht (Jesaja 41,14).

    Dies sind nur einige der vielen biblischen Bilder und Begriffe, die Gott beschreiben und deutlich machen, wie er zur Welt und zu uns steht.

    Der Vater des verlorenen Sohnes
    Aber Jesus hat nicht nur das Gottesbild des Alten Testaments bestätigt, er hat auch selbst in einem Gleichnis, einer Erzählung, die einen Sachverhalt verdeutlichen soll, gezeigt, wie Gott ist. Dieses Gleichnis berichtet von einem jungen Mann, der sich sein Erbe auszahlen läßt und sich ein schönes Leben damit macht. Als er kein Geld mehr hat, kommt er ängstlich zurück, um bei seinem Vater als Tagelöhner zu arbeiten. Weil er das Geld seines Vaters verprasst hat, wagt er es nicht mehr, sich Sohn zu nennen.

    Doch der Vater ist ganz anders als der Sohn gedacht hat. Er steht jeden Tag am Tor und wartete darauf, dass sein Kind zu ihm zurückkommt. Als er es dann sieht, schließt er es in die Arme und veranstaltet ein großes Fest. Das Geld ist vergessen, alles was zählt, ist, dass der Sohn wieder zuhause ist. Gott ist unser liebender

    Vater, der sich um jedes seiner Kinder persönlich sorgt (Lukas 15).

    Wir können Gott persönlich kennenlernen
    Das ist das Angebot, das Gott uns macht. Die Zerrbilder, die wir von Gott haben, die uns hindern wollen, zu ihm zu kommen, verlieren ihre Kraft, wenn wir Gott persönlich kennenlernen.

    Jesus hat gesagt:

    “Wer mich sieht, der sieht den Vater!” (Johannes 14,9) Jesus ist wie ein Fenster ins Innere Gottes. Er zeigt uns, wie Gott wirklich ist. Jesus hat auch gesagt:

    “Niemand kommt zum Vater, außer durch mich.” (Johannes 14,6).

    Jesus ist der Brückenkopf Gottes in dieser Welt. Er ist das Wort Gottes, das eindeutig zu uns spricht (Johannes 1,1-12 und Hebräer 1,14).

    Um Gott kennenzulernen, müssen wir uns für Jesus Christus öffnen. Das können wir tun, indem wir zu ihm beten und ihn bitten, in unser Leben einzutreten. In der Person des Heiligen Geistes nimmt Gott Wohnung in unserem Herzen:

    “Wieviele ihn aufnahmen, denen gab er die Vollmacht (das heißt: das Recht und die reale Möglichkeit), Gottes Kinder zu werden” (Johannes 1,12).

    Gott will mit uns in Kontakt treten. Er will eine persönliche Beziehung zu uns aufbauen. Was das bedeutet, hat Paulus erfahren:

    “Ist Gott für uns, wer kann dann wider uns sein?” (Römer 8,31)

  7. Franci

    Gott ist ein Gentleman

    hey! bin durch steffies äußerung über diesen artikel auch ma auf die idee gekomm ihn mir durchzulesen. muss sagen RESPEKT. der is echt gut. den müsste sich echt jeder mal durchlesen, der gott für alles schlechte in der welt zur verantwortung ziehn will und ihn im seinen alltäglichen leben am doch liebsten aussperren möchte. ich glaube, das würde vielen einen neuen blickwinkel eröffnen.

  8. SteffiMonshausen

    Voll krass

    Find ich total gut den Artikel. Hab ich auch noch nie so gesehen. Frage mich nämlich oft was ich auf die Frage “Wo war Gott?” antworten soll.

    Andere Geschwister haben mir als Antwort nur eine ellenlange Argumentation gegeben, wo ich am Ende auch nur noch die Hälfte von wusste.

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