Er hatte 13 Semester Philosophie und Theologie studiert, aber eine einfache Predigt führte in zu Jesus.

Meine Frau war zu dieser Zeit bereits in ihrem Lehrerberuf tätig. So waren wir beide sehr froh, dass wir in unserem Wohnort in der Nähe Erlangens für unser erstes Kind in der Hensoltshöher Schwester Lina Brenner eine Kindergartenschwester fanden, die sich um unseren damals 4 ½ jährigen Sohn liebevoll kümmerte, auch dann noch, wenn wir mal später kamen. Eines Tages, als ich ihn aus dem Kindergarten abholte, es war Anfang April 1970, erzählte sie mir, dass sie am Vorabend in der Nürnberger Messehalle bei der „Euro 70“ mit Billy Graham war, und sie lud mich ein, doch am Abend einmal mitzukommen. Ich lehnte unter Hinweis auf das anstehende Examen sofort ab. Auch am nächsten Tag, als sie mich wieder einlud, wollte ich mich mit einem Evangelisationsabend überhaupt nicht anfreunden, und ich sagte ihr, dass diese Art von Christentum nichts für mich sei. Aber Schwester Lina ließ nicht locker. Noch ein drittes Mal lud sie mich ein. Sie schilderte begeistert, wie interessant die Ansprache und wie wohlklingend der Chor war. Dabei sah sie mich so überzeugt und liebevoll an, dass ich schließlich einwilligte. „Ich komme heute Abend mit, aber nur Ihnen zuliebe“, war meine Antwort. Ich weiß noch, wie ich mich ziemlich weit nach hinten setzte und mit großer Skepsis auf die Dinge blickte, die da geschehen sollten. Ich wunderte mich über die vielen Menschen, konnte aber mit dem Liedgut und mit dem Vorprogramm gar nichts anfangen. Dann fing Billy Graham an zu predigen.
Er sprach über die Geschichte vom blinden Bartimäus (Mk 10). Die engagierte Redeweise fesselte mich. Dann schilderte er die Szene, wie Bartimäus Jesus hinterherschrie „Herr, erbarme dich über mich“, und wie Jesus sich zu ihm hinabbeugte. In diesem Moment geschah etwas mit mir und in mir. Ich konnte plötzlich erkennen und fassen, dass Jesus der Heiland der Welt und mein eigener, persönlicher Heiland ist. Ich weiß noch, wie ich mich über mich selber wunderte und mich fragte: „Was ist denn jetzt mit dir los?“ Doch schnell war mir klar, dass ich jetzt glauben konnte. 13 Semester hatte ich Philosophie und Theologie studiert, ohne dem Glauben wirklich näherzukommen, trotz aller Hochschätzung der Person Luthers. Und jetzt konnte ich nach wenigen Minuten Predigt glauben. Das war das Wunder meines Lebens schlechthin. Was Paulus in Röm 9,30 sagt, dass die Heiden, die gar nicht nach Gottes Gerechtigkeit trachteten, sie bekommen, das trifft auf mich in vollem Ausmaß zu.
Bei aller Bewunderung und Hochschätzung des evangelistischen Dienstes, den Billy Graham über die Jahrzehnte getan hat, war es doch letztlich nicht er, der mich zum Glauben an Christus geführt hat, sondern der Herr selber. So ist es doch, denke ich, immer wieder, wenn Menschen zum Glauben finden. Christus bedient sich anderer Menschen, und je mehr diese selber in den Hintergrund treten, desto mehr kann er wirken. Das war wohl das große Geheimnis Billy Grahams. Er ist so vollständig hinter seiner Botschaft zurückgetreten, dass die Menschen unmittelbar vor Christus standen und letztlich nicht zu Billy Graham, sondern zu Christus kamen.
Ich bin und bleibe dem Herrn zutiefst dankbar, dass er damals Schwester Lina die geduldige Liebe gegeben hat, mich dreimal einzuladen, und dass er Billy Graham in so außergewöhnlicher Weise in seinem Erntefeld eingesetzt hat, insbesondere auch bei der „Euro 70“. Schwester Lina habe ich zusammen mit meiner Frau noch kurz vor ihrem Heimgang in Gunzenhausen besucht und ihr dafür gedankt, was sie für mich und unseren Sohn getan hat.

Dr. Joachim Cochlovius

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