Hooliganismus breitet sich aus – Staat und Fußball ratlos

Hooligans werden in Deutschland immer mehr zum Problem. Weder Staat und Polizei noch die Fußballvereine wissen so recht, wie sie mit gewalttätigen Fußballfans umgehen sollen. Das hat sogar zu Streit zwischen dem bayerischen Innenministerium und dem Bayerischen Fußballverband geführt. Anlass: die neueste Münchner Kriminalstatistik.

Generell sehen die Zahlen ja gut aus: München ist die sicherste Millionenstadt Deutschlands, so Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer. Gravierender Schönheitsfehler allerdings ist die Situation rund um die Fußballstadien in Bayern und vor allem im Großraum München. Bei 59 Spielen der Bundes- und Regionalligen mussten in der Saison 2008/09 insgesamt 12 000 Polizisten Dienst tun. 347 „Fans“ wurden verhaftet. Fußball müsse ein Familienfest bleiben, forderte Schmidbauer. Es dürfe nicht vorrangig um die Trennung rivalisierender Schlägertrupps gehen. Die Einsatzbelastung für seine Beamten sei „dramatisch“.

Ungünstig hat sich vor allem die Einführung der dritten Liga ausgewirkt. Damit kommen jetzt Teams aus Dresden, Erfurt oder Jena mit bekanntermaßen besonders problematischem Anhang nach München, Unterhaching oder Burghausen. Aber auch Waldhof Mannheim ist bekannt für seine gewaltbereiten Anhänger. Zu einer Drittligabegegnung muss die Polizei in ähnlicher Stärke anrücken wie beim FC Bayern, nur dass dort längst nicht so viele Zuschauer wie in der Allianz-Arena sind.

Aus der Politik kommt immer wieder die Forderung, die Polizei solle die Kosten der Einsätze doch den Fußballvereinen in Rechnung stellen. Schmidbauer hält das nicht für sinnvoll. „Wir haben kaum Probleme in den Stadien, sondern draußen auf der Straße“, sagte er. Hooligans interessieren sich kaum für die Spiele, sondern tragen ihre Konflikte gleich draußen aus. „Sollen wir den Sechzigern eine Rechnung schicken, weil es auf der Straße beim Stadion eine Schlägerei gab“, merkte er skeptisch an. Dann solle man die Einsatzkosten lieber den Tätern aufbrummen.

Eher ist der Polizeichef dafür, dass die Vereine ihre Fanprojekte ausbauen und mehr Präventionsarbeit machen. Das würde der Präsident des Bayerischen Fußballverbands, Rainer Koch, gern tun. Aber die Staatsregierung gewähre dafür zu wenig finanzielle Unterstützung. Laut einer Vereinbarung bezahlen Fanprojekte je zu einem Drittel das Land, die Kommune und der Fußballverband. Gibt einer der Partner weniger, so dürfen auch die beiden anderen sich nicht stärker engagieren. Konkret darf der Fußballverband jedes Fanprojekt in Bayern mit jährlich 60 000 Euro fördern, so Koch. Der Freistaat zahle aber in der Regel nur die Hälfte. Damit entgingen den Vereinen Summen in gleicher Höhe von seinem Verband und der Stadt. Die Vereine bräuchten für die Fanbetreuung mehr Geld, betonte er. „Ich komme aber seit Jahren keinen Schritt weiter, wenn es um die Finanzausstattung geht.“

Auf Kritik beim Freistaat stößt der Fußballverband seinerseits, weil er die Dauer von Stadionverboten für erwischte Randalierer und Schläger von fünf auf drei Jahre herabgesetzt hat. „Eindeutig ein falsches Signal“, meldete sich Innenminister Joachim Herrmann (CSU) dazu sogleich zu Wort. Denn ein Stadionverbot sei für Fußballfans die schlimmste Strafe überhaupt. Allerdings gelte das nur eingeschränkt für Hooligans, räumte er ein, die ja letztlich nur an Gewalt interessiert sind. Koch wies die Kritik zurück: Die Staatsregierung mache es sich zu leicht, wenn sie die Diskussion auf diesen Punkt verkürze.

Fazit: Staat und Fußballverbände sind ratlos. Hooliganismus ist Ausdruck von Perspektivlosigkeit. Menschen, die sich sonst überall benachteiligt, unerwünscht und chancenlos fühlen müssen, finden eine letzte Bestätigung im samstäglichen Ritual beim Fußballstadion. Ein Ritual, bei dem sich allerdings schon viele blutige Köpfe geholt und auch Unbeteiligte körperliche Schäden erlitten haben, unter denen sie lebenslang leiden. Ein Hooligan, der die Sackgasse, in der er steckte, erkannt hat und sich aus ihr befreien konnte, ist Jeannot. Seine Geschichte ist auf dieser Seite unter „Lebensberichte“ zu finden.

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