Schreckliche Erinnerungen eines Augenzeugen von Duisburg

Schließlich war ich gegen 17 Uhr wieder an der Kante und hatte freien Blick nach unten. Es war das Schockierendste, was ich je gesehen habe. Die Polizei hatte gerade den Bereich unten geräumt. Ich sah Menschen in zerrissenen Kleidern auf dem Boden liegen. Mein erster Gedanke: Warum hilft ihnen keiner? Dann habe ich es verstanden: Sie waren tot. Ich muss einer der ersten gewesen sein, die diesen schrecklichen Blick nach unten hatten. Ein Polizist kam: „Sie dürfen das nicht sehen.“ Die Menschen dort sahen so unwürdig behandelt aus, in ihren zerfetzten Sachen und zertrampelt. Dann sah ich unsere Freundin. Ihr Gesicht war zugedeckt, aber ich erkannte ihre neuen Schuhe. Die hatte sie sich extra noch gekauft. Sie war tot.
Ich mache mir solche Vorwürfe, dass wir Clancie nicht retten konnten. Sie war einfach ein toller Mensch, so lustig und lebensfroh und erst 27. Aber die Masse war zu stark. Erst Stunden später hatten wir Gewissheit, als ein Beamter uns die Nachricht brachte.
Von da an verschwimmt alles. Wir waren alle völlig durch den Wind und mussten noch Stunden auf dem Gelände bleiben. Ich hatte das Gefühl: Keiner hilft uns, keiner ist vorbereitet, alle sind überfordert. Eine Psychologin betreute uns in einem finsteren Container. Es war beklemmend, sie sprach nicht einmal Englisch – bei tausenden von internationalen Gästen.
Wir mussten bis 21 Uhr auf dem Gelände bleiben. Wir bettelten einen Polizisten an: „Fahren Sie uns doch ans Ende des Geländes, dort nehmen wir ein Taxi.“ Er wusste nicht, ob er das darf, und hatte auch wieder kein Funkgerät. Dann rannte er zu seinem Einsatzleiter, zweimal hin und her, um zu klären, ob wir endlich weg durften. Irgendwann durften wir, irgendwann waren wir endlich mit dem Taxi in Köln. Abendzeitung.de

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