Das kann dir passieren, wenn du dich mal in einen Gottesdienst oder eine Predigt verirrst.

Schlossers waren schon lange nicht mehr im Gottesdienst gewesen. Trotzdem verwahrten sie sich dagegen, wenn andere sie als «Neuheiden» abstempeln wollten. Schliesslich führte Herr Schlosser ein Geschäft, da musste er auf Draht sein, wenn er seine Familie über Wasser halten wollte. Fast jedes Mal, wenn die Familie sich vornahm, den Gottesdienst zu besuchen, kam ein wichtiger Termin dazwischen. Manchmal, das gaben sie der Ehrlichkeit halber ja zu, war auch Lustlosigkeit mit im Spiel.
Dann klappte es doch einmal. Schlossers schafften es, alles beiseite zu schieben, was sie vom Gottesdienstbesuch hätte abhalten können. Schliesslich hatte Felix, ihr einziger Sohn, das Abitur bestanden.
Dafür wollten sie Gott doch Dankeschön sagen. Aber wie das so ist, wenn der Mensch vom Wort getroffen wird und nicht zu dem, was ihm schlagartig klar wird, stehen will … nach der Versammlung ergingen sie sich zur Selbstrechtfertigung in der Kritik anderer.
So fand Herr Schlosser auf dem Heimweg, dass der Gottesdienst nicht das gebracht hätte, was er sich davon versprochen hatte. Er erwähnte den Pfarrer und meinte, der hätte nichts Neues gepredigt. Er würde nur das sagen, was jeder selbst in der Bibel nachlesen könnte.
Seine Frau unterstützte ihn in seiner Kritik und dehnte sie auf den Organisten aus. Dieser hätte für ihr Empfinden viel zu schnell gespielt. Sie hätte gar nicht mitsingen können. Als sie es doch einmal versucht hatte, war sie ausser Puste geraten.
Irgendwann konnte Felix, dessen bestandenes Abitur der Anlass zum Gottesdienstbesuch gewesen war, das Meckern nicht mehr anhören.
«Ich finde», sagte er, «der Gottesdienst war gut, Vater. Vor allem war er preiswert. Für den schäbigen Euro, den du in das Kollektenkörbchen geworfen hast, hast du einmal die Wahrheit gesagt bekommen.
Sonst gibst du jeden Monat Tausende von Euros aus, und keiner der Empfänger sagt dir, was Sache ist.»
ERICH SCHMIDT-SCHELL

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